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Gutscheine für WM-Fußballspiele

Redakteur fragte bei der Staatsanwaltschaft nach

In 78 Artikeln berichtet eine Regionalzeitung über eine Aktion des Vorstandsvorsitzenden eines Energieversorgers, der Gutscheine für Spiele bei der Fußball-WM 2006 an Landesminister, einen Bundespolitiker und Abgeordnete verschenkt. Für Landespolitiker gibt es Gutscheine zum Besuch von Bundesligaspielen. Der Autor eines großen Teils der 78 Beiträge wendet sich an die Staatsanwaltschaft. Dabei weist er auf den ersten seiner Artikel hin. Die Anklagebehörde nimmt Ermittlungen gegen den Vorstandsvorsitzenden wegen des Verdachts der Vorteilsgewährung und gegen mehrere Politiker wegen des Verdachts der Vorteilsnahme auf. Die Verfahren werden eingestellt. Die Rechtsvertretung des Vorstandschefs hält ihre Beschwerde gegen die Zeitung für gerechtfertigt. Sie hält es aus presseethischer Sicht nicht für richtig, dass sich ein Journalist an die Staatsanwaltschaft wendet und damit für die Aufnahme von Ermittlungen sorgt. Dem Redakteur sei es erkennbar nicht um Information und Aufklärung der Öffentlichkeit gegangen, wie es sich für einen seriösen Journalisten gehöre, sondern um seine eigennützige Selbstinszenierung und die Denunzierung des Firmenchefs. Die Chefredaktion der Zeitung hält die Behauptung, allein die Berichterstattung habe die Affäre ins Rollen gebracht, für widersinnig. Die Zeitung habe nichts anderes getan, als bei den betroffenen Stellen den neuesten Stand abzufragen. Dabei seien stets alle Seiten, sofern sie eine Stellungnahme abgeben wollten, befragt worden. Der Autor der Beiträge habe keineswegs das Ermittlungsverfahren aktiv herbeigeführt. Er habe nach Erscheinen des ersten Beitrages, in dem er bereits auf die mögliche strafrechtliche Relevanz der Gutschein-Aktion hingewiesen habe, bei der Staatsanwaltschaft nachgefragt und dieser auf Wunsch seinen bereits erschienenen und den für den nächsten Tag vorgesehenen Artikel übersandt. Die Zeitung zitiert aus einer Stellungnahme des Journalistenverbandes. Danach war das Verhalten des Redakteurs „journalistische Routine in solch strafrechtlich heiklen Fällen und hat mit einer Strafanzeige nichts zu tun“. (2006)