Gerichtsberichterstattung
Angeklagte sind nicht Mutter und Stiefvater des Opfers
Eine Boulevardzeitung berichtet über das Strafverfahren gegen eine Ärztin, die ihre 13-jährige Tochter wie eine Sexsklavin gehalten und dem Stiefvater zur Sado-Maso-Folter überlassen habe. Dem Text sind u.a. zwei Fotos der betroffenen Frau beigestellt. Eines zeigt sie durch ein Tuch verhüllt. Auf dem anderen ist ihre Augenpartie durch einen Balken verdeckt. Die Zeitung nennt Vornamen, Anfangsbuchstaben, Alter und Wohnort der Frau. Der Vorname des Opfers wurde geändert. Anwaltlich vertreten, beschwert sich die Ärztin beim Deutschen Presserat darüber, dass die Öffentlichkeit durch den Artikel nicht wahrhaftig unterrichtet worden sei. So werde der falsche Eindruck vermittelt, dass sie die Mutter des misshandelten Mädchens und der beteiligte Mann der Stiefvater des Mädchens sei. Schließlich wendet sich die Beschwerdeführerin gegen die Wiedergabe ihrer Fotos. Sie habe ausdrücklich ihr Einverständnis zu einer Bildberichterstattung verweigert und diese Einstellung durch eine äußerliche „Vermummung“ während ihres Auftretens vor Gericht hinreichend dokumentiert. Die Rechtsabteilung des Verlages ist der Ansicht, in Anbetracht der schweren Vorwürfe sei die Beschwerdeführerin als Angeklagte in einem Aufsehen erregenden Strafverfahren eine Person der Zeitgeschichte, deren Foto ohne Genehmigung veröffentlicht werden dürfe. Dass sie behaupte, die Veröffentlichung habe zum Verlust ihres Arbeitsplatzes geführt, zeige, dass sie Ursache und Wirkung verwechsle. Die Rechtsabteilung räumt ein, dass die Bezeichnung der Angeklagten als Mutter des Opfers falsch sei. Der korrekte Text sei vom Spätdienst der Redaktion bearbeitet worden. Dabei habe man auf Grund eines Missverständnisses den Fehler in den Text hineinredigiert. Die Bezeichnung des Liebhabers als „Stiefvater“ sei jedoch umgangssprachlich korrekt (2004)