Entscheidungen finden

Wie hat der Presserat entschieden?

Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.

Bitte beachten: Im Volltext abrufbar sind nur Entscheidungen mit den Aktenzeichen ab 2024, z.B. 0123/24/3!

Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.

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Entscheidungsjahr
6642 Entscheidungen

Mehrere Grenzen wurden überschritten

“Irrer Amokläufer – Wegen eines Messers flog er von der Schule” – unter dieser Überschrift berichtet eine Boulevardzeitung über den Amoklauf eines 16-jährigen in einer Großstadt. Dabei wurden 36 Menschen verletzt. Der Bericht befasst sich mit den Tathintergründen und der Persönlichkeit des Täters. Ein früher aufgenommenes Foto und zwei Bilder von der Festnahme illustrieren den Artikel. Auf einem der bei der Festnahme gemachten Fotos ist sein Gesicht erkennbar. Der Beschwerdeführer prangert an, dass der minderjährige Tatverdächtige abgebildet ist. Der Artikel verletze seine Intimsphäre, weil darin Details aus seinem Leben genannt würden. Der Hochschullehrer schaltet den Deutschen Presserat ein. Die Rechtsabteilung der Zeitung verweist auf den unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang der Berichterstattung mit dem Amoklauf. Wegen des zeitgeschichtlichen Charakters des Ereignisses sei es zulässig gewesen, Personen kenntlich abzubilden. Die Zeitung habe insbesondere den Täter identifizierbar abbilden dürfen, da der Haftbefehl auf mehrfachen Mord gelautet habe. Außerdem sei die Tat in aller Öffentlichkeit geschehen. (2006)

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Mordopfer im Bild dargestellt

Ein Nachrichtenmagazin berichtet unter der Überschrift “Nach den Cocktails kam der Tod” über den mysteriösen Mord an einer deutschen Prostituierten in den USA, deren Lebensgefährte wegen dieses Mordes einst beschuldigt, inhaftiert und zum Tode verurteilt wurde. Nachdem nunmehr entlastende Tatzeugen aufgetaucht sind, soll der Fall neu aufgerollt werden. Im Rahmen des Artikels wurden ein Foto des mutmaßlichen Täters ohne Pixelung oder Blende und ein Foto des Opfers abgedruckt, dessen Kopf (Augen, Haare, ein Ohr) überwiegend verdeckt ist. Dennoch ist das von den tödlichen Verletzungen herrührende Blut im Gesicht des Opfers gut zu erkennen. Eine Leserin ist der Auffassung, dass der Abdruck des Fotos zum Verständnis des Artikels nicht erforderlich und insgesamt unangemessen war. Es trage nicht zu einer sachlichen Berichterstattung bei. Sie wendet sich an den Deutschen Presserat. Das Justitiariat des Magazins vertritt die Auffassung, dass das Fotomotiv Gewalt nicht übermäßig darstelle. Zwar sei ein wenig Blut zu sehen, doch seien weder konkrete Verletzungen noch “unappetitliche” Details zu erkennen. Das Gesicht der Leiche sei kaum erkennbar und das Opfer befinde sich in einer Haltung, die als schlafend und mithin “eher normal” zu bezeichnen sei. Insgesamt bestehe ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit. In dem erneuten Verfahren gehe es darum, ob der verurteilte Mann womöglich doch nicht der Täter war. Die Fragen, die sich im Zusammenhang mit der Beurteilung der Tat ergäben, würden möglicherweise durch Indizien beantwortet, zu denen auch die Position der im Wagen aufgefundenen Toten gehöre. Deshalb habe das Foto dokumentarischen Charakter. Es sei nicht voyeuristisch aufgemacht. (2006)

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Foto eines jungen Amokläufers abgedruckt

Unter der Überschrift “Aids-Alarm nach Amoklauf” berichtet eine Sonntagszeitung über die Tat eines 16-Jährigen in Berlin, die dieser am Freitagabend begangen hatte. Eines der ersten durch Messerstiche verletzten Opfer hatte eine HIV-Infektion, so dass die später Verletzten befürchten mussten, an Aids zu erkranken. Teil der Berichterstattung ist ein unscharfes Foto, das den Täter bei der Festnahme zeigt. Auf einem weiteren Foto kümmern sich Helfer um eines der Opfer. Dabei ragt dessen Kopf unter einer Decke hervor; das Gesicht ist zur Hälfte von einer Hand verdeckt. Der Beschwerdeführer sieht in der Berichterstattung eine Missachtung von Opfer und Täter. Die Überschrift überschreite die Grenze zur unangemessen sensationellen Berichterstattung. Die Rechtsabteilung der Zeitung verweist auf den unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Ereignis und der Berichterstattung. Sie beruft sich auf den zeitgeschichtlichen Charakter der Fotos. Die identifizierbare Abbildung von Personen sei im Kontext mit dem Amoklauf in Berlin zwei Wochen vor der Eröffnung der Fußball-WM zulässig gewesen. Insbesondere das Foto des Täters habe die Zeitung ohne Anonymisierung abdrucken dürfen. Die Bilder zeigten ihn unmittelbar nach der Tat. Diese sei in aller Öffentlichkeit geschehen. Hinsichtlich der Opferfotos verweist die Zeitung auf den zeitgeschichtlichen Charakter des Geschehens. Die dargestellten Personen seien nicht zu erkennen. Porträt und Nahaufnahme des abgebildeten Opfers seien mit dessen Einverständnis abgedruckt worden. Der Überschrift “Aids-Alarm nach Amoklauf” habe eine Agentur-Eil-Meldung zugrunde gelegen, wonach einer der zuerst Verletzen HIV-positiv sei. Opfer und Helfer seien von Medizinern und der Polizei aufgefordert worden, sich in Krankenhäusern mit vorbeugenden Medikamenten versorgen zu lassen. (2006)

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Ein Foto vom “Flur des Bösen”

Kinderschänder und Frauenmörder sind in einer JVA auf ein und demselben Flur untergebracht – Thema für eine Boulevardzeitung, die über den Fall unter der Überschrift “Flur des Bösen” berichtet. In dem Artikel ist vom sichersten Gefängnis Deutschlands die Rede, in dem 220 Schwerverbrecher einsitzen, davon 120 “Lebenslängliche”. Schwerpunktmäßig wird über die so genannte “Station B-Ost” berichtet, in deren Zellen 14 Mörder und Kinderschänder untergebracht sind. Darunter befänden sich auch der Beschwerdeführer und zwei weitere mit Vornamen, abgekürztem Nachnamen und Alter genannte Straftäter. Ein Foto zeigt den Flur, von dem die Zellen der beschriebenen Häftlinge abgehen. Drei Zellen sind mit den Ziffern 1 bis 3 nummeriert, so dass die entsprechend gekennzeichneten Fotos der Häftlinge den Zellennummern zugeordnet werden können. Kein Foto ist gepixelt. Der Beschwerdeführer bemängelt Angaben der Zeitung zu seiner Bestrafung. So sei er wegen Mordes in Verdeckungsabsicht bezüglich “irgendeiner gearteten Sexualtat” zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt worden und habe nicht, wie der Artikel darstellt, versucht, sein Opfer zu vergewaltigen. Die Darstellung als Vergewaltiger sei beleidigend. Zudem habe die Zeitung durch die Abbildung des Zellenflurs personenbezogenes Datenmaterial veröffentlicht. Die Rechtsvertretung der Zeitung rechtfertigt die Veröffentlichung mit einem besonderen Berichterstattungsinteresse. Als sicherste JVA Deutschlands stehe dieses Gefängnis im Blickpunkt der Öffentlichkeit. Dort seien schlimmste Kinderschänder und Mörder inhaftiert. Auf diesen Aspekt gehe der Bericht mit der gebotenen Distanz ein. Die Zeitung weist darauf hin, dass der Beschwerdeführer bereits aus dem Text erkennbar war. Außerdem sei der Text vom zuständigen Landesjustizministerium autorisiert worden. Mit der Bildveröffentlichung werde nicht in die Persönlichkeitsrechte des Inhaftierten eingegriffen. (2006)

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Nach dem Fehler die Entschuldigung

Besonderer Bildschutz auch am Strand

Eine Regenbogen-Zeitschrift berichtet unter der Überschrift “Stéphanie von Monaco – Also doch! Mit neuen, üppigen Formen zurück zum Ex-Mann” mit diversen Strand-Fotos über die Prinzessin. In dem Artikel heißt es: “Die Skandal-Prinzessin und Daniel Ducruet kommen sich trotz aller Dementis immer näher – und das nicht nur wegen der gemeinsamen Kinder.” Der Artikel ist mit Bade-Fotos der beiden bebildert. Auf einem Foto (“Ganz zärtlich nimmt Ducruet Tochter Pauline in die Arme”) ist das Kind Pauline (12) zu erkennen. Der Beschwerdeführer moniert, dass das Kind im Bild gezeigt wird. Dabei sei dessen Gesicht deutlich zu erkennen. “Es ist zweifelhaft, ob ein Einverständnis der Eltern vorlag, da es sich wahrscheinlich um versteckt aufgenommene Paparazzi-Bilder handelt”. En höheres Informationsinteresse der Öffentlichkeit sei nicht gegeben und Personen der Zeitgeschichte dürften ohne Erlaubnis nicht in ihrem privaten Umfeld fotografiert werden, meint der Professor, der den Deutschen Presserat anruft. Die Chefredaktion der Zeitschrift teilt mit, dass sie kritisch über den gemeinsamen Auftritt der Prinzessin mit ihrem geschiedenen Mann berichtet habe. Nachdem die Ehe und die anschließende Trennung der Prinzessin und Daniel Ducruets seinerzeit viel Staub aufgewirbelt hätten, sei das jetzige Wiedersehen ein zeitgeschichtliches Ereignis, über das die Zeitschrift nicht nur hatte berichten dürfen, sondern dies tun müssen. Der Verdacht, das Blatt habe auf Paparazzi-Fotos zurückgegriffen, entbehre jeder Grundlage, da sich das Geschehen an einem öffentlichen Strand abgespielt habe. (2006)

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Werbung im redaktionellen Teil

“Kinder, das wird ein Sommer!” titelt eine TV-Zeitschrift. Im dazugehörigen Bericht wird über Aktivitäten einer Kosmetikfirma berichtet. “Mit dem Slogan ´Eincremen, fertig, los´ wirbt … (eine Marke des Unternehmens) für verlässlichen Sofortschutz für die ganze Familie”, heißt es da. Und weiter: “…die das Bild von … (die Marke wird erneut genannt) als Sonnenschutz für die ganze Familie abrunden”. Der Beschwerdeführer vermisst die klare Trennung zwischen PR und Redaktion. Vielmehr handle es sich um eine bezahlte Veröffentlichung, bei der die Grenze zur Schleichwerbung überschritten sei. Die Chefredaktion der Zeitschrift erwidert, diese würde seit Jahren unabhängig und einwandfrei über neue Kampagnen von Markenartiklern berichten. Leider seien dem Blatt im nunmehr kritisierten Fall Fehler unterlaufen, die zu Recht moniert würden. Mehrere Formulierungen im Text seien nicht in Ordnung. Die Chefredaktion hat nach eigenem Bekunden den betreffenden Redakteur sowie seine Kollegen und den Textchef informiert, aufgeklärt und verpflichtet, künftig mehr Sorgfalt zu üben. (2006)

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Vorverurteilung durch Bezeichnung “Killer”

“Das ist der Rotkohl-Killer – Er hat das Baby seiner Freundin zu Tode gefüttert” – unter dieser Überschrift berichtet am 14. Januar 2006 eine Boulevardzeitung über einen 17 Monate alten Jungen, der an Überfütterung mit Rotkohl gestorben ist. Die Mutter und ihr Ex-Freund sitzen in U-Haft. Der Mann wird als “Killer Marcus V. (23)” mit Foto vorgestellt. Der Name der Mutter ist verfremdet. In dem Artikel heißt es: “Er presste dem kleinen Justin Rotkohl in den Mund. So lange, bis das Kind keine Luft mehr bekam. Es starb später im Krankenhaus. (…) Wer ist dieser junge Mann, der zum Kinder-Killer wurde?” Durch die Kombination von Foto, Überschriften, Bildtexten und Artikel hat die Zeitung nach Ansicht einer Blogger-Initiative massiv gegen das Vorverurteilungsverbot nach Ziffer 13 des Pressekodex verstoßen. Der Täter habe kein Geständnis abgelegt, sondern bestreite die Vorwürfe. Die Initiative wendet sich an den Deutschen Presserat. Unter Hinweis auf mehrere Agenturmeldungen hält sie die Berichterstattung für falsch, da die Staatsanwaltschaft Marcus V. nicht vorwerfe, das Kind in der geschilderten Weise gefüttert zu haben. Diese Tat lege die Anklagebehörde allein der Mutter zur Last. Der Lebensgefährte soll demnach der tödlichen Misshandlung tatenlos zugesehen haben. Die Darstellung der Zeitung sei vermutlich frei erfunden, in jedem Fall jedoch unzutreffend. Die Rechtsabteilung der Zeitung hält die Beschwerde wegen Wiedergutmachung für erledigt, da das Blatt in seiner Ausgabe vom 3. November 2006 den Sachverhalt richtig gestellt habe. Den Anlass dazu bot das einen Tag zuvor ergangene Gerichtsurteil. Die Rechtsabteilung wirft dem Beschwerdeführer vor, selbst unlauter und sorgfaltswidrig gehandelt zu haben, indem er dem Presserat Agenturmeldungen vorgelegt habe, die Monate nach der Erstveröffentlichung erschienen seien und somit keinesfalls den Stand der Fakten zum Zeitpunkt der Berichterstattung Mitte Januar 2006 wiedergegeben hätten. Bei Erscheinen des ersten Artikels sei von einer “Täterschaft durch Unterlassen” noch nicht die Rede gewesen. (2006)

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Eigenmarketingbeitrag als Aufmacher

„Ab heute! WM-Knaller von … - 6 Flaschen Bier + eine Tüte Erdnuß-Flips + 1 Deutschland-Fahne nur 99 Cents!“ steht als Aufmacher auf der Titelseite einer Boulevardzeitung, die die Aktion gemeinsam mit einem Discounter startet. Gegen einen Coupon, den die Zeitung abdruckt, bekommt man die angepriesenen Gegenstände im Laden. In Innenteil der Ausgabe steht ein weiterer Beitrag unter dem Titel „Das WM-Fan-Paket von … - Feiern wie die Weltmeister“. Auch dort wird darauf hingewiesen, dass man nur mit einem Coupon aus der Zeitung zum Discounter gehen müsse, um das Angebot zu bekommen. Dabei nennt die Zeitung auch die Biermarke, wobei von einem „köstlichen Pils“ die Rede ist. Zwei Leser der Zeitung sehen in diesen Veröffentlichungen einen krassen Fall von unlauterer Werbung. Die Beiträge seien nicht mit dem Hinweis „Anzeige“ gekennzeichnet worden. Damit verstoße die Redaktion gegen das in Ziffer 7 des Pressekodex definierte Trennungsgebot zwischen redaktionellen und werblichen Inhalten. Die Rechtsabteilung der Boulevardzeitung vertritt die Auffassung, durch die Veröffentlichung erschließe sich ohne weiteres, dass es sich um eine Aktion im Sinne einer Werbemaßnahme handele. Der durchschnittlich informierte Verbraucher könne nur schwerlich zu der Überzeugung gelangen, dass es sich hier um einen redaktionellen Beitrag gehandelt habe. (2006)

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Zahlen reichten nur bis zum Jahr 2003

Eine Wochenzeitung veröffentlicht unter der Überschrift “Plump auf Pump” einen Beitrag über die wirtschaftliche Entwicklung in diversen Ländern durch die Politik ihrer Staatschefs. In einer Passage über Venezuela heißt es, dort wachse seit der Machtübernahme durch Präsident Chavez die Wirtschaft nicht mehr. Das Pro-Kopf-Einkommen in dem südamerikanischen Land sei seither gar um 45 Prozent gesunken. Der Beschwerdeführer kritisiert eine falsche Behauptung. Aktuelle Daten zum Zeitpunkt der Berichterstattung zeigten für Venezuela ein positives Wachstum der Wirtschaft und des Einkommens der Menschen. Er wendet sich an den Deutschen Presserat. Die Rechtsvertretung der Zeitung äußert die Vermutung, der Beschwerdeführer betreibe eine öffentliche Kampagne, um die Politik der venezolanischen Regierung zu unterstützen. Der Artikel kritisiere u. a. eine politische Entwicklung, konkret die Verstaatlichung von Öl und Gas ohne Auswirkungen auf das Pro-Kopf-Einkommen der Bevölkerung. Der Autor habe sich auf die bis dahin aktuellen Zahlen der Vereinten Nationen gestützt. Danach ist das Bevölkerungseinkommen seit dem Jahr 1999 (Machtantritt von Präsident Chavez) bis 2003 – dem Jahr der zuletzt zur Verfügung stehenden Vergleichszahl – von 8000 auf 4800 Dollar gefallen. Ob die exakte Zahl von 45 Prozent rechnerisch richtig sei, sei dahingestellt. Die Tendenz sei entscheidend. Fest stehe, dass die venezolanische Wirtschaft in der Regierungszeit von Chavez drastisch gelitten habe. (2006)

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