Entscheidungen finden

Wie hat der Presserat entschieden?

Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.

Bitte beachten: Im Volltext abrufbar sind nur Entscheidungen mit den Aktenzeichen ab 2024, z.B. 0123/24/3!

Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.

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Entscheidungsjahr
6642 Entscheidungen

Identifizierbarkeit eines Angeklagten

Weil er einen polnischen Staatsangehörigen als Fahrer beschäftigt hatte, der weder eine Aufenthaltsgenehmigung noch eine Fahrerlaubnis für einen Laster plus Anhänger vorweisen konnte, wird der Geschäftsführer eines Entsorgungsfachbetriebs wegen Beihilfe zum illegalen Aufenthalt und des Zulassens von Fahren ohne Fahrerlaubnis zu einer Geldstrafe von 600 Euro verurteilt. Eine Zeitung der Region berichtet über die Gerichtsverhandlung und gibt dabei den Sitz der Firma des Angeklagten an. Außerdem erwähnt sie, dass in der Verhandlung ein Auszug aus der “Verkehrssünderkartei” verlesen worden sei. Der Angeklagte habe es darin auf stattliche 16 Punkte gebracht und eine Zeit lang auch auf seinen Führerschein verzichten müssen. Auch ein Verfahren wegen Steuerhinterziehung und wegen des Besitzes einer durchgebohrten Gaspistole sei im Bundeszentralregister vermerkt. Der Anwalt des Betroffenen beklagt beim Deutschen Presserat die identifizierende Art und Weise der Berichterstattung. Es gebe in dem erwähnten Ort nur eine Entsorgungsfirma. Darüber hinaus rechtfertigten das relativ unbedeutende Vergehen und die entsprechend geringe Geldstrafe nicht die ausführliche und letztlich unangemessen sensationelle Darstellung sowie die ausführliche Schilderung der Vorstrafen, die nichts mit der dem Betroffenen zur Last gelegten Tat zu tun hätten. Auch seien die genauen Angaben zu seinem Punktestand im Verkehrszentralregister in Flensburg und dem Entzug des Führerscheins unangebracht. Sein Mandant sehe sich durch die unverhältnismäßige und identifizierende Berichterstattung erheblich in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt. Er und seine Familie würden seit dieser Veröffentlichung von zahlreichen Mitbürgern als Verbrecher abqualifiziert. Die Chefredaktion der Zeitung betont in ihrer Stellungnahme, sie habe sich an den Pressekodex gehalten und den Namen des Angeklagten nicht genannt. Die Marktgemeinde, in welcher der Beschwerdeführer wohne und in der er arbeite, umfasse ein Areal von 68 Quadratkilometern und habe 22 Gemeindeteile. Im Verlauf des Prozesses habe es die Staatsanwältin als signifikant und prozessentscheidend angesehen, welche unterschiedlichen Delikte dem Angeklagten zuvor schon zur Last gelegt worden seien. Die Aufzählung dieses Vorstrafenregisters sei ihr deshalb wichtig erschienen, um die vermeintlich geringfügige Verfehlung des Mannes einordnen zu können. Zudem sei der Angeklagte absolut uneinsichtig gewesen. Er habe eine andere Rechtsauffassung als die Justiz an den Tag gelegt und sich als zu Unrecht angeklagt gesehen. (2004)

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Vorverurteilung

Eine Boulevardzeitung berichtet unter der Überschrift “Sex neben einem gefesselten Kind” über das Strafverfahren gegen eine Ärztin, die ihre eigene 13-jährige Tochter vier Tage lang mit Eisenringen an ein Bett gefesselt und einem grauenhaften Martyrium ausgesetzt haben soll. Die Anklage laute auf Freiheitsberaubung und Kindesmissbrauch. Vorname, Anfangsbuchstabe des Nachnamens, Alter und Beruf der Angeklagten werden genannt. Auf einem Foto wird die Frau im Profil gezeigt. Ihre Augenpartie ist abgedeckt. Die Betroffene legt durch ihren Anwalt Beschwerde beim Deutschen Presserat ein. Sie ist der Ansicht, dass sie auf dem Gerichtsflur unzulässigerweise verdeckt und nach Paparazzi-Art fotografiert worden sei. Das Foto sei entgegen ihrer ausdrücklichen Erklärung veröffentlicht worden. Die Beschwerdeführerin hält zudem die Nennung ihres Namens für unzulässig, da es sich bei ihr nicht um eine relative Person der Zeitgeschichte handele. Darüber hinaus sei der Artikel auch vorverurteilend, da sowohl die Überschrift als auch der Text des Artikels dem unkundigen Leser eine bislang nicht gerichtlich festgestellte Täterschaft der Beschwerdeführerin suggerierten. In krasser Missachtung der Unschuldsvermutung werde sie eindeutig identifizierbar an den öffentlichen Pranger gestellt. Die Rechtsabteilung des Verlages bittet, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen. Das Fotografieren im Gerichtsflur sei gestattet gewesen, so dass eine unlautere Beschaffung des veröffentlichten Bildmaterials nicht gegeben sei. An der Berichterstattung über den Fall habe ein öffentliches Interesse bestanden, da die der Beschwerdeführerin vorgeworfene Straftat weit über das Maß alltäglicher Kriminalität hinausgehe. Die Berichterstattung gebe den Verfahrensstand und den Inhalt der mündlichen Verhandlung zutreffend wieder, so dass auch eine Vorverurteilung nicht gegeben sei. Auf dem Foto sei die Betroffene ausreichend unkenntlich gemacht. Auch sonst ließen sich dem Text keine Informationen entnehmen, die auf die Identität der Beschwerdeführerin schließen ließen. (2003)

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Ermittlungen gegen einen Polizisten

Unter der Überschrift „Vorwürfe gegen höchsten Polizisten“ berichtet eine Regionalzeitung, dass die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren gegen einen leitenden Polizeidirektor eingestellt habe. Zwei Zeugen, die für den Polizeibeamten in dessen Mietshäusern Reinigungs- und Reparaturarbeiten vorgenommen hatten, hätten dem Polizeibeamten vorgeworfen, nach dem Tod einer Mieterin in deren Wohnung eingebrochen zu sein und daraus Inventar mitgenommen zu haben. Außerdem solle der Polizeidirektor durch den Einblick in speziell geschützte Kriminalakten fremde Personen ausspioniert haben. Die Inhaberin der Reinigungsfirma behaupte, der Hauseigentümer schulde ihr noch knapp 10.000 Euro für Arbeiten in vier seiner Mietshäuser. Sie und ihr Lebensgefährte seien von dem Polizeibeamten beauftragt worden, neue Mieter für freie Wohnungen zu suchen. Wenn sich ein Interessent gefunden habe, sei er von dem Polizeidirektor durch Einsicht in die Polizeiakten überprüft worden. Die Zeitung äußert angesichts der Schwere der Vorwürfe und der dezidierten Beschreibung der Straftat in der Strafanzeige ihre Verwunderung über die Einstellung der Ermittlungen. Dem Beitrag ist ein Zweispalter angefügt, in dem der Betroffene seine Sicht der Dinge darstellt. Er sei sich keiner Schuld bewusst, heißt es da. Er habe unter einer „Rechtslücke“ gelitten, weil er nach dem Tod einer Mieterin nicht in deren Wohnung hineingekommen sei, um sie wieder zur Vermietung herzurichten. Um sich seine Rechte zu sichern, sei er zwei Monate nach dem Tod der Frau durch ein auf Kipp stehendes Fenster in die Wohnung eingestiegen. Er habe einen Kollegen vom Erkennungsdienst um einen Freundschaftsdienst gebeten, damit dieser ihm die Wohnung öffne. Schließlich habe er vom Nachlasspfleger die Genehmigung erhalten, die Wohnung zu betreten. Die Wohnung sei völlig verwahrlost gewesen. Er habe keine Sachen gestohlen, sondern mit einem der beiden Zeugen nur einen Fernseher und eine Waschmaschine in einer Garage gelagert. Der Zeuge habe beide Geräte ohne sein Wissen verkauft. Zu der Frage, ob er sich in den Kriminalakten über seine potenziellen Mieter erkundigt habe, wird er mit den Sätzen zitiert: “Ja, das gebe ich zu. Dazu bin ich auch berechtigt. In ganz wenigen Einzelfällen habe ich dies getan, um so Prostitution oder Drogen in den Wohnungen zu verhindern.“ Das sei keine private Nutzung gewesen, denn er sehe alles mit dienstlichen Augen. In seiner Beschwerde beim Deutschen Presserat wendet sich der Polizeidirektor dagegen, dass der Autor des Beitrages über die Einstellung des Ermittlungsverfahrens berichtet habe, obwohl vereinbart gewesen sei, dass nur dann berichtet werden solle, wenn Anklage erhoben werde. In dem Artikel seien die gegen ihn gerichteten falschen Anschuldigungen als wahr und strafbar dargestellt worden. Der Beschwerdeführer sieht die Persönlichkeitsrechte seiner eigenen Person und die seiner Familie verletzt. Drei Tage nach der Veröffentlichung habe er der Zeitung in einer Gegendarstellung seine Sicht der Abläufe geschildert. Der Chef vom Dienst der Zeitung erklärt in einer Stellungnahme, dass seine Redaktion den Abdruck der Gegendarstellung bislang abgelehnt habe. Dabei gehe es nicht um die angeblichen Schulden des Betroffenen gegenüber der Reinigungsfirma. Dieser Komplex sei in der Berichterstattung stets als strittig dargestellt worden. Vielmehr gehe es um die Frage, ob der Beschwerdeführer seine Stellung als Leitender Polizeidirektor dazu benutzt habe, sich über polizeiliche Quellen Auskunft über Mieter und Dienstleister zu beschaffen. Ferner müsse geklärt werden, ob die Tatsache, dass der Polizeibeamte privaten Umgang mit einem Staatsanwalt pflege, dazu geführt habe, dass ein Ermittlungsverfahren gegen ihn durch eben diesen Staatsanwalt eingestellt worden sei. (2004)

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Terror in Europa

Unter der Überschrift „190 Tote – Es war El Kaida“ veröffentlicht ein Boulevardblatt ein Farbfoto, das die Rettungsmaßnahmen nach dem Bombenanschlag auf vier Pendlerzüge am 11. März 2004 in Madrid zeigt. In der Mitte des Fotos ist das Gesicht einer toten jungen Frau zu sehen. Ein Leser nimmt die Veröffentlichung zum Anlass einer Beschwerde beim Deutschen Presserat. Mit dem Abdruck eines derart grausamen Fotos werde keine Rücksicht auf die Würde und die Persönlichkeitsrechte der Getöteten genommen und die fortschreitende Verrohung der Berichterstattung bewiesen. Eine solche Veröffentlichung könne den Terror in die Köpfe von Kindern und sensiblen Menschen tragen und zu schweren Traumata führen. Bombenterror könne auch in weniger expliziter Weise dargestellt werden. Der Chefredakteur der Zeitung ist anderer Ansicht. Das abgebildete Opfer sei nicht identifizierbar. Mit der Veröffentlichung werde der wahrhaftigen Unterrichtung der Öffentlichkeit Genüge getan. Dem Leser werde vor Augen geführt, welches Ausmaß an Schrecklichkeit und Grausamkeit dieser Terroranschlag gehabt habe. (2004)

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Terror in Europa

Unter der Überschrift “So feige! So sinnlos! Ihr Mörder!” zeigt eine Boulevardzeitung ein großes Farbfoto, auf dem mehrere Opfer der Bombenanschläge auf vier Pendlerzüge am 11. März 2004 in Madrid zu sehen sind. Ein Fotograf fühlt sich durch die Grausamkeit des Fotos persönlich angegriffen und beschwert sich beim Deutschen Presserat. Man habe keine Möglichkeit, sich diesem Bild zu entziehen, da die Zeitung publikumswirksam direkt an der Kasse ausgelegt worden sei. Der Beschwerdeführer spricht sich dafür aus, auf solche Fotos künftig zu verzichten, da sie für Kinder und weniger nervenstarke Betrachter schlimme Folgen haben könnten. Der Informationspflicht der Presse könne auch mit weniger drastischen Bildern Genüge getan werden. Die abgebildeten Opfer und deren Angehörige hätten leider keine Chance, sich gegen Veröffentlichungen dieser Art zu wehren. Der Chefredakteur der Zeitung weist die Beschwerde zurück. Das Foto zeige blutende und geschockte Personen, jedoch nicht einmal besonders schwerwiegende Verletzungen. Zudem dokumentiere das Foto die Folgen des ersten Anschlags der islamischen Terrororganisation Al-Quaida in einem Land Westeuropas und somit ein Ereignis von überragender zeitgeschichtlicher Bedeutung. Nach dem Anschlag von Madrid sei jedem klar, dass der islamische Terror auch in Europa jeden in Mitleidenschaft ziehen könne. Alle Medien hätten das so gesehen und alle Zeitungen, die auf der Titelseite mit Fotos arbeiten, hätten das selbe oder ein ähnliches Foto als Aufmacher gebracht. Dass das beanstandete Foto für Kinder “schlimme Folgen” habe, wie der Beschwerdeführer meine, scheine angesichts dessen, was im Fernsehen auch schon am Nachmittag zu sehen sei, mehr als fraglich. Doch seien Zeitungen auch keine Unterhaltungslektüre für Kinder und Jugendliche, sondern Informationsträger, welche auch über die dunklen Seiten dieser Welt berichten müssten. Dass einige daran zuweilen Anstoß nähmen, lasse sich nicht vermeiden. Ein “vom Elend der Welt unbeschwertes Gemüt des Bürgers” sei jedoch, so das Bundesverfassungsgericht im Benetton-Urteil, kein Belang, zu dessen Schutz das Grundrecht der freien Meinungsäußerung eingeschränkt werden dürfe. (2004)

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Ratsherr beklagt Datenmissbrauch

Eine Regionalzeitung glossiert einen Vorgang, der in der Stadtverwaltung zu Heiterkeitsausbrüchen geführt hat. Unter der Überschrift “Park-Cent” berichtet der Autor, dass ein Ratsmitglied in der Tiefgarage des Rathauses geparkt habe, ohne die erforderliche Parkscheibe im Auto sichtbar anzubringen. Daraufhin habe der Mann ein “Knöllchen” über fünf Euro bekommen. In einem Brief an den Stadtdirektor habe sich der Ratsherr schuldig bekannt. Seine Meinung über den Vorgang habe er durch die Zahlungsmodalität zum Ausdruck gebracht: Er habe die Verwarnungsgebühren bar in Ein-Cent-Münzen gezahlt. Es seien aber drei Cent zu viel gewesen. Jetzt warte das Ratsmitglied, wie die Stadtverwaltung mit der Überzahlung umgehe. Der Glossenschreiber mutmaßt, dass der Stadtdirektor die praktische und kostengünstige Lösung vorziehen und dem Ratsherrn die drei Cent bei der am Montag stattfindenden Ratssitzung persönlich überreichen werde. Der Glosse ist ein Foto des Ratsmitgliedes beigestellt. Außerdem wird im Text sein Name genannt. Der Betroffene mahnt beim Deutschen Presserat einen Verstoß gegen Ziffer 4 des Pressekodex an, da bei der Beschaffung der personenbezogenen Daten unlautere Methoden angewendet worden sein müssten. Der Inhalt seines Briefes sei in unzulässiger Weise von der Stadtverwaltung der Zeitung mitgeteilt worden. Da er als Mitglied des Rates der Stadt erhebliche politische Auseinandersetzungen mit dem Stadtdirektor habe, liege es nahe, dass dieser die Gelegenheit genutzt habe, seine personenbezogenen Daten weiterzureichen. Außerdem habe er nicht drei, sondern vier Cent überbezahlt. Der Redaktionsleiter der Zeitung, zugleich der Autor der Glosse, erklärt in seiner Stellungnahme, der Beschwerdeführer sei eine stadtbekannte Persönlichkeit. Und der Zeitung sei sein Dauerstreit mit dem Stadtdirektor bekannt. Die Zahlung einer Verwarnungsgebühr in Ein-Cent-Stücken habe in der Stadtverwaltung zu erheblichen Heiterkeitsausbrüchen geführt. Schon kurze Zeit nach der Zahlung der Gebühr sei er über den Vorgang unterrichtet worden. Er wisse heute nicht mehr, ob es ein Besucher des Rathauses gewesen sei oder ein Kollege, der sich gleichzeitig dort, wenn auch nicht im selben Raum aufgehalten habe. Er habe sich dann vom Stadtdirektor bestätigen lassen, dass ein entsprechender Brief des Ratsherrn eingegangen sei. Der Vorgang sei nur deshalb für seine Wochenendglosse interessant gewesen, weil es sich um ein Mitglied des Stadtrates gehandelt habe, das monatelang in öffentlichen Ratssitzungen die Stadtverwaltung und die Presse mit Anfragen und Hinweisen zur Geschäftsordnung beschäftigt habe. Die Mehrheit der Ratsmitglieder und der Besucher habe darauf mit Unverständnis reagiert. (2003)

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Identifizierbarkeit bei Telefonaktion

Eine Lokalzeitung schildert unter der Überschrift “Anstatt Big Mac und Burger lieber mal selbst kochen” den Verlauf einer Telefonaktion zum Thema “Übergewicht bei Kindern”. Einleitend wird der Inhalt des Telefonanrufes eines Vaters wiedergeben. Vorname, Alter, Größe und Gewicht seiner Tochter und der Wohnort der Familie werden genannt. Es wird festgestellt, dass ein Gewicht von 31 Kilogramm viel zu viel sei. Seit einem guten halben Jahr nehme das Mädchen zu, wird der besorgte Vater zitiert. Vor einem Dreivierteljahr sei Hannas Großvater gestorben, lässt der Mann wissen. Der Kinderarzt in der Redaktion hält es laut Zeitung für möglich, dass da ein Zusammenhang bestehe. Ein für Kinder nicht selten traumatisches Erlebnis könne durchaus eine solche Reaktion hervorrufen, meine er. Er habe zu mehr Bewegung und einer optimierten Mischkost geraten. Der Vater beschwert sich nach Erscheinen des Artikels beim Deutschen Presserat. Er ist der Ansicht, dass durch den Beitrag die Würde und die Rechte seiner Tochter verletzt würden. Der Arzt habe ihn telefonisch nach dem Alter und dem Gewicht der Tochter, nach dem Wohnort, den Essensgewohnheiten und möglichen traumatischen Situationen für seine Tochter befragt. Zwei Tage später habe er den scheinbar vertraulich behandelten Informationsaustausch zwischen ihm und dem Kinderarzt in einem Aufmacher der Zeitung über die Telefonaktion gelesen. Die personenbezogenen Daten seien preisgegeben worden, ohne dass er gefragt worden sei. Im Verlaufe eines darauf folgenden Gesprächs mit der Autorin des Artikels sei ihm klar geworden, dass während der Telefonaktion Lautsprecher eingeschaltet gewesen seien und die Autorin des Artikels den Gesprächsinhalt habe mitschreiben können. Der Chefredakteur der Zeitung erklärt, Telefonaktionen mit Experten in Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern seien für die Zeitung ebenso gängige Praxis wie die anschließende Berichterstattung darüber. Absicht sei es, für Themen, die einzelne Leser berührten, im Sinne von praktischer Lebenshilfe für die Allgemeinheit Öffentlichkeit herzustellen. Dabei sei es immer das Bestreben, Fragen und Antworten so authentisch wie möglich zu publizieren. Im Gegensatz zu früheren Aktionen sei es diesmal um ein Thema mit ausgeprägt persönlicher Komponente gegangen. Ohne die Nennung von persönlichen Daten wie Alter, Gewicht und Körpergröße sowie des sozialen Umfelds hätte die Darstellung des Problems und die von den Experten angesprochenen Handlungsoptionen wenig Sinn gemacht. Dass die Nennung des Vornamens und des Wohnorts der Betroffenen in einer Kleinstadt Eingeweihten die Entschlüsselung der Person ermöglicht habe, sei selbstverständlich nicht beabsichtigt gewesen und werde bedauert. Eine entsprechende Entschuldigung des Chefredakteurs sei vom Beschwerdeführer akzeptiert worden. Eine Verletzung von Persönlichkeitsrechten habe der Redaktion fern gelegen. Der Beschwerdeführer teilt dem Presserat mit, dass er die Entschuldigung des Chefredakteurs zwar akzeptiere, seine Beschwerde aber dennoch aufrechterhalte, zumal die Zeitung erst auf ein Schreiben des Presserats hin reagiert habe. (2004)

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Sterbefoto Ahmed Jassins

Unter der Überschrift “Das blutige Ende des Terror-Scheichs” berichtet eine Boulevardzeitung über den Raketenangriff der Israelis auf Ahmed Jassin, den geistigen Führer der radikal-islamischen Hamas. Fotos zeigen den abgetrennten und oben zerfetzten Kopf des Getöteten sowie die Reste seines Rollstuhls inmitten einer Blutlache. In einer Beschwerde beim Deutschen Presserat bezeichnet ein Leser des Blattes die Veröffentlichung als einen Verstoß gegen die Menschenwürde und als eine unangemessene Darstellung von Gewalt und Brutalität. Diesen Vorwurf weist der Chefredakteur des Blattes in seiner Stellungnahme zurück. Grundsätzlich sei die Veröffentlichung auch drastischer und abstoßender Bilder zulässig. Dies gelte um so mehr in Fällen, in denen der Abdruck der Fotos von eminent politischer Bedeutung sei, nämlich einem Fanal gleichkomme. Ahmed Jassin habe die Hamas gegründet, eine der gewalttätigsten palästinensischen Terror-Organisationen. Nach Ansicht aller Beobachter sei er einer der führenden Köpfe hinter zahlreichen Anschlägen auf Zivilisten gewesen, unmittelbar verantwortlich für die Ermordung hunderter israelischer Bürger. Der Hass auf Israel und seine Bewohner habe seine Predigten, die vollständige Vernichtung des Staates Israel und die Bekämpfung der freiheitlich-westlichen Rechtsordnung hätten seine Politik bestimmt. Den Bildern seines Todes komme daher eine ganz andere Bedeutung als Aufnahmen irgendwelcher zu Tode gekommener Unbekannter zu. Sie seien – wie bei Ceaucescu, den Söhnen Saddams oder Mussolini – gleichsam der visuelle Beweis, dass von dieser Person kein Schrecken mehr ausgehe. Auch die zivilisierte und freiheitliche Welt müsse den Tod ihrer Feinde dokumentieren, um Legendenbildung und Spekulationen zu verhindern. Die Veröffentlichung solcher Fotos sei daher nicht nur legitim, sondern geradezu notwendig. Nicht ohne Grund hätten die Alliierten 1945 beinahe verzweifelt nach Hitlers Leichnam gefahndet. (2004)

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Richterschelte

Eine Boulevardzeitung berichtet in mehreren Beiträgen über angeblich unbegreiflich milde Urteile zweier Strafsenate des Bundesgerichtshofes zu Sexualverbrechen. Im ersten Fall hatte das Landgericht einen mehrfach vorbestraften 42-jährigen Vergewaltiger, der im Sommer 1999 in einem Schwimmbad zwei zwölfjährige Mädchen am Po berührt hatte, zu zwei Jahren Haft und unter Einbeziehung der Strafen aus zwei anderen zuvor ergangenen Urteilen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt und überdies seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet.

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Zugehörigkeit zu einer Sekte

Eine Lokalzeitung beschäftigt sich in einem Aufmacher mit der Frage, ob jemand, der sich nach eigenen Aussagen einer bestimmten Sekte verbunden fühle, im Rahmen der Kinderkulturwochen des Stadtjugendrings für Kinder von acht bis zwölf Jahren zweimal eine Woche lang täglich von 10 bis 16 Uhr ein Seminar zur Umweltbildung halten dürfe. Mit dieser Frage seien Leser an die Zeitung herangetreten. Das Blatt schildert das Projekt, befragt Stadtverwaltung und Umweltministerium und lässt auch den Betroffenen zu Wort kommen. Dem Beitrag ist ein Kasten beigestellt, in dem Ausschnitte aus der Berichterstattung einer anderen Zeitung wiedergegeben werden. Danach sei der Pädagoge von der Leitung eines Abenteuerspielplatzes entbunden worden, weil protestierende Eltern ihm die Mitgliedschaft in der Sekte „Universelles Leben“ vorgeworfen hätten. Als der Betroffene in einem Schreiben an Schulen und Organisationen für ein kostenloses Umweltbildungsprojekt geworben habe, habe eine Fraktion im Stadtrat der Landeshauptstadt in diesem Angebot den Versuch gesehen, sowohl schulische Institutionen als auch den sozialen Bereich zu unterwandern. Der Deutsche Presserat hatte diesen Artikel seinerzeit gerügt, was in dem aktuellen Bericht der Lokalzeitung jedoch nicht erwähnt wird. Der Pädagoge ruft den Deutschen Presserat an. Er sieht sich sowohl durch den Artikel im Lokalblatt als auch durch die Zitate aus einer anderen Zeitung in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt. Die Tatsache, dass die damalige öffentliche Rüge des Presserats unerwähnt geblieben sei, widerspreche der Forderung nach einer wahrhaftigen Unterrichtung der Öffentlichkeit. Außerdem sei auch nicht berichtet worden, dass er durch seinen damaligen Arbeitgeber rehabilitiert worden sei. Durch die Art der Berichterstattung und die aus seiner Sicht abwertende Bezeichnung „Sekte“ sieht er sich zudem in seiner Zugehörigkeit zu einer religiösen Gruppe diskriminiert. Die Chefredaktion der Zeitung betont, die Redaktion sei im vorliegenden Fall ihrer Wahrheits- und Sorgfaltspflicht nachgekommen. In dem ergänzenden Einspalter sei nur der Nachrichtenkern zweier Artikel einer anderen Zeitung referiert worden. Es sei schließlich Tatsache, dass der Beschwerdeführer seinerzeit von seinen Aufgaben als Leiter eines Abenteuerspielplatzes entbunden worden sei und eine Fraktion im Stadtrat Vorwürfe gegen ihn erhoben habe. Der Artikel, den der Presserat gerügt habe, sei der Zeitung während ihrer Recherche zugespielt worden. Von einer Beanstandung des Presserats habe die Redaktion bei dieser Gelegenheit nichts gehört. Später, bei der telefonischen Recherche in der Redaktion des anderen Blattes, habe man dann von der Rüge erfahren. Es müsse aber im Rahmen des Zitatrechts möglich sein, kurz den zutreffenden Nachrichtenkern eines Artikels wiederzugeben, ohne die Folgegeschichte ausbreiten zu müssen. Zudem sei der Zeitung keine Richtlinie bekannt, wonach Presseratsrügen für ein anderes Blatt beim Zitieren des beanstandeten Artikels wiedergegeben werden müssten. Auch könne von einer bloß kurz zusammenfassenden Berichterstattung nicht verlangt werden, dass entlastende Umstände nach der unzweifelhaft erfolgten Suspendierung des Betroffenen breit dargestellt werden müssten. Man habe sich verpflichtet gefühlt, die religiösen Verbindungen des Beschwerdeführers zu thematisieren. Ohnehin habe der Betroffene selbst auf einem Elternabend über seine Verbindung zu der erwähnten Glaubensgemeinschaft sprechen wollen. Man habe ihn auch nicht wegen seiner Verbindung mit einer religiösen Gruppe diskriminiert, sondern diese nur in einen gesellschaftlich gerechtfertigten Zusammenhang mit seinen pädagogischen Aktivitäten gestellt. Nach Gerichtsentscheidungen dürfe „Universelles Leben“ als „Sekte“ bezeichnet werden. Es sei sicherlich kein Zufall, dass Berichte über die betroffene Glaubensgemeinschaft überwiegend kritisch ausfallen. „Universelles Leben“ gehe gegen solche Berichte oft massiv vor und nutze dabei alle juristischen Möglichkeiten, was gerade kleineren Zeitungen zu schaffen mache. Es sei schade, wenn der Deutsche Presserat diesen Trend zur Selbstzensur durch allzu hohe Anforderungen an die Berichterstattung unterstützen würde. (2003)

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