7 mal Ziffer 7 – Trennungsgrundsatz erneut im Brennpunkt
Am 27. und 28. November 2007 tagten die beiden Beschwerdeausschüsse des Deutschen Presserats in Bonn.
Eine öffentliche Rüge erhielt das Magazin COSMOPOLITAN für den redaktionellen Hinweis auf Produkte eines Kosmetikherstellers. Sie wurden am Ende eines Interviews mit einem Juror der Casting-Show Germany‘s next Topmodel genannt und mit Text und Bild hervorgehoben. Für die Heraushebung dieser Produkte aus einer Palette ähnlicher Pflegemittel sah der Beschwerdeausschuss keinen redaktionellen Anlass. Die Darstellung hat werblichen Charakter und überschreitet damit die Grenze zur Schleichwerbung nach Richtlinie 7.2. Diese besagt:
Redaktionelle Veröffentlichungen, die auf Unternehmen, ihre Erzeugnisse, Leistungen oder Veranstaltungen hinweisen, dürfen nicht die Grenze zur Schleichwerbung überschreiten. Eine Überschreitung liegt insbesondere nahe, wenn die Veröffentlichung über ein begründetes öffentliches Interesse oder das Informationsinteresse der Leser hinausgeht oder von dritter Seite bezahlt bzw. durch geldwerte Vorteile belohnt wird.
Die Glaubwürdigkeit der Presse als Informationsquelle gebietet besondere Sorgfalt beim Umgang mit PR-Material.
Das Gremium kritisierte zudem, dass der Leser nicht darüber informiert wird, dass eine Kooperation zwischen COSMOPOLITAN und Germany‘s next Topmodel besteht. Ein solcher Hinweis auf ein Eigeninteresse des Verlages wäre nach Ziffer 7 notwendig gewesen. Ziffer 7 besagt:
Die Verantwortung der Presse gegenüber der Öffentlichkeit gebietet, dass redaktionelle Veröffentlichungen nicht durch private oder geschäftliche Interessen Dritter oder durch persönliche wirtschaftliche Interessen der Journalistinnen und Journalisten beeinflusst werden. Verleger und Redakteure wehren derartige Versuche ab und achten auf eine klare Trennung zwischen redaktionellem Text und Veröffentlichungen zu werblichen Zwecken. Bei Veröffentlichungen, die ein Eigeninteresse des Verlages betreffen, muss dieses erkennbar sein.
Ebenfalls wegen eines Verstoßes gegen den Trennungsgrundsatz wurde die Zeitschrift RUBIN gerügt. Diese hatte in zwei Beiträgen eine Wund- und Heilsalbe sowie eine Fußcreme vorgestellt. Bei diesen Produkten erkannte der Beschwerdeausschuss kein Merkmal, das ihre exklusive Erwähnung im redaktionellen Teil gerechtfertigt hätte. Die Pflegemittel wurden ohne Begründung aus einer Palette gleichartiger Wettbewerbsprodukte hervorgehoben. Auch dies überschreitet die Grenze zur Schleichwerbung.
Aufgrund derselben Richtlinie gerügt wurde die Zeitschrift MATADOR, die ein Model vor einem geöffneten Kühlschrank zeigte. In dem Kühlschrank war deutlich eine Vielzahl von Verpackungen einer einzigen Eissorte zu sehen. Dieses Product-Placement ist Schleichwerbung. Gleiches gilt für diverse Veröffentlichungen in UMBAUEN UND MODERNISIEREN und DAS EINFAMILIENHAUS, die ebenfalls gerügt wurden. Die Zeitschriften hatten in mehreren Artikeln jeweils über die Produkte eines einzigen Herstellers berichtet. Diese Veröffentlichungen besitzen eindeutigen PR-Charakter.
Wegen nicht ausreichend gekennzeichneter Werbung wurden DAS NEUE BLATT und eine Extraausgabe der ELTERN FAMILY-Beilage QUIX! gerügt. Die Zeitschriften hatten Anzeigen veröffentlicht, die für den Leser nicht als solche erkennbar waren. Hiermit wurde gegen Richtlinie 7.1 des Pressekodex verstoßen, die besagt:
Bezahlte Veröffentlichungen müssen so gestaltet sein, dass sie als Werbung für den Leser erkennbar sind. Die Abgrenzung vom redaktionellen Teil kann durch Kennzeichnung und/oder Gestaltung erfolgen. Im Übrigen gelten die werberechtlichen Regelungen.
Die beiden Vorsitzenden der Beschwerdeausschüsse, Peter E. Tiarks und Manfred Protze, wiesen angesichts der Vielzahl an Verstößen gegen die Ziffer 7 des Pressekodex erneut auf die Bedeutung des Trennungsgrundsatzes hin. Nur die Presse, die frei von Werbeeinflüssen ist, wahrt ihre Glaubwürdigkeit bei den Lesern.
Eine nicht-öffentliche Rüge wegen einer Persönlichkeitsrechtsverletzung erhielt die Zeitung REVIERSPORT. Sie hatte im Rahmen eines Zivilprozesses gegen eine Stalkerin deren vollen Namen, ihren Beruf und den Arbeitsplatz genannt. Die Bekanntgabe dieser Details war nicht durch ein öffentliches Interesse gedeckt und verletzte die Privatsphäre der betroffenen Frau. Richtlinie 8.1 des Pressekodex lautet:
(1) Bei der Berichterstattung über Unglücksfälle, Straftaten, Ermittlungs- und Gerichtsverfahren (s. auch Ziffer 13 des Pressekodex) veröffentlicht die Presse in der Regel keine Informationen in Wort und Bild, die eine Identifizierung von Opfern und Tätern ermöglichen würden. Mit Rücksicht auf ihre Zukunft genießen Kinder und Jugendliche einen besonderen Schutz. Immer ist zwischen dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit und dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen abzuwägen. Sensationsbedürfnisse allein können ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit nicht begründen.
Gegen die journalistische Sorgfaltspflicht verstieß der EXPRESS Köln. Die Zeitung wurde für eine Veröffentlichung über einen Reitunfall eines Mädchens gerügt. Der Beitrag enthielt Mutmaßungen über den Unfallhergang, die als Tatsachen dargestellt wurden. Die Redaktion stützte sich dabei ausschließlich auf Angaben von Rettungskräften, die das Mädchen in ärztliche Obhut gebracht, den Unfall selbst aber nicht beobachtet hatten. Die Zeitung hätte hier entweder Mutmaßungen als solche darstellen oder weiter recherchieren müssen. Auf Zeitmangel wegen der Nähe zum Redaktionsschluss kann sich die Zeitung hier nicht berufen. Ziffer 2 des Pressekodex gebietet:
Recherche ist unverzichtbares Instrument journalistischer Sorgfalt. Zur Veröffentlichung bestimmte Informationen in Wort, Bild und Grafik sind mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen und wahrheitsgetreu wiederzugeben. Ihr Sinn darf durch Bearbeitung, Überschrift oder Bildbeschriftung weder entstellt noch verfälscht werden. Unbestätigte Meldungen, Gerüchte und Vermutungen sind als solche erkennbar zu machen.
Symbolfotos müssen als solche kenntlich sein oder erkennbar gemacht werden.
Das Ansehen der Presse verletzt sah der Beschwerdeausschuss durch eine Berichterstattung von PC PRAXIS. Diese hatte unter anderem über „illegale“ sowie „halb-legale“ Software berichtet und die entsprechenden Programme genannt. Weiterhin wurde auf der Titelseite darauf hingewiesen, dass dem Heft eine DVD mit „30 halb-legalen Top-Tools“ beiliege. Diese ausführliche Darstellung nicht legaler Software entspricht nicht den journalistischen Grundsätzen. Das Ansehen der Presse zu wahren verlangt sowohl die Ziffer 1 des Pressekodex als auch die Präambel, die besagt:
[...] Herausgeber und Journalisten müssen sich bei ihrer Arbeit der Verantwortung gegenüber der Öffentlichkeit und ihrer Verpflichtung für das Ansehen der Presse bewusst sein. [...]
Insgesamt wurden in den beiden Beschwerdeausschüssen 86 Beschwerden behandelt. Dabei wurden neben den zehn Rügen 18 Missbilligungen und zehn Hinweise ausgesprochen. In 37 Fällen wurden die Beschwerden als unbegründet erachtet. Drei Fälle waren begründet, auf eine Maßnahme wurde jedoch verzichtet, da die Redaktion ihren Fehler jeweils selbst berichtigt hatte. In einigen Fällen gab es mehrere Beschwerdeführer gegen gleiche Veröffentlichungen.