Blick für Diskriminierungen schärfen
Diskriminierende Untertöne in der Berichterstattung über Minderheiten sind seltener geworden, kommen aber immer noch vor. Dabei wären sie zu vermeiden, ohne dass damit die Pressefreiheit eingeschränkt würde. Dieses Fazit zogen Fachleute und Medienvertreter im Rahmen des Medien-Symposiums „Über Zuwanderung schreiben ohne diskriminierenden Unterton“, zu dem der Deutsche Presserat und der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma für Mittwoch, 5. November, eingeladen hatten.
In der Landesvertretung Rheinland-Pfalz in Berlin diskutierten der Presserat und der Zentralrat unter Moderation von Breschkai Ferhad mit der Journalistin Freia Peters (Die Welt), dem Vorurteilsforscher Prof. Dr. Wolfgang Benz und dem Medienanwalt Prof. Dr. Christian Schertz über die Entstehung von diskriminierender Berichterstattung und die dahinter stehenden Mechanismen. Eröffnet wurde die Veranstaltung mit einem Grußwort des Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Hartmut Koschyk.
„Bei Anzeichen von Diskriminierung ist es die Aufgabe der Medien, die Haltung der Politik zu hinterfragen“, so Romani Rose, Vorsitzender des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, der eine positive Veränderung der Berichterstattung über Minderheiten im Allgemeinen sowie Sinti und Roma im Speziellen wahrgenommen hat. „Es ist zum großen Teil der Presse zu verdanken, dass in der jüngsten Debatte über Armutszuwanderung eine Versachlichung stattgefunden hat“. Vor allem die von Politikern benutzten falschen Darstellungen über Sozialmissbrauch durch so genannte Armutseinwanderer seien in vielen Berichten zurechtgerückt worden. Wie die ursprüngliche Schieflage bei diesem Thema zustande gekommen war, erklärte Journalistin Freia Peters: Manche Medien hätten den Begriff Armutszuwanderung und damit einen diskriminierenden Unterton übernommen, der durch die Politik geprägt worden sei.
Viele Vorurteile, die in diesem Zusammenhang Menschen wie Medienmacher beeinflusst haben, sitzen tief und sind über lange Zeit weitergegeben worden. Wolfgang Benz, der zuletzt die Studie „Bevölkerungseinstellungen gegenüber Sinti und Roma“ mitverantwortet hat, erläuterte, die Medien seien kaum in der Lage, diese Vorurteile aktiv zu bekämpfen, könnten aber sehr wohl vermeiden, sie bewusst oder unbewusst zu schüren.
„Die permanente Verknüpfung einer Ethnie mit bestimmten Lebensverhältnissen gehört zu den Faktoren, die Diskriminierung auslösen können“, so Manfred Protze, stellvertretender Sprecher des Deutschen Presserats. Aus der Sicht von Romani Rose könnte eine derartige Berichterstattung die Ausgrenzung der gesamten Minderheit zur Folge haben und deshalb im Ergebnis zu einer falschen Berichterstattung führen. „In unserem Rechtsstaat ist jeder Einzelne für seine Handlungen verantwortlich, und nicht die Gruppe, Familie oder Minderheit, der er angehört“, so Romani Rose. Er wünsche sich ein verstärktes Bewusstsein dafür, dass seine Minderheit bereits seit 600 Jahren als Volksgruppe in diesem Land lebe und Teil der Gesellschaft sei.
Die Nennung von Zugehörigkeiten zu Minderheiten oder Ethnien im Rahmen von Kriminalitätsberichterstattung werde von den Medien oft damit begründet, dass die zuständigen Behörden sie ja bereits genannt hätten, so Medienanwalt Christian Schertz: „Es gibt in den Pressestellen nicht immer genügend Sensibilität zu Fragen wie Unschuldsvermutung, Privatsphärenschutz und vor allen Dingen Stigmatisierung.“ Es sei dann die Aufgabe der Medien, solche Informationen eingehend zu prüfen. „Im Regelfall hat die Nennung der ethnischen Herkunft zu unterbleiben.“
Damit bezieht er sich auf den Pressekodex, der in Richtlinie 12.1 klarstellt: „In der Berichterstattung über Straftaten wird die Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter zu religiösen, ethnischen oder anderen Minderheiten nur dann erwähnt, wenn für das Verständnis des berichteten Vorgangs ein begründeter Sachbezug besteht. Besonders ist zu beachten, dass die Erwähnung Vorurteile gegenüber Minderheiten schüren könnte.“ Die Ziffer 12 des Pressekodex besagt: „Niemand darf wegen seines Geschlechts, einer Behinderung oder der Zugehörigkeit zu einer ethnischen, religiösen, sozialen oder nationalen Gruppe diskriminiert werden.“ Diese Regelungen erteilen ausdrücklich kein Sprachverbot, sie stellen vielmehr die Frage nach der journalistischen Relevanz in den Mittelpunkt. So soll eine höhere Sensibilität in der redaktionellen Arbeit für diesen Themenkomplex geschaffen werden.