Deutscher Presserat spricht elf Rügen aus
Der Beschwerdeausschuss des Deutschen Presserats hat in seiner Sitzung am 19. Juni 2001 die Zeitschrift Coupé in drei Fällen wegen des Verstoßes gegen die Ziffer 2 des Pressekodex gerügt. Im ersten Fall hatte das Blatt unter der Überschrift "Perverse Pfarrer sind Handlanger der Kinderporno-Mafia" pauschalisierend über Priester berichtet, die angeblich Kinder sexuell missbraucht und an Kinderporno-Ringe ausgeliefert haben sollen.
Der Presserat schloss sich der Argumentation des Beschwerdeführers an, dass damit die Berufsgruppe der Pfarrer allgemein verunglimpft werde. In einem zweiten Fall rügte der Beschwerdeausschuss einen offenbar frei erfundenen Bericht über den Test von Feuerlöschern. Darin wird behauptet, dass "Affen für grausame Feuerlöschtests angezündet" würden. Die dritte Rüge wurde gegen ein so genanntes "Erste-Hilfe-1x1" ausgesprochen, in dem unter anderem fälschlicherweise dargestellt wurde, wie medizinische Laien Amputationen durchführen können. An keiner Stelle wurde jedoch auf die Gefahren solcher Maßnahmen hingewiesen.
Nach Ansicht des Presserats handelt es sich bei diesem Bericht möglicherweise sogar um eine Anstiftung zur Körperverletzung. In allen drei Fällen sah das Selbstkontrollorgan schwere Verstöße gegen Ziffer 2 des Pressekodex. Sie verpflichtet die Presse, die "zur Veröffentlichung" bestimmten
"Nachrichten und Informationen in Wort und Bild ... mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen. Ihr Sinn darf durch Bearbeitung, Überschrift oder Bildbeschriftung weder entstellt noch verfälscht werden. ... Unbestätigte Meldungen, Gerüchte und Vermutungen sind als solche erkennbar zu machen."
Darüber hinaus legte das Publizistische Selbstkontrollorgan wegen der Schwere der beiden erstgenannten Fälle seiner Entscheidung ausdrücklich Ziffer 1 des Pressekodex zugrunde. Darin heißt es:
"Die Achtung vor der Wahrheit, die Wahrung der Menschenwürde und die wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit sind oberste Gebote der Presse."
Eine weitere Rüge wegen eines Verstoßes gegen Ziffer 1 sprach der Presserat gegen die Berliner tageszeitung aus. Sie hatte eine Todesanzeige im Faksimile nachgedruckt und sich in einem satirisch gemeinten Begleittext abfällig über den Namen der Verstorbenen und ihrer Hinterbliebenen geäußert. Zwei weitere Rügen wegen mangelnder Berücksichtigung der Sorgfaltspflicht (Ziffer 2 des Pressekodex) wurden gegen die türkische Zeitung Hürriyet sowie gegen die Stuttgarter Zeitung Sonntag aktuell ausgesprochen. Hürriyet hatte von einer zweiten türkischen Zeitung ungeprüft einen Artikel übernommen, in dem schwere Vorwürfe und Verleumdungen gegen eine Wissenschaftlerin aus Berlin sowie zwei türkische Wissenschaftler erhoben wurden.
Unter anderem wurden die drei Wissenschaftler fälschlich bezichtigt, geheimdienstlich gegen den türkischen Staat zu arbeiten. Die Zeitung Sonntag aktuell hatte neben einem Interview mit dem Chefredakteur der Bild-Zeitung, Kai Diekmann, diejenigen Passagen des Gesprächs unter der Überschrift "Lügt ‚Bild‘ wieder?" gesondert veröffentlicht, die der Chefredakteur der Bild-Zeitung ausdrücklich nicht zur Veröffentlichung autorisiert hatte. Das, so der Presserat, sei ein eindeutiger Verstoß gegen Ziffer 2, Richtlinie 2.4, in der ausdrücklich vom Interviewten autorisierte Interviews als "journalistisch korrekt" eingestuft werden. Drei weitere Rügen sprach das Selbstkontrollorgan der deutschen Presse gegen Blätter aus, die gegen Ziffer 9 der Publizistischen Grundsätze verstoßen hatten. Sie lautet:
"Es widerspricht journalistischem Anstand, unbegründete Behauptungen und Beschuldigungen, insbesondere ehrverletzender Natur, zu veröffentlichen."
So hatte die Allgäuer Zeitung in einem Kommentar über die Suspendierung eines evangelischen Pfarrers den völlig falschen Anschein erweckt, der Priester habe in seiner Funktion gegen die Gebote verstoßen, "du sollst kein falsch Zeugnis reden und du sollst nicht ehebrechen". Beide Vorwürfe standen jedoch in keinem inhaltlichen Zusammenhang mit den Gründen für die Suspendierung. Im zweiten Fall hatte der Informationsdienst Rundy unter der ehrverletzenden Überschrift "Kids hab ich zum F gern" über angebliche "Sexspiele" des Politikers Daniel Cohn-Bendit mit Kindern berichtet.
Das Haller Kreisblatt schließlich hatte in einem Bericht über einen jungen Mann, der mehrere Familienmitglieder niedergeschossen hatte, einen völlig unbegründeten Zusammenhang mit den Zeugen Jehovas hergestellt. In diesem Fall sah der Presserat außerdem einen Verstoß gegen Ziffer 12 des Pressekodex, der die Diskriminierung von "rassischen, ethnischen, religiösen, sozialen oder nationalen Gruppen" verbietet.
Zwei Rügen schließlich trafen die Boulevardzeitungen Bild und B.Z., weil sie gegen Ziffer 8 des Pressekodex verstoßen hatten. Darin wird die Presse aufgefordert, "das Privatleben und die Intimsphäre des Menschen" zu beachten. Außerdem müsse bei der Berichterstattung geprüft werden, so heißt es in Ziffer 8, "ob durch eine Veröffentlichung Persönlichkeitsrechte Unbeteiligter verletzt werden". Die Thüringer Ausgabe der Bild-Zeitung hatte dagegen verstoßen, indem sie eine ganze Gruppe von angeblichen Gewalttätern aus der linken Szene namentlich aufgezählt hatte.
Die Berliner B.Z. hatte in einem Bericht über den mutmaßlichen Mörder eines zwölfjährigen Mädchens die Identifizierung der letzten Freundin des Mannes sowie deren minderjähriger Schwester ermöglicht. Neben den insgesamt 11 Rügen sprach der Beschwerdeausschuss des Deutschen Presserat außerdem 16 Missbilligungen und 10 Hinweise aus. Eine Missbilligung nahm der Presserat zum Anlass, noch einmal ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass Journalisten ihre Informationen speziell von schutzbedürftigen Personen nur mit äußerster Zurückhaltung einholen sollen.
In einem Fall hatte sich die Mitarbeiterin eines Boulevardblattes Zugang zu einer Patientin in die psychiatrische Abteilung einer Klinik unter dem Vorwand verschafft, sie wolle die Frau in ihrem Krankenzimmer besuchen. In seiner dritten Sitzung in diesem Jahr behandelte der Beschwerdeausschuss insgesamt 70 Beschwerden gegen Zeitschriften und Tageszeitungen. Davon wurden 29 Beschwerden als unbegründet abgewiesen.