Jugendzeitschrift verletzt Jugendschutz
Am 11. und 13. September 2007 tagten die beiden Beschwerdeausschüsse des Deutschen Presserats sowie der Beschwerdeausschuss zum Redaktionsdatenschutz in Bonn.
Die Jugendzeitschrift BRAVO HIP HOP verstieß nach Auffassung des Beschwerdeausschusses in grober Art und Weise gegen den Jugendschutz. Die Zeitschrift hatte den Rapper „King Orgasmus One“ für einen Tag begleitet, als dieser Material für seine neue DVD drehen ließ. Bei diesem Dreh ging es um das Filmen von Pornoszenen, die zum Teil als Fotos in dem Artikel veröffentlicht wurden. Der Beschwerdeausschuss sah in dem Beitrag einen eklatanten Verstoß gegen die Ziffer 11 des Presskodex, der von der Presse die Beachtung des Jugendschutzes verlangt. Der Beschwerdeausschuss sah den Artikel insgesamt als absolut ungeeignet für eine Jugendzeitschrift an.
BILD wurde für einen Artikel über Khaled al-Masri öffentlich gerügt. Unter der Überschrift „Warum lassen wir uns durch so einen terrorisieren?“ hatte die Zeitung über den von der CIA entführten Deutsch-Libanesen berichtet. Es wurde mitgeteilt, dass al-Masri in einer „Psychoklinik in Kaufbeuren“ behandelt werde, weil er einen Brandanschlag auf einen Supermarkt verübt hatte. Der Ausschuss erkannte hier eine Verletzung des Persönlichkeitsrechtes des offenkundig kranken al-Masri, der in dem gerügten Beitrag als „irre“ bezeichnet wurde. Das Verhalten eines psychisch Kranken, der nach Richtlinie 8.4 im Pressekodex besonderen Schutz genießt, wurde in ehrverletzender Art und Weise dargestellt. Die Richtlinie besagt:
Körperliche und psychische Erkrankungen oder Schäden fallen grundsätzlich in die Geheimsphäre des Betroffenen. Mit Rücksicht auf ihn und seine Angehörigen soll die Presse in solchen Fällen auf Namensnennung und Bild verzichten und abwertende Bezeichnungen der Krankheit oder der Krankenanstalt, auch wenn sie im Volksmund anzutreffen sind, vermeiden. Auch Personen der Zeitgeschichte genießen über den Tod hinaus den Schutz vor diskriminierenden Enthüllungen.
Der Ausschuss wertete die Darstellungen außerdem als unangemessen im Sinne der Ziffer 9 des Pressekodex:
Es widerspricht journalistischer Ethik, mit unangemessenen Darstellungen in Wort und Bild Menschen in ihrer Ehre zu verletzen.
Schleichwerbung erkannte das Gremium in einem Beitrag der HAMBURGER MORGENPOST über Italien-Wochen bei Karstadt. Grundsätzlich dürfe über solche Aktionen als „Leserservice“ berichtet werden. Die Grenze zur Schleichwerbung sei jedoch überschritten, wenn dies in werblich anpreisender Sprache geschehe und einzelne Produkte ohne nachvollziehbaren Grund hervorgehoben würden. Im gerügten Beitrag wurde die Grenze mit der Formulierung „Die besten Love-Stories werden durch tolle Gewinne wie einen „Amore-Urlaub“ in Rom oder ein exklusives Abendessen prämiert“ sowie den Hinweis auf die Prosecco Marke „Ti Amo“ deutlich überschritten.
Richtlinie 7.2 - Schleichwerbung
Redaktionelle Veröffentlichungen, die auf Unternehmen, ihre Erzeugnisse, Leistungen oder Veranstaltungen hinweisen, dürfen nicht die Grenze zur Schleichwerbung überschreiten. Eine Überschreitung liegt insbesondere nahe, wenn die Veröffentlichung über ein begründetes öffentliches Interesse oder das Informationsinteresse der Leser hinausgeht oder von dritter Seite bezahlt bzw. durch geldwerte Vorteile belohnt wird. Die Glaubwürdigkeit der Presse als Informationsquelle gebietet besondere Sorgfalt beim Umgang mit PR-Material.
Zwei Rügen erhielt die Programmbeilage PRISMA wegen Verletzung des Trennungsgrundsatzes. Ein Artikel beschäftigte sich mit Wohneigentum in Deutschland. Zu Wort kam darin der Geschäftsführer der Stiftung der Bausparkasse Schwäbisch-Hall. Der Artikel enthielt werbende Aussagen zum Thema Bausparen. Verstärkt wurde der Werbeeffekt durch einen beigestellten Kasten, in dem PRISMA gemeinsam mit der Bausparkasse vier Bausparverträge verlost hatte. Diese Veröffentlichung ging über das Leserinteresse hinaus und stellte Schleichwerbung dar. Gleiches gilt für ein PRISMA-Interview mit einem Internisten zum Thema „Stress“. Der befragte Arzt wies darin auf Klosterfrau Melissengeist hin. Für die Nennung dieses Produktes sah der Beschwerdeausschuss keinen redaktionellen Anlass.
Anhaltspunkte für geldwerte Zuwendungen an Redaktion oder Verlag konnte der Presserat in keinem Fall feststellen.
Die NEUE WESTFÄLISCHE wurde gerügt, da sie Werbung nicht klar als solche gekennzeichnet hatte. Auf einer Seite, die sich exklusiv mit einem Hörgerät beschäftigte, hatte die Zeitung neben traditionellen Anzeigen auch redaktionell gestaltete Artikel veröffentlicht, die bezahlt waren. Für den Leser war hier nicht klar erkennbar, dass auf der Seite, für die die Anzeigenabteilung verantwortlich zeichnet, ausschließlich Werbung veröffentlicht war. Hier sah der Ausschuss einen Verstoß gegen die Richtlinie 7.1 des Pressekodex.
Richtlinie 7.1 - Trennung von redaktionellem Text und Anzeigen
Bezahlte Veröffentlichungen müssen so gestaltet sein, dass sie als Werbung für den Leser erkennbar sind. Die Abgrenzung vom redaktionellen Teil kann durch Kennzeichnung und/oder Gestaltung erfolgen. Im Übrigen gelten die werberechtlichen Regelungen.
Im Beschwerdeausschuss zum Redaktionsdatenschutz wurde am Mittwoch, 12.09.2007, eine nicht-öffentliche Rüge gegen die Zeitung SONNTAG AKTUELL ausgesprochen. Die Zeitung hatte über den Arbeitstag eines Sozialrichters berichtet und dabei den Namen einer klagenden Hartz IV-Empfängerin genannt. Das war ein Eingriff in ihr Privatleben. Schlimmer wurde dieser Eingriff noch dadurch, dass die Zeitung zahlreiche persönliche Daten mitteilte: die Pflegebedürftigkeit der Frau, ihre schwierige soziale Situation, ihre privaten Probleme. Nichts davon war von öffentlichem Interesse. Der Bericht verletzte also insgesamt das Recht auf ihre informationelle Selbstbestimmung. Das wertete der Ausschuss als schweren Verstoß gegen die Ziffer 8 des Pressekodex:
Die Presse achtet das Privatleben und die Intimsphäre des Menschen. Berührt jedoch das private Verhalten öffentliche Interessen, so kann es im Einzelfall in der Presse erörtert werden. Dabei ist zu prüfen, ob durch eine Veröffentlichung Persönlichkeitsrechte Unbeteiligter verletzt werden. Die Presse achtet das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und gewährleistet den redaktionellen Datenschutz.
Zum Schutz der Betroffenen verzichtet der Ausschuss auf den Abdruck der Rüge.
Insgesamt wurden in den drei Beschwerdeausschüssen 67 Beschwerden behandelt. Dabei wurden neben den sieben Rügen, 14 Missbilligungen und neun Hinweise ausgesprochen. In 33 Fällen wurden die Beschwerden als unbegründet erachtet. Zwei Fälle waren begründet, auf eine Maßnahme wurde jedoch verzichtet, da die Redaktion ihren Fehler jeweils selbst berichtigt hatten. In zwei Fällen gab es mehrere Beschwerdeführer gegen die gleiche Veröffentlichung.