Presserat spricht sieben Rügen aus
Die Beschwerdegremien des Deutschen Presserats haben vom 6. bis zum 8. Dezember 2005 in Bonn getagt und insgesamt sieben Rügen ausgesprochen. Die Kammer 1 des Beschwerdeausschusses sprach am 6. Dezember drei Rügen wegen Verletzungen des in Ziffer 7 genannten Trennungsgebotes von Werbung und Redaktion aus. In einem Special der Jugendzeitschrift BRAVO über die Teenie-Band Tokio Hotel wurde im Text mehrfach der Name eines Energy-Drinks genannt. Auch war auf zwei Fotos die entsprechende Dose zu sehen. Für die häufige Nennung dieses Produktes gab es nach Meinung der Kammer keine publizistische Notwendigkeit, so dass Werbung vorliegt. Ziffer 7 fordert:
Die Verantwortung der Presse gegenüber der Öffentlichkeit gebietet, dass redaktionelle Veröffentlichungen nicht durch private oder geschäftliche Interessen Dritter oder durch persönliche wirtschaftliche Interessen der Journalistinnen und Journalisten beeinflusst werden. Verleger und Redakteure wehren derartige Versuche ab und achten auf eine klare Trennung zwischen redaktionellem Text und Veröffentlichungen zu werblichen Zwecken.
Das Fachmagazin SEGELN verletzte den Trennungsgrundsatz durch eine Berichterstattung über die „VW Phaeton Sail & Drive Championship 2005“, einem PR-Wettbewerb von VW im Rahmen der Münchener Segelwoche. Die Redaktion hatte ein Foto des Fahrzeugs mit der Unterzeile „Machte am Kai eine gute Figur: der Phaeton, die Oberklasse-Limousine von VW“ sowie ein Interview mit einem VW-Mitarbeiter veröffentlicht. Dieser Bericht und die Darstellung des Fahrzeugs ging nach Meinung der Kammer deutlich über das Leserinteresse hinaus und stellt Schleichwerbung dar. Diese ist nach Richtlinie 7.2 des Pressekodex unzulässig:
Redaktionelle Veröffentlichungen, die auf Unternehmen, ihre Erzeugnisse, Leistungen oder Veranstaltungen hinweisen, dürfen nicht die Grenze zur Schleichwerbung überschreiten. Eine Überschreitung liegt insbesondere nahe, wenn die Veröffentlichung über ein begründetes öffentliches Interesse oder das Informationsinteresse der Leser hinausgeht. [...]
Den Grundsatz der Trennung von Werbung und Redaktion verletzte auch die Zeitschrift AKTUELLES AUS DER WIRTSCHAFT, die für die Bebilderung von redaktionellen Beiträgen Geld verlangte. Diese Praxis stellt eine krasse Verletzung der Ziffer 7 dar, da die komplette redaktionelle Berichterstattung frei von finanziellen Gegenleistungen erfolgen muss.
Die Kammer 1 des Beschwerdeausschusses rügte sowohl die ABENDZEITUNG (München) als auch BILD aufgrund einer Berichterstattung über einen tragischen Unfall in Bayern, bei dem sieben junge Leute ums Leben kamen. Durch die Veröffentlichung negativer Aussagen ausschließlich anonymer Quellen wurde der verantwortliche Fahrer, der bei dem Unfall selbst getötet wurde, in ein schlechtes Licht gerückt. In BILD wurde er zudem durch ein veröffentlichtes Foto identifizierbar. Ziffer 9 sagt aus:
Es widerspricht journalistischem Anstand, unbegründete Behauptungen und Beschuldigungen, insbesondere ehrverletzender Natur, zu veröffentlichen.
Auch die Kammer 2 des Beschwerdeausschusses sprach auf ihrer Sitzung am 8. Dezember eine öffentliche Rüge gegen die BILD-Zeitung aus. Die Zeitung hatte über den Suizid eines Polizisten berichtet. Dieser wurde durch ein Porträtfoto identifizierbar. Mit der Veröffentlichung des Bildes der Leiche ließ BILD die in Richtlinie 8.5 geforderte Zurückhaltung bei der Berichterstattung über Selbsttötung vermissen. Dieses Foto wurde von dem Ausschuss zudem als unangemessen sensationell eingestuft. In Richtlinie 8.5 – Selbsttötung heißt es:
Die Berichterstattung über Selbsttötung gebietet Zurückhaltung. Dies gilt insbesondere für die Nennung von Namen und die Schilderung näherer Begleitumstände. Eine Ausnahme ist beispielsweise dann zu rechtfertigen, wenn es sich um einen Vorfall der Zeitgeschichte von öffentlichem Interesse handelt.
Eine nicht-öffentliche Rüge gegen die BILD-Zeitung sprach der Beschwerdeausschuss Redaktionsdatenschutz am 7. Dezember wegen des tragischen Todes zweier Menschen bei einem Friedhofsbesuch aus. Einer der Toten wurde durch ein nicht ausreichend gepixeltes Foto identifizierbar. Die zweite Tote wurde durch den Nachnamen, der auf dem Grabkreuz eines Angehörigen lesbar war, ebenfalls erkennbar.
Für hohes Aufsehen sorgte in den letzten Tagen die Berichterstattung der BILD-Zeitung mit der Schlagzeile „Wird sie geköpft?“ über die Geiselnahme von Susanne Osthoff im Irak. Dem Presserat lagen zu Beginn der Sitzung bereits rund 30 Beschwerden hierzu vor. Diese Beschwerden konnten jedoch aus verfahrenstechnischen Gründen noch nicht behandelt werden, so dass sie erst in der kommenden Sitzung des Presserats im März 2006 zur Entscheidung anstehen.