Presserat weiter ein gesuchter Ansprechpartner
Ein arbeitsreiches Jahr für den Deutschen Presserat: Die Zahl der Beschwerden bleibt hoch. 1.500 Menschen wandten sich im Jahr 2012 an die Freiwillige Selbstkontrolle der Presse, um redaktionelle Beiträge in Zeitungen, Zeitschriften und deren Online-Seiten anhand des Pressekodex prüfen zu lassen. Damit bleibt die Zahl der Beschwerden im Verhältnis zu 2011 (1.323 Beschwerden) und 2010 (1.661) gleichbleibend auf hohem Niveau. Zum Vergleich: Im Jahr 2007 wandten sich lediglich 735 Leser an den Presserat. Seit 2009 ist der Presserat auch für Online-Auftritte der Verlage zuständig.
Ursula Ernst, Sprecherin des Deutschen Presserats: „Die Anzahl der Beschwerden hat sich in den vergangenen fünf Jahren verdoppelt. Dies ist jedoch kein Anzeichen für eine verminderte Qualität der Berichterstattung. Es wurden prozentual gesehen nicht mehr Sanktionen ausgesprochen als in den vergangenen Jahren. Es zeigt jedoch die gestiegene Relevanz des Presserats in der Leserschaft, die sich mit der Qualität der Presse kritisch auseinandersetzt.“
Auffallend ist, dass manche Berichterstattung einen regelrechten Strom an Beschwerden nach sich zog. So zum Beispiel das Papst-Cover der Zeitschrift TITANIC, über das sich rund 180 Leser beschwerten. Aber auch die BILD-Kolumne „Post von Wagner“ zu Homosexualität und Ehe sorgte mit rund 70 Beschwerden für kritische Rückmeldungen. Zum Umgang mit Thilo Sarrazin polarisierten gleich zwei Beiträge, eine TAZ-Kolumne und ein Kommentar in der BERLINER ZEITUNG/FRANKFURTER RUNDSCHAU. Insgesamt 60 Leser baten um eine presseethische Prüfung. Ursula Ernst: „Die Fälle wurden in der Medienbranche, aber auch in der Öffentlichkeit insgesamt ausführlich diskutiert. Wie weit darf die Presse gehen, wo endet eine Kritik, wo beginnt eine Diffamierung? Solche ethischen Diskurse anzustoßen, ist eines unserer Hauptanliegen.“
Die ehrenamtlichen Mitglieder in den drei Beschwerdeausschüssen prüften 2012 insgesamt 670 Fälle. Im Vorjahr waren es nur 453 Fälle. Hierzu wurde ein Beschwerdeverfahren eingeleitet und die Zeitung/Zeitschrift um Stellungnahme gebeten.
Insgesamt beurteilten die Beschwerdeausschüsse 450 Beschwerden als begründet und sprachen 188 Maßnahmen aus. Wenn mehrere Leser den gleichen Artikel kritisierten, wurde nur eine Maßnahme ausgesprochen.
Die Maßnahmen im Einzelnen:
17 öffentliche Rügen
5 nicht-öffentliche Rügen
51 Missbilligungen
91 Hinweise
24 Beschwerden begründet, aber keine Maßnahme
220 Beschwerden unbegründet
In der Vorprüfung abgelehnt wurden zuvor die Fälle, bei denen es keinen Anhaltspunkt dafür gab, dass die Redaktion unsauber gearbeitet hatte.
Die meisten Beschwerden richteten sich 2012 gegen Regional- und Lokalzeitungen mit 436 Fällen. Danach folgten die Publikumszeitschriften mit 320 Fällen. Diese Platzierung ist vor allem durch das Titanic-Papst-Cover geprägt. Danach folgen die Boulevardzeitungen mit 198 Fällen. Nur ganz wenige Beschwerden erreichten den Presserat gegen Wochen- und Sonntagszeitungen (26), Fachzeitschriften (11) und Nachrichtenagenturen (3).
Wie in den vergangenen Jahren lagen die tatsächlichen und vermuteten Verstöße gegen die Ziffer 2 (journalistische Sorgfaltspflicht) weit vorn. 317 Fälle prüfte der Presserat hier (Vorjahr: 279), Spitzenreiter war 2012 jedoch die Ziffer 9 (Schutz der Ehre) mit 386 Fällen (Vorjahr: 80). Diese Platzierung ist ebenfalls durch die Sammelbeschwerde gegen das Titanic-Papst-Cover geprägt. Danach folgt die Ziffer 1 (Menschenwürde, wahrhaftige Berichterstattung) mit 265 Fällen. Im Vorjahr waren dies hier nur 105 Fälle.