Pressemitteilungen und Aktuelles

"Prominentenanwälte contra Pressefreiheit?"

Das „Caroline“-Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte sorgt weiter für Diskussionsstoff. Da die Auswirkungen auf die deutsche Rechtsprechung nach wie vor unklar sind, ist die Verunsicherung in den Redaktionen auch ein dreiviertel Jahr nach der Entscheidung groß. Die Diskussionsveranstaltung des Deutschen Presserats und des DJV-Landesverbandes „Verein Berliner Journalisten“ zum Thema „Prominen-tenanwälte contra Pressefreiheit?“ war entsprechend gut besucht. Über 100 Zuhörer aus Redaktionen, Anwaltskanzleien und Justitiariaten füllten am Montagabend den Saal im Dietrich-Bonhoeffer-Haus in Berlin-Mitte bis auf den letzten Platz. Die Veranstaltung moderierte Dr. Michael Rediske, Geschäftsführer des DJV-Landesverbandes „Verein Berliner Journalisten“.

Für den Deutschen Presserat wies Geschäftsführer Lutz Tillmanns auf die mittelbaren Auswirkungen des Urteils hin.  Seine Tragweite sei heute noch gar nicht zu übersehen, da seitdem erst wenige Urteile von Instanzgerichten vorliegen. In dieser Zeit seien „die Zeitungen mit harten juristischen Bandagen konfrontiert“. Anwälte versuchten immer häufiger, auch schon vor einer Veröffentlichung Recherchen zu unterbinden. Tillmanns kritisierte, dass die Gerichte und Politik den Selbstreinigungskräften der Medien nicht vertrauten. Stattdessen setzten viele auf immer schärfere Gesetzgebung. Auch durch den neuen § 201a des Strafgesetzbuches, der verstecktes Filmen und Fotografieren untersagt, sei der investigative Journalismus tangiert.

Der Berliner Medienanwalt Dr. Christian Schertz dagegen sieht zu „Panik“ keinen An-lass. „Betroffene kennen ihre Rechte aber heute besser als früher.“ Das Urteil selbst betreffe allenfalls die reine Unterhaltungspresse. Mit Sorgfalt arbeitende investigative Journalisten würden weder durch die „Caroline“-Entscheidung noch den § 201a StGB behindert.

Ulrich Meyer, Produzent und Moderator der „Akte“-Sendereihe auf Sat1, braucht heute häufiger juristischen Rat als noch vor einigen Jahren. Mit schwammiger Begrifflichkeit habe das „Caroline“-Urteil Verwirrung gestiftet, auch die Grenzen des neuen § 201a StGB seien noch unklar. Inzwischen wisse er nicht immer, wie er sich verhalten solle, selbst wenn seine Firma sich an Gerichtsurteile halte. „Schon die nächste Kammer könnte anders entscheiden“, sagte Meyer.

Auch Dr. Klaus Rost, Chefredakteur Märkische Allgemeine Zeitung in Potsdam, berichtete, wie  Unsicherheit über die Rechtslage seine journalistische Praxis behindere. Selbst wenn restriktive Urteile oft in der zweiten Instanz wieder aufgehoben würden, beeinträchtigten sie doch zunächst die Arbeit der Redaktionen. Wenn in einem Bericht über ein dubioses Grundstücksgeschäft des Leiters der Bauaufsicht der Landesregierung dessen Name nicht genannt werden dürfe, weil der Beamte das per einstweiliger Ver-fügung verbieten lässt, „dann wundere ich mich“, sagte Rost.

Prof. Walter Seitz, ehemaliger Vorsitzender des Pressesenats am Oberlandesgericht München, erkennt eine Veränderung des Verhältnisses zwischen Medien und Gerichten. Beim Bundesverfassungsgericht sei die Pressefreiheit in der Vergangenheit „etwas überbewertet“ gewesen. Jetzt stehe das Persönlichkeitsrecht stärker im Vordergrund. Allerdings sei das nicht die unmittelbare Folge des „Caroline“-Urteils. Dennoch sorgt er sich, die Gerichte könnten „die Pressefreiheit zu restriktiv auslegen“.

Zurück