Titelseiten von drei Sportmagazinen gerügt
Die Beschwerdeausschüsse des Presserats tagten am 04. und 05.06.2013 in Berlin und behandelten 147 Beschwerden. 7 Veröffentlichungen wurden gerügt. Wegen einer Verletzung des Grundsatzes der klaren Trennung von Redaktion und Werbung (Ziffer 7 Pressekodex) wurden die Zeitschriften CONDITION, LAUFZEIT und RUNNING gerügt. Die drei Laufmagazine hatten auf der Titelseite ihrer Ausgaben 03/2013 jeweils ein PR-Foto eines großen Sportartikelherstellers veröffentlicht. Auf den Bildern präsentierten bekannte Läuferinnen einen neuen Laufschuh des Unternehmens. Der Presserat sah in der Veröffentlichung dieser PR-Fotos Schleichwerbung nach Richtlinie 7.2 Pressekodex. Die dort geforderte besondere Sorgfalt beim Umgang mit PR-Material wurde bei den Veröffentlichungen deutlich missachtet.
Ebenfalls gerügt wegen einer Verletzung der Ziffer 7 wurde die Publikation KANZLEI LIFE! Die Zeitschrift richtet sich als Fachpublikation an Rechtsanwalts- und Notarkanzleien. In mehreren Artikeln der Ausgabe 1/2013 wurde auf Produkte eines einzelnen Softwareunternehmens hingewiesen. Konkurrenzprodukte wurden nicht genannt. Der Presserat stellte bei der Behandlung der Beschwerde fest, dass die Zeitschrift von einem Schwesterunternehmen des Softwareentwicklers herausgegeben und kostenlos an Kunden verteilt wird. In einem ‚Sondernewsletter‘ an ihre Kunden spricht die Firma dabei von „unserer neuen Zeitschrift“ und verweist bei Fragen zum Inhalt der Zeitschrift an die Kundenbetreuung. Aufgrund dieser Konstellation beurteilt der Presserat KANZLEI LIFE! als reine Werbepublikation. Für die Leser ist dies allerdings nicht ersichtlich, da eine entsprechende Kennzeichnung fehlt.
Die Berliner TAZ hat mit einem scharfen Kommentar zur Papstwahl keine religiösen Gefühle geschmäht, aber mit der Überschrift „Junta-Kumpel löst Hitlerjunge ab“ grob gegen das Sorgfaltsgebot verstoßen. Dafür spricht der Deutsche Presserat der Zeitung eine Rüge aus.
Fast 50 Leserbeschwerden lagen dem Gremium über den Kommentar der TAZ vor, der die Wahl von Papst Franziskus thematisiert. Der Kommentar erschien in der Online-Ausgabe unter der Überschrift „Alter Sack der Xte“, in der Printausgabe unter dem Titel „Junta-Kumpel löst Hitlerjunge ab“. Während der Ausschuss den Inhalt des Beitrages sowie die Überschrift in der Online-Ausgabe nicht kritisierte, sah er in der Überschrift des Print-Beitrages eine nicht bewiesene Tatsachenbehauptung (Ziffer 2 Pressekodex). Die Erkenntnisse über die Nähe des Papstes zur argentinischen Militärdiktatur reichen nicht aus, um sie in der Überschrift mit der Bezeichnung „Junta-Kumpel“ zuzuspitzen und sie als erwiesen darzustellen. Den Papst ohne ausreichende Belege in die Nähe eines Regimes zu rücken, das Zehntausende von Menschen ermordet hat, verletzt ihn in seiner Ehre (Ziffer 9 Pressekodex).
Dagegen sind scharfe Bewertungen im Kommentar wie „Alter Sack I. folgte Alter Sack II.“ oder „esoterischer Klimbim“ als Bezeichnung für katholische Dogmatik zwar provokativ und polemisch, der Ausschuss hält diese Äußerungen jedoch für vom Recht auf Meinungsfreiheit gedeckt. Eine Institution wie die katholische Kirche und ihr Oberhaupt müssen auch deutliche öffentliche Kritik aushalten. Religiöse Gefühle sieht das Gremium mit den Äußerungen nicht geschmäht.
Keinen ethischen Verstoß stellte der Presserat bei zwei Beschwerden zur Berichterstattung über den Bombenanschlag in Boston fest. BILD-Online hatte in mehrteiligen Fotostrecken über den Anschlag berichtet. Gezeigt wurden Bilder mit dramatischen Szenen, auf denen unter anderem verletzte Menschen zu sehen waren. Die Fotos dokumentieren die schreckliche Realität dessen, was sich ereignet hat, überschreiten jedoch nicht die Grenze zur Sensationsberichterstattung (Ziffer 11 Pressekodex), stellte der Ausschuss fest. Ein grenzwertiges Foto, das einen schwer verletzten Mann im Rollstuhl zeigte, hatte die Zeitung kurz nach Erscheinen bereits von sich aus aus dem Online-Angebot entfernt.
Kriminalberichterstattung geht zu weit
BILD-Online wurde für die Berichterstattung über ein vermutetes Tötungsdelikt gerügt, bei dem der Hauptverdächtige als überführter „Killer“ bezeichnet wurde und sein angebliches Opfer und er selbst auf Fotos klar erkennbar gezeigt worden sind.
In drei Beiträgen hatte die Redaktion über den Mann berichtet, der Suizid begangen hatte. Die Polizei hielt es für wahrscheinlich, dass er seine Freundin umgebracht hatte, ihre Leiche war aber nicht gefunden worden. Der Presserat erkannte in den Veröffentlichungen einen Verstoß gegen die journalistische Sorgfaltspflicht (Ziffer 2 Pressekodex), weil der Eindruck erweckt wurde, es habe erwiesenermaßen ein Mord stattgefunden und der Mann sei der Täter. Beides stand zum Zeitpunkt der Berichtbestattung aber nicht fest. Zudem wurden das Persönlichkeitsrecht des Mannes und seiner Freundin verletzt, da Fotos und persönliche Angaben sie identifizierbar machten (Ziffer 8 Pressekodex).
Die TZ München erhielt eine Rüge für die identifizierende Berichterstattung über einen Mann, dem die Entführung und Vergewaltigung Minderjähriger in Thailand vorgeworfen wird. Der Ausschuss bemängelte, dass der Tatverdächtige durch die Angabe zahlreicher persönlicher Details für einen größeren Personenkreis identifizierbar wird. Das verstößt in diesem Fall gegen Ziffer 8 des Pressekodex. Denn hinreichende Beweise für die Schuld des Tatverdächtigen lagen zum Zeitpunkt der Berichterstattung nicht vor. Überdies sah der Ausschuss auch eine Verletzung der Unschuldsvermutung (Ziffer 13 Pressekodex), da der Artikel nicht durchgehend sprachlich unterschied zwischen Verdacht und erwiesener Schuld.
Der Presserat nimmt einen aktuellen Beschwerdefall zum Anlass, um an die Pflichten der Ziffer 5 (Berufsgeheimnis) des Pressekodex zu erinnern. Dies bedeutet im Einzelfall, dass Journalisten vollständigen Gebrauch von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht machen, um einen Informanten zu schützen. Dies schließt insbesondere den Informantenschutz bei zeugenschaftlicher Vernehmung im Rahmen von Strafermittlungsverfahren ein.
Dem Beschwerdeausschuss lag eine Beschwerde gegen einen Redakteur vor, der über einen Krankenhausskandal berichtet hatte. Ein Säugling war verstorben. Ein Informant hatte dem Journalisten Details über den Behandlungsverlauf und die Komplikationen zugetragen, die einen ärztlichen Behandlungsfehler nahelegten. Der Informant legte Beschwerde beim Presserat ein und warf dem Journalisten vor, seinen Namen in einem Gespräch mit der Klinikleitung preisgegeben zu haben. Die Klinikleitung hatte erfahren, dass es sich bei dem Informanten um einen Angehörigen einer Krankenhausmitarbeiterin handelte. Die Frau wurde daraufhin entlassen.
Der Journalist bestritt gegenüber dem Presserat, den Namen weitergegeben zu haben. Nicht auszuschließen war für den Presserat, dass die Klinikleitung den Namen des Informanten bei der Einsicht in die Ermittlungsakten bzw. über Dritte erhalten hat. Ob es einen belegbaren Verstoß gegen den Informantenschutz gegeben hat, war für den Beschwerdeausschuss allerdings nicht aufklärbar.
Ziffer 5 – Berufsgeheimnis
Die Presse wahrt das Berufsgeheimnis, macht vom Zeugnisverweigerungsrecht
Gebrauch und gibt Informanten ohne deren ausdrückliche Zustimmung nicht preis. Die vereinbarte Vertraulichkeit ist grundsätzlich zu wahren.
Insgesamt wurden in den drei Ausschüssen 147 Beschwerden behandelt.
Die Ergebnisse: 7 öffentliche Rügen, 10 Missbilligungen, 19 Hinweise. 79 Beschwerden wurden als unbegründet erachtet. In 4 Fällen wurden die Beschwerden als begründet angesehen, auf eine Maßnahme wurde jedoch verzichtet.