„Trophäe“ einer Vergewaltigung gezeigt
Der Deutsche Presserat hat im März 2015 wegen schwerer Verstöße gegen den Pressekodex sieben öffentliche Rügen ausgesprochen.
Der Beschwerdeausschuss 2 sprach eine Rüge gegen BILD und BILD Online wegen der Berichterstattung über eine Vergewaltigung aus. Der Täter hatte sich und das Opfer während der Tat mit seinem Handy fotografiert. Dem Artikel waren eine Abbildung des Täters und ein bei der Tat aufgenommenes Foto beigestellt. Darauf war das Gesicht des Opfers zwar verfremdet. Der Ausschuss sah darin gleichwohl einen Verstoß gegen die Ziffern 1, 8 und 11 des Pressekodex. Als besonders gravierende Verletzung der Würde des Opfers bewertete er den Umstand, dass BILD und BILD Online ein Foto veröffentlichten, welches der Täter während der Tat als „Trophäe“ angefertigt hatte.
Eine weitere Rüge des Beschwerdeausschusses 2 erging gegen BILD Online wegen der identifizierenden Berichterstattung über ein Mordopfer. Die junge Frau war mutmaßlich von ihrem Freund getötet worden, der sich anschließend das Leben genommen hatte. Das Medium veröffentlichte ein Foto, auf dem das Opfer zu erkennen war. Damit verstieß es gegen Richtlinie 8.2 des Pressekodex, nach der die Identität von Opfern besonders zu schützen ist.
Weil sie einen Text über ein Nutzfahrzeug erst in einer Anzeige und später wortgleich und ohne Kennzeichnung als redaktionellen Text veröffentlicht hatte, wurde die GOSLARSCHE ZEITUNG vom Beschwerdeausschuss 1 gerügt. Die Veröffentlichung verstieß gegen den im Pressekodex festgehaltenen Grundsatz der klaren Trennung von Redaktion und Werbung (Ziffer 7, Richtlinie 7.2). Der gerügte Beitrag war einen Tag zuvor bereits im Rahmen einer Anzeigen-Sonderveröffentlichung erschienen und beruhte auf einem Pressetext des Herstellers.
Jeweils eine Rüge wegen Schleichwerbung erhielten die Zeitschriften WELT DER WUNDER und TV HÖREN UND SEHEN. Beide hatten einen Artikel über Kombinations-Präparate zur Behandlung von Erkältungskrankheiten veröffentlicht und ausführlich die Vorzüge dieser Produkte dargestellt. Direkt beigestellt war den Artikeln jeweils eine Anzeige für ein Präparat, das genau die Wirkstoffe enthält, die in dem redaktionellen Beitrag positiv hervorgehoben worden waren. Der Beschwerdeausschuss 1 sah in der engen räumlichen Nähe von Anzeige und redaktionellem Beitrag Schleichwerbung nach Richtlinie 7.2 des Pressekodex, da die Werbewirkung der Anzeige durch die positive redaktionelle Darstellung der Wirkstoffkombination verstärkt wird.
Der Beschwerdeausschuss 1 rügte unter anderem BILD Hamburg. Die Zeitung hatte über den Mordprozess gegen einen 16-Jährigen berichtet. Der Angeklagte war in dem Beitrag mit Vornamen, abgekürztem Nachnamen und Wohnort genannt worden. Der Artikel enthielt zudem sein Porträtfoto. Über einen jugendlichen Straftäter derart identifizierend zu berichten, wertete der Ausschuss als einen schweren Verstoß gegen den Pressekodex (Ziffer 8, Schutz der Persönlichkeit, Richtlinien 8.1 und 8.3). Die Identität von Kindern und Jugendlichen genießt besonderen Schutz, auch bei schweren Straftaten.
Der Beschwerdeausschuss für den Redaktionsdatenschutz sprach eine Rüge gegen SHZ.DE aus, das Nachrichtenportal des Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlags. Gegenstand war ein Archivbeitrag aus dem Jahr 2009 über einen laufenden Mordprozess. Der Angeklagte war darin identifizierend dargestellt worden. Auch erwähnt wurde der Name seines Vaters, der sich gegen die Veröffentlichung beim Presserat beschwerte. Der Ausschuss stellte einen Verstoß gegen Ziffer 8 des Pressekodex fest. Die identifizierende Berichterstattung über den Angeklagten und dessen Vater vor Abschluss des Strafverfahrens beurteilte er als unzulässig.
Einen Hinweis erteilte der Beschwerdeausschuss 2 dem Internet-Portal einer überregionalen Tageszeitung wegen der Verwendung einer Leiste unter dem eigentlichen Artikel, welche es den Benutzern ermöglicht hatte, den Inhalt des Beitrags mit positiven oder negativen Gefühlszuständen zu bewerten. In dem Artikel ging es um ein Attentat mit vielen Todesopfern. Die Möglichkeit, diese Nachricht auf Basis von positiven Emotionen zu bewerten, verstößt aus Sicht des Beschwerdeausschusses gegen das Ansehen der Presse gemäß Ziffer 1 des Pressekodex. Die Redaktion hätte diese Bewertungsmöglichkeit für den Artikel vorab deaktivieren müssen. Anders schätzte der Ausschuss dies bei der Verwendung des „Gefällt mir“-Knopfs unter dem Foto eines Verkehrsunfalls mit Todesopfer ein. Der „Gefällt mir“-Knopf von Facebook wird vom überwiegenden Teil der Nutzer nicht wörtlich verstanden, sondern als neutrale Möglichkeit zur Bekundung von Interesse. Presseethisch ist er somit nicht zu beanstanden.
Die Ergebnisse: 7 öffentliche Rügen, 17 Missbilligungen, 42 Hinweise. 78 Beschwerden wurden als unbegründet erachtet.