Entscheidungen finden

Wie hat der Presserat entschieden?

Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.

Bitte beachten: Im Volltext abrufbar sind nur Entscheidungen mit den Aktenzeichen ab 2024, z.B. 0123/24/3!

Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.

Sie haben Fragen zu unseren Sanktionen? Hier finden Sie Erläuterungen.

 

Entscheidungsjahr
6642 Entscheidungen

Interview mit Geiselnehmern

Eine Boulevardzeitung berichtet über ein während der Tat mit den Geiselnehmern von Fulda/Driedorf geführtes Telefoninterview. Der Mitarbeiter der Zeitung befragt die Täter nach ihren Forderungen, wohin sie nach ihrer Flucht wollen, erkundigt sich nach dem Befinden der Geiseln und, in Anspielung auf das Geiseldrama von Gladbeck, ob ein ähnliches Ende wie dort zu erwarten sei. Ein Konkurrenzblatt veröffentlicht Passagen eines Interviews, das ein privater Fernsehsender über Autotelefon mit den flüchtigen Gangstern geführt hatte. Auch in diesem Gespräch werden die Gangster nach ihren Plänen und die Geiseln nach ihrem Befinden gefragt. Außerdem geht es um die im Autobefindliche Handgranate. Konkret heißt es in dem veröffentlichten Interview: »Haben Sie an der Handgranate den Stift schon gezogen?«. Eine Journalistin sieht in beiden Veröffentlichungen Verstöße gegen Ziffer 11 des Pressekodex und Richtlinie 11.5. Danach darf es Interviews mit Tätern während des Tatgeschehens nicht geben: Die Chefredaktion des ersten Boulevardblattes erläutert, dass der Mitarbeiter, der das Telefoninterview geführt hat, nicht gewusst habe, dass die Geisel-Gangster zwischenzeitlich das Fahrzeug eines Kameramannes des TV-Privatsenders gekapert hatten. Es sei nachvollziehbar, dass der Redakteur den Hörer nicht aufgelegt, sondern die in der Zeitung veröffentlichten vier Fragen gestellt habe. Es sei also ein zufälliges Gespräch gewesen, auf das allerdings in dem Moment des Geschehens kein Journalist verzichtet hätte. Die zweite Boulevardzeitung verweist darauf, dass dieser spektakuläre Fall in sämtlichen Medien ausführlich besprochen worden sei. Über eine Nachrichtenagentur sei die Redaktion davon unterrichtet worden, dass der private Fernsehsender einen der Verbrecher über Autotelefon im Fluchtwageninterviewte. Das Interview sei in der Agenturmeldung in Auszügen wiedergegeben worden. Auch die Pressestelle des Senders habe sämtliche Redaktionen unter gleichem Datum über das Interview unterrichtet. Der Sender selbst habe das Interview erstmals in die Öffentlichkeit gebracht. Die Zeitung reklamiert das Recht zum Abdruck dieses Interviews unter Verweis auf die Chronistenpflicht der Presse. Denn nach der öffentlichen Bekanntmachung habe keine Veranlassung mehr bestanden, nicht darüber zu berichten, dass ein solches Gespräch zwischen dem TV-Sender und den Verbrechern stattgefunden habe. Die Zeitung erwähnt schließlich, dass sie das Interview an einigen Stellen bewusst gekürzt habe. Die Kürzung sei erfolgt, um eine Heroisierung der Verbrecher zu vermeiden. (1994)

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Foto eines Unfallopfers

Falschinformation

In einem Kommentar nimmt eine Lokalzeitung zu einer Demonstration der örtlichen Antifaschisten für ein Jugendzentrum und zu Antifa-Aktionen in der Vergangenheit Stellung. U. a. wird die symbolische Verbrennung der Zeitung während der Demonstration beklagt. Der Autor bedauert, dass in den vergangenen Monaten Scheiben des Verlags- und Redaktionsgebäudes seiner Zeitung mehrfach eingeschlagen; die Gebäude mit Farbbeuteln verschmiert wurden. Die Täter seien unbekannt, aber eindeutig im Lager der Antifa zu suchen. Schließlich nimmt der Autor Anstoß an der Verwendung eines RAF-Emblems bei der Demo. Ein Leser beschwert sich beim Deutschen Presserat. Er sieht die antifaschistische Aktion in der Öffentlichkeit diskreditiert. Die Zeitung weist darauf hin, dass es bereits lange und heftig ausgetragene Meinungsverschiedenheiten zwischen der örtlichen Antifa und der Zeitung gebe. Der Vorwurf der Sachbeschädigung am Verlags- und Redaktionsgebäude beziehe sich auf Angaben der Polizei und ein Bekennerschreiben. (1994)

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Umfrage

Unter der Überschrift »Jude als Nachbar ungern gesehen - Umfrage: Jeder fünfte Deutsche äußert Abneigung« beschäftigt sich eine Lokalzeitung mit dem Ergebnis einer Umfrage, die ein Institut im Auftrag des Amerikanisch-Jüdischen Komitees veranstaltet hat. Nach dieser Umfrage hat mehr als jeder fünfte Deutsche eine mehr oder weniger negative Einstellung Juden gegenüber. Die Schlagzeile ist ohne Quellenangabe und ohne Anführungszeichen abgefasst. Als Quelle des Fließtextes ist eine Nachrichtenagentur benannt: In einem Kommentar unter der Überschrift »Unglaublich« äußert sich der verantwortliche Redakteur am selben Tag über die Aussagekraft des vorliegenden Umfrageergebnisses. In einer Kastenmeldung »An unsere Leser« weist der Verleger am folgenden Tag darauf hin, dass durch die Überschrift des Artikels der Eindruck entstanden sei, die Zeitung vertrete eine antisemitische Haltung. Er weist dies zurück, entschuldigt sich und teilt mit, dass der verantwortliche Redakteur zur Rechenschaft gezogen worden sei. Ein Leser bittet den Presserat um Prüfung, ob Überschrift und Text tatsächlich eine antisemitische Einstellung des Autors erkennen lassen. Er selbst ist der Ansicht, dass der Beitrag keine antisemitischen Stimmungen erzeugen kann. Verlag, Herausgeber und Chefredaktion geben zu, dass man in der Schlagzeile eine missdeutbare Meinungsäußerung sehen kann, die den Anschein entstehen lassen könnte, die Zeitung wende sich gegen Juden als Nachbarn. (1994)

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Schwarzarbeit

Unter der Überschrift »Job nicht angemeldet und doppelt abkassiert« berichtet eine Lokalzeitung über einen eklatanten Fall von Schwarzarbeit. Ein nicht namentlich genannter Teehändler soll nicht nur einen Arbeitslosen als Standverkäufer beschäftigt, sondern auf einer Baustelle weitere nicht gemeldete Arbeiter mit Jobs versorgt haben. Auch ein zweites Blatt am Ort schildert sinngemäß denselben Fall. Der betroffene Teehändler beschwert sich beim Deutschen Presserat. Unter Verweis auf eine bislang vergeblich geltend gemachte Gegendarstellung begründet er seine Beschwerde mit dem Hinweis, der Arbeitslosenhilfeempfänger sei bei ihm nur im Rahmen eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses tätig. Diese Arbeit sei sogleich dem Arbeitsamt und der Krankenkasse gemeldet und darüber hinaus ordnungsgemäß und pauschal versteuert worden. Aufgrund der Artikel werde er vor Ort diffamiert. Die eine Zeitung verweist auf die Entscheidungsgründe eines Landgerichts, welches das Gegendarstellungsverlangen des Beschwerdeführers zurückgewiesen hat. Das Gericht stützt seine Entscheidung darauf, dass sich die Gegendarstellung in einzelnen Punkten nicht auf tatsächliche Behauptungen beschränkt. Die zweite Zeitung trägt vor, der Beschwerdeführer sei lediglich mit dem Satz erwähnt worden »Sein Arbeitgeber soll ein Teehändler gewesen sein, bei dessen Hausbau er gemeinsam mit weiteren nicht angemeldeten Arbeitern ebenfalls mit Hand angelegt haben soll.« (1994)

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Gebrauch des Wortes »Ausländer«

»Kleiderdieben wird ihre Eitelkeit zum Verhängnis - Erkannt, weil sie Hemden aus der Beute trugen« lautet die Überschrift eines Polizeiberichts in einer Lokalzeitung. Der Autor schildert den Einbruch in eine Kleiderboutique und erwähnt dabei, dass »die beiden mutmaßlichen Einbrecher, zwei 19 und 20 Jahre alte Ausländer«, exklusive und ausgefallene Herrenhemden aus der Beute selbst angezogen hätten. Ein Ehepaar beanstandet in einer Beschwerde an den Deutschen Presserat die Formulierung "Ausländer«. Dies hält es für diskriminierend in einer Zeit, in der Ausländerfeindlichkeit leider zu unserem Alltag gehört. Wenn in einem Bericht mitgeteilt werde, dass der größte Teil der Beute in einer Asylunterkunft gefunden worden sei, müsse wohl auch zwingend erwähnt werden, dass es sich bei den mutmaßlichen Tätern um Ausländer handelt. So die Stellungnahme der Zeitung. (1994)

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Parteiprogramme

Eine Zeitschrift berichtet unter der Überschrift »Un-Heil über Deutschland« über Gewaltakte gegen Ausländer, verübt von Angehörigen der rechten Szene. Der Artikel stellt` fest, dass dahinter international vernetzte braune Strukturen stünden. Unter Bezug auf das Fernsehspiel »Die Bombe tickt« beschäftigt sich der Beitrag sodann mit Organisation, Medien, Finanzierung, Nachwuchs und Ziel nationalistischer Organisationen. Unter der Rubrik »Organisation« stellt die Zeitschrift fest: »Die DVU ... und die Republikaner mit 18.000 Mitgliedern dienen als Durchlauferhitzer«. Unter »Ziele« wird ausgeführt: »Rassengesetze und erbarmungslose Ausweisung fremdrassiger Elemente, ..., Wiedereinführung der Todesstrafe für gewisse asoziale Dreckstypen (Zitate aus Parteiprogrammen).« Ein Leser beschwert sich beim Deutschen Presserat. Die Ausführungen unter der Rubrik »Ziele« des Beitrags ließen beim Leser den Eindruck entstehen, »Rassengesetze und erbarmungslose Ausweisung fremdrassiger Elemente« sowie die »Wiedereinführung der Todesstrafe« könnten Parteiprogrammpunkte der Republikaner sein. Laut Parteiprogramm der Republikaner treffe dies gerade nicht zu. Die Rechtsabteilung des Verlags hält dagegen: Die Art und Weise der beispielhaften Darstellung von diversen »Zielen« rechtsgerichteter Gruppierungen erwecke nicht den unrichtigen Eindruck, die vom Beschwerdeführer im einzelnen zitierten Ziele seien (auch) Ziele der Republikaner. Bestätigt sieht sich der Beschwerdegegner auch dadurch, dass weder von den Republikanern noch irgendeiner anderen Gruppierung irgendeine Beanstandung gleicher oder ähnlicher Art gekommen sei. (1993)

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Namensnennung

Die Telefonistin einer Stiftung fühlt sich vom Vorsitzenden ihres Vorstandes sexuell belästigt. »Er griff mir an den Busen« lautet die Schlagzeile eines Berichts in einem Boulevardblatt über die Verhandlung ihres Falles vor dem Amtsgericht: Dabei wird der Beklagte, der seinerseits eine Widerklage auf Widerruf und Schmerzensgeld erhoben hat, mit vollem Namen genannt. Die Zeitung erwähnt seine Funktion als Ehrenvorsitzender eines Bundesverbandes, beschreibt ihn als Träger des Bundesverdienstkreuzes und militärischer Auszeichnungen und veröffentlicht sein Foto. In einem weiteren Beitrag über den »Prozess um Busengrapschen« wird wiederum der Name des Beschuldigten wiederholt genannt. Auch die Lokalzeitung am Ort berichtet unter der Überschrift »Der Chef soll ein Busengrapscher sein« über das laufende Verfahren. Diese Zeitung nennt ebenfalls Name und Alter des Betroffenen. Die Stiftung und ihr Vorsitzender rufen den Deutschen Presserat an. Sie monieren Fotoveröffentlichung und Namensnennung, sehen in den Überschriften beider Zeitungen eine Vorverurteilung. Die Überschrift sei deutlich als Zitat der Klägerin ausgewiesen, entgegnet das Boulevardblatt. Es rechtfertigt die Namensnennung damit, dass der Ehrenvorsitzende eines Bundesverbandes eine Repräsentationsfunktion habe und eine Identifikationsfigur sei. Die Lokalzeitung räumt ein, dass ihr bei der Abwägung zwischen dem Schutz der Persönlichkeit des Beschwerdeführers und dem öffentlichen Interesse an einer Person der Zeitgeschichte ein Fehler unterlaufen sei. Unter der Überschrift »Zeugin bezichtigte sich selbst der Falschaussage« berichtet die Zeitung später über den Ausgang des Prozesses. Der Beklagte wird nicht mehr mit Namen genannt. (1994/95)

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Illustration

Unter der Überschrift »Grausame Tierversuche« kündigt eine Zeitschrift den Leidensweg von 20 Äffchen im Physiologischen Institut einer deutschen Universität an. In einer Reportage in einer späteren Ausgabe wird über den Beschluss des Landtags berichtet, die umstrittenen Tierversuche zu genehmigen. Beide Beiträge sind mit Fotos von Makakenaffen illustriert, an denen Versuche durchgeführt werden, um zu erfahren, wie das Gehirn die Augenbewegungen steuert. Ein Vorstandsmitglied des Instituts schaltet den Deutschen Presserat ein. Der Professor beanstandet vor allem die Fotos beider Beiträge. Mit einer Ausnahme seien diese Fotos nicht in den Räumen des Instituts entstanden. Die dargestellten Verletzungen seien den vom, Institut gehaltenen Primaten nicht zugefügt worden. Die Redaktion entgegnet, es habe sich um vergleichbare Fotos von Tierversuchen gehandelt. Sie seien ausgewählt worden, um die Grausamkeit von Tierversuchen allgemein zu dokumentieren. Weder aus den Bildzeilen noch aus dem Lauftext ergebe sich, dass die Bilder in dem Institut aufgenommen seien. (1994)

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