Entscheidungen finden

Wie hat der Presserat entschieden?

Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.

Bitte beachten: Im Volltext abrufbar sind nur Entscheidungen mit den Aktenzeichen ab 2024, z.B. 0123/24/3!

Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.

Sie haben Fragen zu unseren Sanktionen? Hier finden Sie Erläuterungen.

 

Entscheidungsjahr
6642 Entscheidungen

Angeklagter vergiftet sich im Gerichtssaal

Der Ex-General Slobodan Praljak steht wegen Kriegsverbrechen vor Gericht. Während der Urteilsverkündung schluckt er Gift, bricht zusammen und stirbt wenig später im Krankenhaus. Die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung berichtet über den Fall und stellt die Frage, wie der rund um die Uhr bewachte Bosnier an das Gift gelangen konnte. Zum Artikel gestellt wurde unter anderem ein Video, das mittlerweile nicht mehr im Netz steht. Ein Leser der Zeitung kritisiert die Einbindung des Videos, das ohne Vorwarnung und ohne Altersfilter einen Suizid zeige. Kinder hätten so leichten Zugang zu dem Video. Der Chefredakteur der Zeitung beruft sich in seiner Stellungnahme auf das große öffentliche Interesse an dem Suizid des Kriegsverbrechers Praljak im Gerichtssaal des internationalen Kriegsverbrecher-Tribunals in Den Haag. Dementsprechend hätten alle Medien, so auch seine Zeitung, den Moment der Gifteinnahme gezeigt. Die gesamte Urteilsverkündung einschließlich der Gifteinnahme sei zuvor live im Fernsehen zu sehen gewesen. In dem kritisierten Video seien weder das Sterben noch der Tote gezeigt worden.

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Bericht über die Entlassung einer Managerin

Eine Regionalzeitung berichtet online über die Entlassung der namentlich genannten und mit Bild gezeigten Managerin des sächsischen Geoparks Porphyrland. Die Redaktion nennt Einzelheiten aus ihrem Lebenslauf. Der Vorsitzende des Trägervereins wird mit der Aussage zitiert, dass die Frau die in sie gesetzten Erwartungen nicht erfüllt habe. Bei der Außendarstellung des Geoparks, der Kontaktpflege mit Partnern und konzeptionellen Überlegungen seien die Sichtweisen auseinandergegangen. Beschwerdeführerin ist die Betroffene. Sie kritisiert, dass der Artikel Informationen über die Kündigung enthalte, die ihr persönlich weder schriftlich noch mündlich mitgeteilt worden seien. Der Artikel verletze durch Bild und Text ihre Persönlichkeitsrechte und mache ihr einen beruflichen Neuanfang schwer. Sie verstehe sich selbst nicht als Person des öffentlichen Lebens und betont, dass sie als Geopark-Managerin kein öffentliches Amt inne gehabt habe. Für die Zeitung antwortet deren Chefredakteur. Die Beschwerdeführerin sei Managerin einer für die Region bedeutenden Institution gewesen, die öffentlich gefördert werde und wiederholt im Fokus der regionalen Öffentlichkeit gestanden habe. Die Frau sei nicht nur Ansprechpartnerin, sondern auch Bestandteil der Berichterstattung gewesen. Die Leser – so der Chefredakteur weiter – hätten einen Anspruch darauf, zu erfahren, weswegen sich der Geopark von der Beschwerdeführerin getrennt habe. Die persönlichen Daten der Frau seien durch die bisherige Berichterstattung und Plattformen im Netz der Öffentlichkeit bekannt gewesen. Die Managerin habe die Zeitung gern für ihre Arbeit im Geopark genutzt. Die berufliche Trennung sehe die Zeitung als zeitgeschichtliches Ereignis. Der Chefredakteur kann nicht erkennen, weshalb über diesen Vorgang nicht berichtet werden dürfe.

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Redaktion schreibt einen Leserbrief um

Eine Regionalzeitung veröffentlicht mehrere Artikel über das Bündnis “Rosenheim nazifrei“. Insbesondere wird immer wieder die Zusammenarbeit des Vereins „Gesicht zeigen – Rosenheimer Bündnis gegen Rechts“ mit der „Infogruppe“ im Rahmen des Bündnisses thematisiert. Einer der Beiträge trägt die Überschrift „Graf schämt sich für Rosenheim“. Nach Ansicht der ehemaligen SPD-Bundestagsabgeordneten Angelika Graf habe die Stadt während einer Rede von Bundeskanzlerin Merkel kein gutes Bild abgegeben. Sie schäme sich als Rosenheimer Bürgerin wegen der Proteste der AfD und der lautstarken Störer während der Merkel-Rede. Im letzten Absatz heißt es über Angelika Graf: „Sie ist auch Vorsitzende des Vereins ´Gesicht zeigen – Rosenheimer Bündnis gegen Rechts´, der sich wiederum im Bündnis ´Rosenheim nazifrei´ engagiert. Diesem Bündnis gehört auch die sogenannte Infogruppe an, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird.“ Beschwerdeführerin in diesem Fall ist Angelika Graf. Sie teilt mit, sie habe einen Leserbrief zur Kundgebung der CSU mit Angela Merkel auf dem Rosenheimer Stadtplatz geschrieben. Darin habe sie die Stadt, die eine lautstarke Störung durch die AfD nicht verhindert habe, ins Visier genommen. Diesen Leserbrief habe die Redaktion zu einem Pressebericht „umgeschrieben“. An dessen Ende sei wieder ein Hinweis auf die Zusammenarbeit mit der Infogruppe und das Bündnis „Rosenheim nazifrei“ gegeben worden. (Die Beschwerde wurde nach der Vorprüfung beschränkt zugelassen auf den Umgang der Redaktion mit dem Leserbrief der Beschwerdeführerin.) Der verantwortliche Redakteur teilt mit, nach Ansicht der Redaktion untersage es der Pressekodex nicht, aus einem Leserbrief zu zitieren, zumal es hier um eine politisch engagierte Persönlichkeit des öffentlichen Lebens handele, deren Äußerungen von allgemeinem Interesse seien. Es widerspreche dem Kodex nicht, wenn eine Person des öffentlichen Lebens in einem redaktionellen Beitrag zitiert werde, der auf einer Zuschrift dieser Person fuße.

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Junger Syrer unter Vergewaltigungsverdacht

Eine Wochenzeitung veröffentlicht online einen Artikel unter der Überschrift „Syrer vergewaltigt Sozialarbeiterin im Dienst“. Der zwanzigjährige stehe unter dem Verdacht, eine Sozialarbeiterin, die ihn in ihrer beruflichen Eigenschaft in seiner Wohnung besucht habe, vergewaltigt zu haben. Die Nationalität des Tatverdächtigen wird in dem Beitrag viermal genannt. Ein Leser der Zeitung hält die Angabe der Nationalität des Verdächtigen nicht für zulässig und auch nicht für erforderlich. Die Überschrift sei zudem vorverurteilend. Die Redaktion nimmt zu der Beschwerde nicht Stellung.

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Schwunghafter Handel mit Crystal Meth

Drei schwule Männer werden in München festgenommen. Ihnen wird der Handel mit Crystal Meth vorgeworfen. Auf die Spur gekommen war die Polizei den dreien durch die Festnahme eines Drogenkuriers. Dieser – ebenfalls schwul - habe über mehrtägige ausschweifende Sexpartys in der Münchner Schwulenszene berichtet, bei denen Crystal Meth konsumiert worden sei. Eine Regionalzeitung berichtet über den Vorgang. In der Überschrift und Im Vorspann ist die Rede von einer „Münchner Gay-Schickeria“ bzw. einer „Münchner Schwulen-Schickeria“. Ein Leser der Zeitung sieht in der Berichterstattung eine Diskriminierung von Schwulen. Bewusst würden von der Redaktion überholte Begriffe eingesetzt. Auch der Hinweis auf die sexuelle Orientierung des Drogenkuriers gehe zu weit. Der Chefredakteur der Zeitung sieht die Berichterstattung als angemessen und korrekt an. Eine Diskriminierung nach Ziffer 12 des Pressekodex liege nicht vor. Die von der Redaktion verwendeten Begriffe spielten im Zusammenhang mit den Festnahmen und den mutmaßlichen Taten eine bedeutende Rolle. Dies sei das Umfeld, in dem der schwunghafte Rauschgifthandel stattgefunden habe. Die Redaktion habe den Crystal-Meth-Handel in München an bestimmten Plätzen durch Täter einer bestimmten Gruppe thematisiert. Insofern sei es auch angebracht gewesen, bei einem der Drogenschmuggler, die der Polizei ins Netz gegangen seien, von einem „Homosexuellen“ zu sprechen, weil dies mit den Taten und dem Umfeld, in dem sie geschehen seien, in direktem Zusammenhang stehe.

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Junge Mädchen zum Einbrechen geschickt

Unter der Überschrift „Wie Kommissar Bergmann auf einen Schlag Tausende Einbrüche aufklärte“ berichtet eine Sonntagszeitung über Ermittlungen der Polizei, die zur Sprengung eines Einbrecher-Clans führten. Dieser soll zehntausende Einbrüche in Deutschland begangen haben. Ein Roma-Clan habe junge Mädchen aus Kroatien nach Deutschland geschickt, die hier Wohnungen aufgebrochen hätten. Die Redaktion berichtet über ein Gespräch mit dem Münchner Chef-Ermittler in dieser Angelegenheit. Im Artikel ist von „drei kroatischen Roma-Mädchen“ die Rede. Zitat des Ermittlers: „Es geht hier nicht darum, eine spezielle Volksgruppe zu diffamieren. Aber wir mussten feststellen, dass dieser Roma-Clan über seine eigenen Parallel-Strukturen verfügt: Probleme werden immer innerhalb des Clans geregelt, es gibt eigene Gerichte und Gesetze.“ Die Justiziarin des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma wendet sich gegen die Nennung der ethnischen Zugehörigkeit der Beschuldigten und sieht darin einen Verstoß gegen Ziffer 12, Richtlinie 12.1 des Pressekodex (Diskriminierungen bzw. Berichterstattung über Straftaten). Ein begründetes öffentliches Interesse, das die Erwähnung der Minderheitenzugehörigkeit rechtfertigen könnte, liege nicht vor. Einbruchsdiebstahl sei ein allgemeiner Straftatbestand, der von allen Bevölkerungsgruppen begangen werde. Der Hinweis auf die Abstammung bewirke, dass bestehende negative Vorurteile gegenüber Minderheiten bestätigt würden. Der Chefredakteur der Zeitung weist die Vorwürfe des Zentralrats zurück. Nach einer Hochrechnung der Münchner Polizei seien bis zu 30.000 Wohnungseinbrüche auf das Konto des Roma-Clans aus Kroatien gegangen und das nur im Jahr 2016. Diese Masse an Verbrechen sei nur möglich gewesen, weil die Tatverdächtigen über ihre eigenen Roma-Parallel-Strukturen, eigene Roma-Gesetze und sogar über Roma-Dokumente außerhalb des geltenden Rechtsstaats verfügten. Deshalb seien diese Fakten für die mediale Berichterstattung relevant und von öffentlichem Interesse.

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Von „Verbrechern“ und einer „Krawall-Barbie“

Die Hamburger Polizei fahndet nach mutmaßlichen G20-Straftätern. Die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung berichtet darüber mit zwei Beiträgen. Deren Überschriften lauten „Was droht diesen G20-Verbrechern?“ und „Wer kennt diese G20-Verbrecher?“. Die Zeitung veröffentlicht vier Fotos von mutmaßlichen Straftätern, die sie von der Hamburger Polizei übernommen hat. Anhand von Fragen und Antworten erklärt sie, was „den Tätern droht, wenn sie geschnappt werden.“ Die gedruckte Zeitung berichtet ebenfalls über die Fahndung und titelt „So jung, so voller Hass: Polizei sucht diese Krawall-Barbie“. Auf der Titelseite druckt sie eines der Fahndungsfotos der Polizei, das unverpixelt eine junge Frau mit bauchfreiem Top zeigt. Im Innenteil veröffentlicht die Redaktion 16 weitere unverpixelte Fotos von „Elbchaussee-Randalierern“, „Plünderern“, und „Steine- und Flaschenwerfern“. Auch die „Krawall-Barbie“ taucht hier wieder auf. Über diesem Beitrag steht die Überschrift „G20-Chaoten, Ihr kommt nicht davon!“ Mehrere Beschwerdeführer kritisieren die Abbildung der „Krawall-Barbie“ als Verstoß gegen presseethische Grundsätze. Einer meint, die Veröffentlichung von Fahndungsfotos in einer reißerischen Aufmachung verstoße gegen das Persönlichkeitsrecht der Betroffenen. Es handele sich quasi um eine Vorverurteilung. Ein Beschwerdeführer kritisiert einen der Artikel, weil dort Personen gezeigt und als Verbrecher bezeichnet würden, obwohl die Bereitstellung der Bilder auf Verdachtsmomenten beruhe und keine dieser Personen bereits verurteilt worden sei. Auch sei anzunehmen, dass Minderjährige unter den Abgebildeten seien. Der Chefredakteur der Zeitung verweist auf ein früheres Presserats-Verfahren. Seinerzeit habe die Redaktion dargelegt, warum sie die Berichterstattung über Ausschreitungen während des G20-Gipfels in Hamburg, also über Straftaten in aller Öffentlichkeit vor den Augen der Welt in einem noch nie dagewesenen Ausmaß, für pressethisch zulässig hielten und halten. Schon damals habe der Presserat die Auffassung der Redaktion geteilt und für zulässig erachtet. Beanstandet worden sei die Berichterstattung nur wegen der angeblichen Prangerwirkung. Zitat: „Es gehört nicht zur Aufgabe der Presse, selbständig nach Bürgern zu fahnden, ohne dass ein offizielles Fahndungsersuchen der Staatsanwaltschaft vorliegt.“ Genau das sei aber jetzt der Fall, so der Chefredakteur.

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Das Fahndungsfoto einer Minderjährigen

Eine Regionalzeitung veröffentlicht einen Beitrag unter der Überschrift „Erste Erfolge nach G20-Fahndung: Sechs Verdächtige identifiziert“. Es geht um Fahndungserfolge der Hamburger Polizei, die im Netz Fotos von Personen veröffentlicht hatte, nach denen sie wegen einer möglichen Beteiligung an Straftaten bei den G20-Protesten gefahndet habe. Einige Personen habe die Polizei identifiziert – darunter eine 17 Jahre alte Hamburgerin, die „mit bauchfreiem Oberteil und auffällig geschminkt an der Randale beteiligt gewesen sein soll.“ Die Zeitung veröffentlicht das Fahndungsfoto dieser 17-Jährigen mit Augenbalken ebenso, wie die verfremdeten Bilder von fünf weiteren Verdächtigen. Der Beschwerdeführer in diesem Fall sieht Richtlinie 13.3 des Pressekodex (Straftaten Jugendlicher) verletzt. Die Veröffentlichung des Fotos einer 17-jährigen mutmaßlichen Straftäterin sei pressethisch nicht vertretbar. Gerade im Umgang mit minderjährigen Tatverdächtigen sollte eine besondere Sorgfalt gelten. Für die Zeitung antwortet deren Leiterin Content Management. In der Redaktion sei sehr intensiv darüber diskutiert worden, wie sie mit G20-Fahndungsfotos umgehen solle. Sie habe sich entschlossen, einen Teil des umfangreichen Foto- und Videomaterials zu veröffentlichen. Der Redaktion sei klar gewesen, dass die Medien in diesem Fall eine besondere Verantwortung hätten. Es sei ein Fehler gewesen, die Verdächtige noch einen Tag lang im Bild zu zeigen, nachdem sie sich der Polizei gestellt habe.

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Unbewiesene Tatsachenbehauptung

In der Online-Ausgabe einer überregionalen Tageszeitung erscheint ein Beitrag unter der Überschrift „Heilpraktiker – Gefahr oder Segen?“ Im Artikel geht es um die Kritik der Schulmedizin an Heilpraktikern. Der Autor schreibt, Patienten trauten sich of nicht, gegen Heilpraktiker vorzugehen. Deshalb gebe es eine erhebliche Dunkelziffer im Hinblick auf Zwischenfälle bei Behandlungen. Die Beschwerdeführerin, die einen Homöopathen-Verband vertritt, wendet sich gegen die Berichterstattung. Die Aussage, Patienten trauten sich oft nicht, gegen Heilpraktiker vorzugehen, sei eine unbelegte Tatsachenbehauptung. Der Chefredakteur der Zeitung teilt mit, es wäre wohl besser gewesen, das zitierte „oft“ durch ein „wohl“ zu relativieren. Gleichzeitig sei aber klar, dass es Dunkelziffern gebe, die nicht genau beziffert werden könnten. Der Chefredakteur zitiert eine Medizinrechtlerin: „Es gibt eine hohe Dunkelziffer. Patienten schämen sich, wenn sie entdecken, dass sie betrogen wurden. Sie denken, sie seien selbst schuld. Oder sie sterben im Glauben, das Richtige getan zu haben.“

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Den Namen des Kamin-Protestierers genannt

„Außerdem war da 2017 auch noch…“ lautet die Überschrift zu einem Artikel, in dem eine Lokalzeitung auf örtliche Ereignisse zurückkommt, die sich im zu Ende gehenden Jahr zugetragen haben. Dabei werden auch der volle Name und der Beruf eines Mannes genannt, der durch eine Protestaktion auf dem Kamin eines ehemaligen Firmengebäudes im März 2017 auf seine Kritik an einem Investorenauswahlverfahren aufmerksam gemacht habe. Ein Leser wendet sich mit einer Beschwerde an den Presserat. Er sieht durch die Nennung des Namens des Mannes dessen Persönlichkeitsrecht verletzt. Der Beschwerdeführer weist darauf hin, dass der Name in der Erstveröffentlichung nicht genannt worden sei. Die Zeitung nimmt zu der Beschwerde nicht Stellung.

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