Wie hat der Presserat entschieden?
Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.
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6642 Entscheidungen
„Mann stößt Frau vor U-Bahn – Verdächtiger kommt in psychiatrische Klinik“ und „Mann stößt 20-Jährige mit Anlauf vor U-Bahn“ – unter diesen Überschriften berichtet eine überregionale Zeitung gedruckt und online an zwei Tagen über ein Verbrechen in einem Berliner U-Bahnhof. Zeugen hätten den Mann festgehalten und der Polizei übergeben. Einem Gutachten zufolge gebe es – so die Zeitung weiter – Anzeichen für eine erheblich geminderte bis aufgehobene Schuldfähigkeit. Deshalb sei er in einer psychiatrischen Einrichtung untergebracht worden. Über den Mann berichtet die Zeitung, dass er 28 Jahre alt und in Hamburg geborener Iraner sei. Laut Staatsanwaltschaft habe er vor 15 Jahren eine „erhebliche Straftat“ begangen. In jüngster Zeit habe es mehrere Verfahren gegen ihn gegeben. Er habe unter Betreuung gestanden. Ein Leser der Zeitung sieht Ziffer 12 des Pressekodex (Diskriminierungen) verletzt. Es sei nicht erkennbar, inwiefern die Erwähnung der iranischen Staatsangehörigkeit des vor 28 Jahren in Deutschland Geborenen für das Verständnis der Tat oder ihre Hintergründe hilfreich sein könnte. Die Rechtsabteilung des Verlages widerspricht dem Vorwurf. Bei der Erwähnung der Herkunft des Täters handele es sich nicht um eine unreflektierte Übernahme einer polizeilichen Mitteilung, sondern um das Ergebnis praktizierter redaktioneller Sorgfalt. Generell sehe sich die Presse seit den Ereignissen der Kölner Silvesternacht in einem Spannungsfeld: Einerseits die Anforderungen des Pressekodex (keine Nennung ethnischer Hintergründe). Andererseits die immer stärkere Kritik aus der Bevölkerung, wenn vermeintlich interessierende ethnisch/politische Hintergründe Verdächtiger nicht erwähnt werden. Natürlich habe sich auch die Redaktion dieser Zeitung Gedanken gemacht, um für die Nach-Köln-Berichterstattung eine Lösung zu finden, die ihrem eigenen Grundverständnis entspreche und die die Vorgaben des Pressekodex einhalte. Das Ergebnis: Jeder Einzelfall werde gesondert bewertet. Bei schweren Gewalttaten bestehe lediglich die Tendenz, den Hintergrund des Verdächtigen zu nennen. Im vorliegenden Fall – so die Rechtsvertretung weiter – sei die Redaktion nach sorgfältiger Abwägung zu dem Schluss gekommen, dass man kodex-konform über die Nationalität des Verdächtigen berichten könne.
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„Fahrgäste retten Frau im Regionalexpress vor sexuellem Übergriff“ – so überschreibt die Online-Ausgabe einer Regionalzeitung einen Bericht, demzufolge eine Frau auf der Zug-Toilette von einem Mann aus Südosteuropa bedrängt worden sei. Die Zeitung schreibt: „Der Zuwanderer lebte im Raum Dortmund, sein aufenthaltsrechtlicher Status wird zurzeit geklärt.“ Zwei Beschwerdeführer stehen auf dem Standpunkt, die Zeitung habe gegen Ziffer 12 des Pressekodex (Diskriminierung) verstoßen. Die Nennung der Herkunft des Mannes habe genauso wenig etwas mit der Tat zu tun, wie sein ungeklärter Aufenthaltsstatus. Der Redaktionsleiter verteidigt die Nennung von Herkunft und Status. Es handele sich nicht um eine Straftat, für die es Dutzende von Beispielen gebe. Es sei also gerechtfertigt, die Herkunft zu nennen. Seit den Ereignissen in der Silvesternacht in Köln und anderswo sei es klar, dass es zwischen sexuell motivierten Straftaten und der Herkunft der Täter einen begründbaren Sachbezug geben könne. Der Einwand, der Täter komme nicht aus Nordafrika, sondern aus Südosteuropa, ziehe nicht. Er verweise nämlich nur auf die Tatsache, dass das bislang veröffentlichte Wissen über Täter und Hintergründe von Straftaten lückenhafter ist als es der Gesamtgesellschaft bewusst sei.
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Unter dem Titel „Mit der Kraft der Natur abnehmen“ veröffentlicht eine Programm-Zeitschrift ein Interview mit dem Inhaber eines Unternehmens, das ein Mittel zum Abnehmen herstellt. Der Interview-Partner erhält im Verlauf des Gesprächs die Gelegenheit, sein Produkt und seine Wirkungsweise ausführlich und positiv zu beschreiben. Am Ende der Berichterstattung ist ein Produktfoto abgedruckt. Ein Leser der Zeitschrift sieht Ziffer 7 des Pressekodex (Trennung von Werbung und Redaktion) verletzt. Er vermutet, dass die Veröffentlichung bezahlt worden sei. Sie enthalte anpreisende Formulierungen. Mit der Aufmachung als Interview und den Fragestellungen werde eine nicht gegebene neutrale bzw. kritische Berichterstattung suggeriert. Dem widerspricht die Rechtsvertretung der Zeitschrift. Sie bezeichnet die an den Firmenchef gestellten Fragen als kritisch und objektiv. Die Antworten seien so übernommen worden, wie der Gesprächspartner sie gegeben habe. Die Veröffentlichung sei unter Wahrung der redaktionellen Unabhängigkeit erfolgt. Der Beitrag sei nicht bezahlt worden. Auch seien sonstige Vermögensvorteile nicht gewährt worden. Die Äußerungen hätten bei den Lesern keine Werbewirkung, da sie wüssten, dass diese von einem Firmenchef und nicht von der Stiftung Warentest stammten. Selbstverständlich müssten auch Interviews mit Firmenchefs möglich sein. Der kritisierte Beitrag enthalte weder werbliche Botschaften noch andere Werbeelemente. Das Produktfoto sei abgedruckt worden, damit der Leser wisse, von welchem Abnehm-Mittel in dem Interview die Rede sei.
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In einer Regionalzeitung erscheint unter dem Leit-Thema „Das geschah 2009“ aus Anlass des Jubiläums des 150-jährigen Bestehens der Zeitung eine Jahreschronik. Unter der Zwischenüberschrift „Regional“ erwähnt die Redaktion, dass 2009 ein damals 38-jähriger – im Bericht namentlich genannter - Mann seine Ehefrau (46) und seine Tochter (7) mit mehr als 150 Messerstichen getötet habe. Der Mann sei zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt worden. Der verurteilte Täter ist in diesem Fall der Beschwerdeführer. Er hält die Berichterstattung mit dem Pressekodex nicht vereinbar. Die Erwähnung seines Namens wirke sich negativ auf sein Fortkommen im Rahmen seiner derzeitigen, bereits sehr weit fortgeschrittenen Resozialisierung aus. Der Chefredakteur Online der Zeitung nimmt zu der Beschwerde Stellung. Der Mord an Frau und Tochter sei einer der aufsehenerregendsten in der Geschichte der Region gewesen. Viele Menschen in der Stadt und in ihrem Umkreis verbänden mit dem Namen des Mannes die Morde von 2009. Die Taten seien als Teil der regionalen Zeitgeschichte anzusehen. Die Behauptung des Beschwerdeführers, seine Resozialisierung sei „bereits sehr weit fortgeschritten“, kommentiert der Chefredakteur mit dem Hinweis, dass sich der Mann nach wie vor im geschlossenen Vollzug befinde.
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„Bad Aibling – Video zeigt schockierende Szenen nach der Kollision“ überschreibt eine Boulevardzeitung online ihren Bericht über die Filmaufnahmen eines Augenzeugen von der Eisenbahnkollision im Februar 2016. Dieser saß in einem der beiden Züge und hat unmittelbar nach dem Zusammenstoß mit seiner Kamera ein Video gedreht. „Menschen liegen verletzt am Boden des Zuges, man hört schmerzerfülltes Wimmern und blickt in schockierte Gesichter“ – so beschreibt die Redaktion den Video-Inhalt. Sie stellt ihren Lesern den Film zur Verfügung und weist ihnen den Weg, um ihn auf Youtube anzuschauen. Er ist 8:37 Minuten lang; als Quelle gibt die Redaktion „Marcello Collio“ an. Der Beschwerdeführer – ein Leser der Zeitung – sieht mehrere Ziffern des Pressekodex verletzt. Es sei nicht in Ordnung, verletzte und hilflose Menschen unverpixelt in einem öffentlich zugänglichen Medium zu präsentieren. Der Leiter der Online-Ausgabe berichtet von einer intensiven Diskussion, die der Veröffentlichung in der Redaktion vorangegangen sei. Eine Rolle habe dabei gespielt, dass die Tagesschau schon am Unglückstag eine Sequenz aus dem Video ausgestrahlt habe. Letztlich habe sich die Redaktion trotz vieler Bedenken zur Veröffentlichung entschlossen. Es sei ihr darum gegangen, das außerordentliche Ereignis – das schwerste Eisenbahnunglück in Deutschland seit vierzig Jahren – rational greifbar zu machen. Die Redaktion habe das Video nicht einfach ins Netz gestellt, sondern mit einem einordnenden Text versehen. Der Film könne zudem nur durch aktives Vorgehen des Nutzers gestartet werden. Es liege an ihm, ob er das Video sehen wolle oder nicht.
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Die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung berichtet unter der Überschrift „Elias (6) wurde von Silvio S. missbraucht und stranguliert“ über den Mord an einem kleinen Jungen. Die Ermittler hätten die Leiche des Kindes im Garten des geständigen Täters in einem Paket gefunden. Elias habe das furchtbare Schicksal des kleinen Mohammed geteilt, der ebenfalls von Silvio S. entführt, missbraucht und umgebracht worden sei. Ein Foto im Artikel zeigt die Polizeiabsperrung rund um den Fundort der Leiche. Weitere Bilder zeigen den mutmaßlichen Täter und seine Opfer. Der Beschwerdeführer – ein Leser der Zeitung – stellt fest, der Artikel sei in Wort und Bild an Pietätlosigkeit nicht zu überbieten. Es sei geradezu ekelhaft, dass die Zeitung auch noch stolz von der Exklusivität ihrer Informationen spreche. Die Rechtsvertretung der Zeitung weist die Vorwürfe zurück. Die Redaktion stelle die Fakten der grausamen Verbrechen an den minderjährigen Opfern sowie das Obduktionsergebnis des kleinen Elias wahrheitsgetreu und unverfälscht dar. Sämtliche Informationen der Berichterstattung entstammten den offiziellen Ermittlungserkenntnissen und Presseinformationen der Polizei und der Staatsanwaltschaft. Das berichtete Geschehen sei von überragendem öffentlichem Interesse. In der Abwägung zwischen der grundgesetzlich garantierten Informationsfreiheit und dem Anonymitätsinteresse des Täters müsse in einem solchen Fall letzteres zurückstehen. Auch die Abbildung der Opfer sei zulässig. Deren Fotos seien bei der deutschlandweiten Fahndung über Monate hinweg veröffentlicht worden. Den Vorwurf der Pietätlosigkeit weist die Zeitung ebenfalls zurück. Die Berichterstattung habe sich ausschließlich an den Fakten orientiert. Diese ließen eine beschönigende und realitätsverzeichnende Darstellung nicht zu.
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Drei Mitglieder der Kölner Hooligan-Gruppe „Wilde Horde“ müssen sich vor Gericht verantworten, wie eine Boulevardzeitung gedruckt und online berichtet. Die Männer sind angeklagt, weil sie nach einem Fußballspiel mit drei Autos einen mit Fans der gegnerischen Mannschaft besetzten Bus von der Fahrbahn abdrängten. Auf einem Rastplatz haben sie dann die etwa fünfzig Businsassen mit Stangen, Steinen und einem Betonklotz angegriffen. Die Zeitung berichtet, dass die Angeklagten die Tat zugegeben hätten. Zwei von ihnen drohe eine Verurteilung von bis zu drei Jahren Haft wegen Nötigung. Der dritte Angeklagte sehe einer Verurteilung von bis zu zehn Jahren wegen besonders schweren Landfriedensbruchs entgegen. Die Männer werden von der Zeitung mit Vornamen, abgekürztem Nachnamen, Alter und Beruf genannt. Der Artikel enthält drei Porträtfotos der Angeklagten. Mehrere Beschwerdeführer kritisieren die Berichterstattung, weil sie einen Verstoß gegen Ziffer 8 des Pressekodex (Schutz der Persönlichkeit) zu erkennen glauben. Den Angeklagten werde kein Kapitalverbrechen zur Last gelegt. Die Tat sei über drei Jahre her. Der Abdruck von unverfremdeten Porträt-Fotos widerspreche dem Pressekodex. Der Schutz der Persönlichkeit habe einen höheren Wert als das Interesse der Öffentlichkeit an der identifizierenden Darstellung der beteiligten Personen. Auch eine Resozialisierung werde durch die ungepixelte Darstellung der Betroffenen erschwert. Die Rechtsabteilung der Zeitung erklärt, dass der kritisierte Beitrag die Aburteilung eines der schlimmsten Ausbrüche von Hooligan-Gewalt in der deutschen Fußball-Geschichte schildere. Über den Strafprozess werde jetzt aktuell berichtet. Vor diesem Hintergrund sei der Vorwurf, die Tat liege zu lange zurück, als dass noch über sie berichtet werden dürfe, geradezu absurd. Dem Vorwurf, die Tat sei kein Kapitalverbrechen und deshalb eine identifizierende Berichterstattung per se unzulässig, liege ein grundsätzliches Missverständnis zugrunde. Nach Richtlinie 8.1, Absatz 2, des Pressekodex dürfen Fotos der Beteiligten veröffentlicht werden, wenn das Interesse der Öffentlichkeit im Einzelfall die Interessen von Betroffenen überwiegt. Für ein überwiegendes Interesse der Öffentlichkeit spreche, wenn es – wie in diesem Fall - um eine außergewöhnlich schwere Straftat gehe, die in aller Öffentlichkeit verübt worden sei. Es sei falsch, dass der Beitrag die Angeklagten denunziere. Alle drei hätten die Tat zugegeben und umfassende Geständnisse abgelegt.
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Die Polizei ermittelt gegen einen 31-jährigen Mann wegen Vergewaltigung und gefährlicher Körperverletzung. Er befindet sich in U-Haft, berichtet eine Online-Zeitung unter Berufung auf Mitteilungen von Polizei und Staatsanwaltschaft. Nach bisherigen Ermittlungen habe der Verdächtige eine Frau von hinten angegriffen, in ein Gebüsch gezerrt und dort missbraucht. Bei der Haftprüfung soll er widersprüchliche Angaben gemacht haben. Die Zeitung berichtet weiter, bei dem mutmaßlichen Täter handele es sich um einen Asylbewerber aus Marokko. Ein Leser des Blattes sieht in der Berichterstattung einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot nach Ziffer 12 des Pressekodex. Die Nationalität des mutmaßlichen Täters werde genannt, obwohl kein Zusammenhang mit der Tat bestehe. Der Beschwerdeführer weist auf die angespannte Lage durch die Flüchtlingskrise hin. In den Facebook-Kommentaren auf der Website der Zeitung finde sich die entsprechende rechte Hetze. Die Rechtsvertretung der Zeitung beruft sich auf die wahrheitsgemäße Berichterstattung und auf die Polizei als Quelle. Der beanstandete Beitrag enthalte keinerlei diskriminierende Äußerungen gegen marokkanische Staatsbürger oder sonstige ethnische, religiöse, soziale oder nationale Gruppen. Erwähnt werde nur die Staatsangehörigkeit des Tatverdächtigen. Der Anwalt der Zeitung verweist im Übrigen auf den Kommentar von Prof. Horst Pöttker in der „Zeit“. Darin hatte dieser die Abschaffung der Richtlinie 12.1 (Berichterstattung über Straftaten, Nennung der Zugehörigkeit der Täter oder Verdächtigen zu religiösen, ethnischen oder anderen Minderheiten) gefordert.
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Eine Programmzeitschrift berichtet über das so genannte Darknet, „die dunkle Seite des Internets“, über das sich Kriminelle mit Drogen, Waffen, gefälschten Pässen etc. austauschen. Eine Leserin sieht in dem Artikel eine Anleitung zur Kriminalität und damit einen Verstoß gegen Ziffer 11 des Pressekodex (Sensationsberichterstattung, Jugendschutz). Die Rechtsvertretung der Zeitschrift widerspricht der Beschwerde und vermag aus ihrer Sicht einen Verstoß gegen presseethische Grundsätze nicht zu erkennen. Der Autor beschreibe sachlich und ausgewogen die verschiedenen Nutzungsmöglichkeiten eines anonymisierten Internet-Netzwerkes, das unter dem Namen „Darknet“ bekannt sei. Im Beitrag werde vor kriminellen Nutzungsmöglichkeiten gewarnt. Diese würden keineswegs verharmlost. Auch werde im Beitrag nicht zur Nutzung des Netzes für kriminelle Aktivitäten aufgerufen. Die im beigestellten Info-Kasten enthaltene „Nutzungsanleitung“ finde man in ähnlicher Form in einer Vielzahl frei zugänglicher Informationsquellen, wie etwa Wikipedia. Personen mit krimineller Energie seien – so die Rechtsvertretung weiter – nicht auf die Berichterstattung in den Medien angewiesen. Sie nutzten andere Kanäle. Mit ihrer Berichterstattung komme die Zeitschrift der Aufgabe der Medien nach, über Hintergründe, Nutzung und Missbrauch von Netzwerken im Internet zu informieren, aufzuklären und zu warnen.
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Bei einem schrecklichen Autounfall sterben zwei Kinder. Der Vater der beiden wird schwer verletzt. Die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung titelt: „Vater (46) rast seine beiden Kinder (4,5) in den Tod“. Ein Polizeisprecher wird mit den Worten zitiert: „Wir ermitteln in alle Richtungen. Auch ein Suizidversuch kann nicht ausgeschlossen werden.“ Der Wagen war von der Straße abgekommen und gegen zwei Bäume geprallt. Der Beitrag ist mit vier Fotos des zerstörten Autos bebildert. In einer Bildunterschrift heißt es: „Der Vater war offenbar mit voller Absicht gegen einen Baum gerast.“ Ein Leser der Zeitung kritisiert die Berichterstattung. Ihn stört vor allem, dass die Redaktion ohne jegliche Belege einen erweiterten Suizid als wahrscheinlich darstelle. Für erweiterte Suizide gelte genauso wie für einfache Selbsttötungen die Wirksamkeit des sogenannten Werther-Effekts. Für den geringen Nachrichtenwert, den diese spekulative und sensationsheischende Berichterstattung habe, werde das Leben von potentiellen Nachahmern gefährdet. Der Beschwerdeführer sieht einen Verstoß gegen den Pressekodex. Die Rechtsvertretung der Zeitung widerspricht der These vom geringen Nachrichtenwert des Berichteten. Es gehe hier um den grauenvollen Fall eines Doppelmordes. Die Staatsanwaltschaft werfe dem Mann „das schlimmste aller denkbaren Verbrechen“ vor, begangen an den eigenen Kindern. Es stehe außer Frage, dass die Zeitung darüber habe berichten dürfen. Von sensationsheischender Berichterstattung könne keine Rede sein. Das überragende Informationsinteresse an dem Unglück belege schon der Umstand, dass sämtliche Medien in der Region – gedruckt und online – darüber berichtet hätten.
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