Entscheidungen finden

Wie hat der Presserat entschieden?

Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.

Bitte beachten: Im Volltext abrufbar sind nur Entscheidungen mit den Aktenzeichen ab 2024, z.B. 0123/24/3!

Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.

Sie haben Fragen zu unseren Sanktionen? Hier finden Sie Erläuterungen.

 

Entscheidungsjahr
6642 Entscheidungen

Redaktion gibt „Material-Vermengung“ zu

„Mann flüchtet mit aufgespießtem Roller“ - unter dieser Überschrift berichtet eine Boulevardzeitung in Form eines Videos über einen Verkehrsunfall in Berlin. Der Film zeigt die Unfallstelle sowie eine Szene vom Abtransport eines Verletzten bzw. einer Reanimation. Ein Leser der Zeitung kritisiert, der Beitrag erwecke den Eindruck, das Unfallopfer sei wiederbelebt worden. Die Videosequenz mit der Herzdruckmassage stamme jedoch nicht von dem Einsatz. Die Versorgung sei deutlich weniger spektakulär gewesen. Auch das Bild von der Unfallstelle stamme von einem anderen Einsatz. Der Beschwerdeführer teilt mit, er selbst sei der behandelnde Arzt bei dem Rollerunfall gewesen. Die Rechtsabteilung der Zeitung gibt dem Beschwerdeführer Recht. Das Video habe ursprünglich eine aus anderem Videomaterial stammende Wiederbelebungs-Szene enthalten – dies aber ohnehin nur in stark verpixelter Form. Offenbar sei das Material aufgrund unzureichender Verschlagwortung in der Redaktion falsch zugeordnet worden. Der externe Anbieter habe sowohl zum „aufgespießten Roller“ als auch zu einem Messerangriff vom selben Tag Bewegtbilder auf den Server der Zeitung hochgeladen. In der Folge sei es zu einer bedauerlichen Vermengung der beiden berichteten Ereignisse gekommen, für die die Redaktion sich nur entschuldigen könne. Nachdem die Redaktion den Fehler erkannt habe, sei dieser – noch vor dem Eintreffen der Beschwerde – korrigiert worden.

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Zeitung gibt Zitat korrekt wieder

Eine Boulevardzeitung veröffentlicht online einen Beitrag unter der Überschrift „Sechs Corona-Fälle an Schule in Münster“. Vier Schüler und zwei Lehrer seien infiziert worden. Der Artikel enthält die in Anführungszeichen gesetzte Aussage: „Egal wie – offenbar haben sich Personen nicht an die Schutzregeln gehalten“. Ein Leser kritisiert diese Aussage. Sie sei unhaltbar, weil eine Infektion auch möglich sei, wenn man die Schutzregeln beachte. Die Zeitung nimmt zu der Beschwerde nicht Stellung.

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Zeitung zeigt Video vom Tode George Floyds

Der gewaltsame Tod des Afroamerikaners George Floyd, der bei seiner Festnahme von einem Polzisten mit dem Knie zu Boden gedrückt wurde und an den Folgen starb, ist Thema in der Online-Version einer Boulevardzeitung. Die Redaktion zeigt die Szene und dabei auch das Gesicht des gequälten Mannes. Vorab hat die Redaktion diesen Warnhinweis platziert: „Achtung, die folgenden Bilder können verstörend wirken“. Zwei Leser der Zeitung reagieren auf die Veröffentlichung mit einer Beschwerde. Sie kritisieren die Videoaufnahmen, die zeigten, wie ein Mensch zu Tode gequält werde. Weder das Gesicht des Opfers noch das des Täters seien verpixelt worden. Der Presserat beschränkt das Verfahren auf das Video und auf Ziffer 11 (Sensationsberichterstattung/Jugendschutz) des Pressekodex. Begründung: An der identifizierenden Berichterstattung über George Floyd besteht zweifelsfrei ein öffentliches Interesse. Auch das Foto des sterbenden Floyd ist von zeitgeschichtlicher Bedeutung. Der Chefredakteur der Zeitung antwortet auf die Beschwerden. Es freue ihn einerseits, dass die Beschwerden auf einen Verstoß gegen Ziffer 11 „zurechtgestutzt“ worden seien. Andererseits frage er sich, wie das von seiner Redaktion gezeigte Video wegen angeblich zu sensationeller Berichterstattung ernsthaft kritisiert werden könne. Es wäre richtig gewesen, die Beschwerden gleich komplett zurückzuweisen. Das stark verkürzt gezeigte Video sei ein zeitgeschichtliches Dokument eines Vorgangs, der in der ganzen Welt Aufsehen erregt und eine innenpolitische Krise in den USA zur Folge gehabt habe. Es wäre presseethisch nicht vertretbar gewesen, den Nutzern der Online-Version der Zeitung dieses Dokument vorzuenthalten.

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Polizeibeamter ein „gnadenloser Killer“

„Frau des Killer-Polizisten reicht Scheidung ein“ titelt die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung. Auf Grund der Tötung des Afroamerikaners George Floyd durch einen Polizisten habe dessen Frau die Scheidung eingereicht. Im Bericht wird der Beamte als „gnadenloser Killer“ und „Killer-Polizist“ bezeichnet. Nach Ansicht eines Lesers der Zeitung ist die Berichterstattung vorverurteilend und unangemessen reißerisch. Die Rechtsabteilung der Zeitung stellt fest, dass der Polizist Derek Chauvin den schon am Boden fixierten George Floyd ermordet habe. Selbstverständlich dürfe man einen solchen Täter im Rahmen der Meinungsfreiheit als „Killer“ bezeichnen.

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Wann ist ein Mord ein Mord?

Eine Großstadtzeitung berichtet online unter der Überschrift „Nach Mord an George Floyd in Minneapolis: Anklage gegen Ex-Polizist erhoben“ über die Festnahme des Polizisten Derek Chauvin. Ihm werde Mord dritten Grades vorgeworfen. Ein Leser kritisiert die Formulierung „Mord“. Es sei noch nicht bewiesen, ob es sich um Mord gehandelt habe. Die Verwendung des Begriffes komme einer Vorverurteilung gleich. Die Chefredakteurin der Zeitung teilt mit, die Redaktion habe über die Anklage gegen den Polizisten berichtet. Ob der Angeklagte wegen Mordes verurteilt werde und es sich im juristischen Sinne um einen Mord handele, würden Gerichte entscheiden. Es sei dennoch keine Vorverurteilung, wenn die Redaktion schon vor einem Urteil von Mord spreche. Denn es gebe noch eine zweite Bedeutung des Wortes. Im umgangssprachlichen Gebrauch bezeichne Mord allgemein die Tötung eines Menschen. Aktuelles Beispiel sei die Berichterstattung über die Tötung des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübke. Diverse Medien schrieben von Mord, ob wohl es noch kein Urteil gebe.

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Attacke erfolgte vor dem Trauermarsch

Eine Regionalzeitung veröffentlicht online und gedruckt einen Leserbrief, der sich mit der AfD befasst. Ein Leser kritisiert diese Passage: „Rassenwahn und manischer Judenhass zeigten sich etwa in Chemnitz, wo der Trauermarsch, angeführt von Höcke und Kalbitz, unter anderem mit der Schändung eines jüdischen Lokales seinen Ausklang fand.“ Diese Behauptung – so der Beschwerdeführer – sei unzulässig, denn die von der AfD angemeldete Demonstration („Trauermarsch“) habe am 1. September 2018 stattgefunden, während der Angriff auf das jüdische Restaurant mehrere Tage vorher erfolgte. Die Rechtsvertretung der Zeitung hält die Beschwerde für unbegründet. Dem Leserbriefschreiber sei es darum gegangen, die politischen Entwicklungen durch den Einfluss der AfD im Großen und Ganzen darzustellen. Zudem sei bei der Veröffentlichung von Leserbriefen der Prüfungs- und Haftungsmaßstab ohnehin eingeschränkt. Zwar gelte nach dem BGH insbesondere auch der Pressekodex. Den Inhalt von Leserbriefen müssten Redaktionen jedoch erst dann näher prüfen, wenn es um schwerwiegende Persönlichkeitsverletzungen gehe. Die in diesem Fall beanstandete Passage verletze aber keine Persönlichkeitsrechte.

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Zeitung verwendet zweimal den Begriff „Mord“

Eine Regionalzeitung berichtet online unter der Überschrift „10 Regeln, um eine Polizeikontrolle zu überleben“ über die Art, wie schwarze Eltern in den USA ihre Kinder vorbereiten auf Rassismus und Polizeigewalt. Beides ist nicht erst seit der Tötung von George Floyd in den Staaten Alltag. Der Artikel hat diese Zwischenüberschrift: „Nach dem Mord an George Floyd in Minneapolis: Schwarze Eltern erklären rassistische Polizeigewalt in USA“. Ein Leser der Zeitung kritisiert diese Textpassage. Er spricht von einer Vorverurteilung. Ob es sich im Fall Floyd um einen Mord gehandelt habe, werde ein Gericht feststellen. Der Chefredakteur der Zeitung teilt mit, die Redaktion habe den betreffenden Artikel erneut geprüft. Der Begriff „Mord“ sei beseitigt worden. Er sei nicht absichtlich verwendet worden, sondern auf eine Nachlässigkeit bei der Bearbeitung des Beitrages zurückzuführen. Die Redaktion bedauere es, wenn bei den Lesern ein falscher Eindruck entstanden sei.

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Symbolfoto diskriminiert niemanden

„Mann verweigert Tragen von Mundschutzmaske und bedroht Menschen in Schwerin“ – so überschreibt eine Regionalzeitung online ihren Bericht über einen Vorfall in ihrem Verbreitungsgebiet. Im Beitrag geht es um einen Schweriner, der in einem Laden keine Maske tragen wollte und später Personen in der Stadt mit einem Messer bedrohte. Die Redaktion illustriert den Text mit einem Symbolfoto. Dieses zeigt eine Hand, die ein Messer hält. Die Haut wirkt dunkel. Der Daumen ist allerdings hell. Ein Leser der Zeitung hält das Symbolbild für diskriminierend. Im Bericht werde über das Aussehen des Täters keine Aussage gemacht. Es heiße nur, dass der Mann Schweriner sei. Das Bild könnte unnötigerweise Vorurteile schüren und sollte daher entfernt werden. Der Rechtsvertreter der Zeitung verweist auf das Originalfoto, das der Redaktion von einer Agentur geliefert worden sei. Es zeigte den unteren Teil des Unterarms und die Innenseite der Faust eines hellhäutigen Mannes. Die Faust umklammere ein Messer. Unterarm, Faust und Messer – so der Rechtsvertreter weiter – lägen im Schatten; ein kleiner Bereich des Daumens werde von der Sonne angestrahlt. Durch diesen Kontrasteffekt wirke die von der Sonne angestrahlte Haut dunkler. Dennoch sei klar, dass der Betreffende ein Mann typischerweise aus Nord- oder Mitteleuropa sei. Zu dem Zeitpunkt, als die Redaktion Kenntnis von der Beschwerde erhielt, habe sie bereits das Foto durch ein anderes ersetzt.

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Eine Bildaussage wurde falsch interpretiert

„Rassismus versus Zivilcourage: Amerika, wohin gehst du?“ – unter dieser Überschrift beschreibt ein Kommentator in einer Regionalzeitung den Zustand der amerikanischen Gesellschaft. Der Beitrag enthält ein Foto aus dem Video von der Tötung des Afroamerikaners George Floyd durch einen weißen Polizisten in Minneapolis. Der Kommentar selbst enthält diese Passage: „Die linke Hand hält er in der Tasche seiner Uniformhose gesteckt. Als ob er dort nach den Autoschlüsseln oder dem Feuerzeug für die nächste Kippe kramen würde, während sein Opfer ein ums andere Mal ´I can´t breathe“ – ´ich kann nicht atmen´ - stammelt.“ Ein Leser wendet sich wegen dieser Passage mit einer Beschwerde an den Presserat. Er sieht darin einen Verstoß gegen die journalistische Sorgfaltspflicht nach Ziffer 2 des Pressekodex. Auf dem Bild, das dem Kommentar zugeordnet sei, sei die linke Hand nicht in der Hosentasche. Durch die Behauptung von der lässigen Hand in der Hosentasche werde beim Leser das Bild eines Polizisten erzeugt, der lässig und gedankenlos sein Opfer tötet. Die Redaktion räumt ein, dass der Polizist Derek Chauvin nicht die Hand in der Hose habe, sondern offenbar dunkle Handschuhe trage und sich auf die Uniformhose stütze. Dieser Irrtum sei bedauerlich. Er sei mehreren Kollegen, die mit dem Bild im Produktionsverlauf zu tun gehabt hätten, nicht aufgefallen.

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Polizei: Gewalt muss verhältnismäßig sein

„Derek Chauvin: Das ist der Mann, der den US-Protest auslöste“ – so lautet die Überschrift über einem Beitrag in einer Großstadtzeitung. Im Anreißer heißt es: „Derek Chauvin ist der Mann, der die Massenproteste auslöste. Was weiß man über den Polizisten, der George Floyd umgebracht haben soll?“ Der Artikel beginnt mit dem Satz: „Der Mord an George Floyd sorgt weltweit für Entsetzen.“ Später heißt es dann, Chauvin sei wegen Mordes „angeklagt“. Der Vorwurf laute Mord zweiten Grades, was mit dem deutschen Tatbestand des Totschlags in besonders schwerem Fall zu vergleichen sei. Ein Leser der Zeitung sieht einen Verstoß gegen die in Ziffer 13 des Pressekodex verankerte Unschuldsvermutung. Die Polizei sei zur Erfüllung ihrer Aufgaben ermächtigt, Gewalt anzuwenden, sofern diese verhältnismäßig sei. Zu entscheiden, ob die von Polizeibeamten ausgeübte Gewalt gegen George Floyd verhältnismäßig gewesen sei, müsse ein amerikanisches Gericht auf der Grundlage der dortigen Rechtslage entscheiden. Bis zu einer etwaigen Verurteilung seien die Polizeibeamten daher als unschuldig und nicht als Beteiligte an einem Mord zu betrachten. Die Redaktion habe aber den Todesfall als Mord eingestuft. Erschwerend komme hinzu, dass sie den verantwortlichen Täter Derek Chauvin mit seinem vollen Namen und sogar in der Überschrift nenne. Die vorverurteilende Wirkung werde noch durch den Hinweis am Beginn des Artikels verstärkt, gegen Derek Chauvin seien schon „vor dem Mord an George Floyd“ 18 Beschwerden erhoben worden. Die Redaktion habe in diesem Kontext nicht darauf hingewiesen, dass sich diese Beschwerden im Verlauf von nahezu zwei Jahrzehnten angesammelt hätten. Die Rechtsabteilung der Zeitung widerspricht der Beschwerde. Der Artikel sei nach den Maßstäben der Verdachtsberichterstattung zulässig. Die gebotene Sorgfalt sei gewahrt worden. Das Video von dem Vorfall lasse keinen Zweifel am Vorliegen eines Mindestmaßes an Beweisen aufkommen. Zudem habe ein außergewöhnlich hohes Informationsinteresse der Öffentlichkeit an dem Vorgang bestanden. Der Name des Polizisten, der George Floyd getötet habe, sei zum Zeitpunkt der Berichterstattung weithin bekannt gewesen. Schon aufgrund des für jedermann zugänglichen Videos habe keine Gefahr der Vorverurteilung bestanden.

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