Entscheidungen finden

Wie hat der Presserat entschieden?

Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.

Bitte beachten: Im Volltext abrufbar sind nur Entscheidungen mit den Aktenzeichen ab 2024, z.B. 0123/24/3!

Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.

Sie haben Fragen zu unseren Sanktionen? Hier finden Sie Erläuterungen.

 

Entscheidungsjahr
6642 Entscheidungen

Der Begriff „Zigeuner“ ist inakzeptabel

Eine überregionale Zeitung berichtet in ihrer Online-Version unter der Überschrift „Der Galgen von Beerfelden“ über eine Wanderung zu einem Denkmal im Odenwald. Dort fanden früher Hinrichtungen statt. Der Bericht enthält diese Passage: “Obwohl häufig schon bei geringer Schuld verhängt, bildeten Todesurteile die Ausnahme. Das letzte überlieferte erging 1804 gegen eine Zigeunerin wegen ´Mundraubs´ für ihre hungernden Kinder.“ Ein Leser der Zeitung kritisiert, der Begriff Zigeuner ohne Anführungszeichen oder irgendeine andere Distanzierung verstoße gegen Ziffer 12 des Pressekodex (Diskriminierungen). Es handele sich um die Diskriminierung einer ethnischen Minderheit. Der Begriff Zigeuner gelte heute gemeinhin als inakzeptabel. Die Rechtsabteilung der Zeitung übermittelt die Stellungnahme der Redaktion. Danach sei das Wort „Zigeunerin“ in einem historischen Kontext verwendet worden. Der vorliegende Fall sei somit nicht im Ansatz vergleichbar mit denjenigen, über die der Presserat in der Vergangenheit zu entscheiden gehabt habe. Schon aus dem oben zitierten Satz und im Kontext der übrigen Berichterstattung gehe hervor, dass es um den damaligen Sprachgebrauch zu Beginn des 19. Jahrhunderts gehe. Dass der Satz den Eindruck erwecke, Zigeuner „sei auch heute noch eine ganz normale Bezeichnung“, sei abwegig. Unabhängig davon habe sich die Redaktion entschlossen, die Dinge durch eine kleine Umformulierung noch klarer zu machen. Im Text heiße es nunmehr: „Das letzte überlieferte erging 1804 gegen eine ´Zigeunerin´, wie man damals sagte, wegen ´Mundraubs´ für ihre hungernden Kinder.“

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Wie lange leben Nutz- und Wildtiere?

Eine Fachzeitschrift berichtet über die Lebenserwartung von Nutz- und Wildtieren. Landwirten begegne immer wieder der Vorwurf, sie würden Tiere lange vor dem Erreichen ihrer natürlichen Lebenserwartung schlachten lassen. Doch in der Natur würden die Tiere noch viel jünger sterben. Der Artikel, der erklärtermaßen eine Argumentationshilfe liefern will, erläutert für verschiedene Tierarten, dass die Lebenserwartung in freier Wildbahn unter der von Nutztieren liege. Ein Leser der Zeitschrift trägt vor, unter anderem die Kernaussage des Artikels, dass Nutztiere im Durchschnitt nicht jünger sterben als ihre wilden Verwandten, sei nicht korrekt. Der Beschwerdeführer nennt dazu diverse Quellen zur Lebenserwartung verschiedener Wildtiere. Der Chefredakteur der Zeitschrift schickt dem Presserat eine Stellungnahme der Autorin des kritisierten Beitrages. Er unterstütze deren Argumentation in vollem Umfang und sehe daher auch keine Notwendigkeit, den Beitrag abzuändern. Die Autorin erklärt, der Beschwerdeführer beklage die mangelnde Sorgfalt bei der Recherche zu ihrem Artikel. Tatsächlich solle der Artikel aber dazu dienen, immer wieder kolportierte Zahlen in Frage zu stellen.

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„Parallele ist unwürdig und Quatsch“

Eine Regionalzeitung veröffentlicht in einigen ihrer Lokalausgaben eine Serie zu einer Rede eines Ortshistorikers. Deren Thema ist die Verlegung von sogenannten Stolpersteinen und deren Folgen. Unter der Überschrift „Unwürdig und Quatsch dazu“ bringt die Zeitung im „Editorial“ einen Beitrag, in dem der Autor die Rede des Historikers kritisiert. Die dort gezogene Parallele zur NS-Zeit mit Blick auf den heutigen Umgang mit Ungeimpften sei gewagt und „unwürdiger Quatsch“. In der gleichen Ausgabe erscheint der Bericht eines Redakteurs der Zeitung, der sich auf die Äußerungen des Ortshistorikers konzentriert. Überschrift: “Ortshistoriker zieht Parallelen zur NS-Zeit im Umgang mit Ungeimpften“. Beschwerdeführer ist in diesem Fall der erwähnte Ortshistoriker. Er sieht mehrere presseethische Grundsätze verletzt. Vor allem stört er sich an dem Passus mit dem NS-Vergleich. Für die Zeitung nimmt deren Chefredakteur zu der Beschwerde Stellung. Er hält die Berichterstattung für korrekt.

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Kassel: Ein Bild löste einen Skandal aus

Eine Wochenzeitung veröffentlicht unter der Überschrift „Unser Thema ist Klasse, nicht Rasse“ ein Interview mit dem Künstlerkollektiv Taring Padi. Thema ist der Antisemitismus-Skandal anlässlich der Documenta in Kassel, den eines seiner Bilder ausgelöst hat. Die Redaktion schreibt, dies sei das erste Interview mit Taring Padi. Der Beschwerdeführer, ein Leser der Zeitung, widerspricht dieser Behauptung. Schon einige Tage vorher habe eine andere Zeitung ein Interview mit Taring Padi gebracht, ebenso andere indonesische Medien. Die Rechtsvertretung der Wochenzeitung teilt zu der Beschwerde mit, ein Sprecher des Kollektivs habe mehrfach versichert, dass dies das erste Interview mit einem deutschen Printmedium sei. Vor diesem Hintergrund habe die Redaktion davon ausgehen können, dass diese Aussage korrekt sei.

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Redaktion hat sorgfältig recherchiert

Ein Nachrichtenmagazin berichtet unter der Überschrift „Vizegeheimdienstchefin auf bedenklicher Reise im Iran“ über eine private Reise der Vizepräsidentin des Verfassungsschutzes. Ein Leser des Magazins hält die Berichterstattung für unkorrekt. Die letzte Reise der Verfassungsschützerin sei 2017 gewesen. Die Behauptung in der Überschrift sei falsch, da die Frau 2017 noch nicht „Vizegeheimdienstchefin“ gewesen sei. Der stellvertretende Chefredakteur der Zeitschrift stellt fest, die Berichterstattung über eine problematische Reise der leitenden BfV-Mitarbeiterin basiere auf Recherchen eines äußerst erfahrenen, langjährigen Mitarbeiters. Dieser habe das Bundesamt für Verfassungsschutz mit seinen Rechercheergebnissen konfrontiert. Eine detaillierte Anfrage sei mit dem Satz beantwortet worden: „Wir bitten um Verständnis, dass sich das BfV grundsätzlich nicht zu Mitarbeitenden und deren etwaigen Reisetätigkeiten äußert“. Der stellvertretende Chefredakteur des Magazins spricht von einem erheblichen Informationsinteresse der Öffentlichkeit an diesem Fall. Er stellt fest, dass die Redaktion allen Anforderungen des Pressekodex gerecht geworden ist.

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Ausriss enthält das Wort „Zigeuner“

Eine Regionalzeitung veröffentlicht einen Beitrag unter der Überschrift „Vor 120 Jahren“. Der Artikel ist ein Ausriss aus einer Tageszeitung, erschienen im Jahr 1902. Thema ist eine seinerzeit aktive Diebesbande. Darin enthalten ist diese Passage: „In der Wohnung eins Arbeiters, der als Stabschläger in Pasewalk arbeitet, an dem Tage jedoch zu Hause war, benutzte eine Zigeunerin, als sie einen Augenblick allein im Zimmer war, die günstige Gelegenheit und stahl aus einer Kommode die Ersparnisse der Familie im Betrag von 100 Mark. Der Diebstahl wurde jedoch sofort bemerkt, die Zigeuner wurden verfolgt und ihnen das Geld wieder abgenommen.“ Ein Leser der Zeitung sieht in dem unkommentierten Nachdruck des Artikels aus dem Jahr 1902 eine Verletzung des Pressekodex. Hier würden rassistische Klischees ebenso gedankenlos wiedergegeben, wie die Anwendung körperlicher Gewalt gegen ethnische Minderheiten durch das unkommentierte Zitieren nachträglich gebilligt werde. Dies scheine vor dem Hintergrund des von den Deutschen verübten Genozids an den Sinti und Roma und der latent fremdenfeindlichen Stimmung in Teilen der Bevölkerung Vorpommerns nicht akzeptabel. Der Chefredakteur der Zeitung trägt vor, dass sich der kritisierte Beitrag durch den Ausriss-Charakter klar von den übrigen redaktionellen Inhalten der Zeitung unterscheide. Schon durch die Überschrift „Vor 120 Jahren“ werde klar, dass es sich nicht um einen aktuellen Beitrag der Redaktion, sondern um einen Nachdruck handele. Der Leserschaft dürfte bewusst sein, wie die historischen Texte einzuordnen seien und dass sich die Redaktion deren Inhalte in keiner Weise zu Eigen mache. Dazu bedürfe es keiner wortreichen Einordnung.

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Erste Hilfe bei einem Schützenfest

Unter der Überschrift „Erste Hilfe in neuen Händen“ berichtet eine Lokalzeitung über die Erstversorgung beim Schützenfest in einem Ort des Verbreitungsgebiets. Die Bereitschaft des Deutschen Roten Kreuzes sei über Jahrzehnte ein fester Bestandteil des Schützenfestes gewesen und würde dies auch gerne bleiben. Aber das sei personell mehr leistbar, zitiert die Zeitung den örtlichen Platzmeister. Der hatte sich im Beisein der Compagnie-Vorstände in den Räumen des „Fire and Rescue Services“ geäußert. Dieser werde künftig die Grundversorgung in Erster Hilfe während des Schützenfestes gewährleisten. Der Beschwerdeführer stellt fest, der Platzmeister gebe per Artikel eine Erklärung zur Situation des DRK-Ortsvereins ab, zu der er als Nicht-Mitglied des DRK-Ortsvereins nicht berechtigt sei. Auch sei die Erklärung nicht korrekt. Die DRK-Bereitschaft habe diesmal aus personellen Gründen nur die Verpflegung abgesagt. Die Besetzung und Durchführung des Sanitätsdienstes sei zu keinem Zeitpunkt in Frage gestellt gewesen. Des Weiteren handele es sich um Maßnahmen des Sanitätsdienstes bzw. erweiterten Sanitätsdienstes und nicht nur um Erste Hilfe. Ein Mitglied der Chefredaktion nimmt zu der Beschwerde Stellung. Mit Verwunderung nehme man diese zur Kenntnis. Schon in der Begründung des Beschwerdeführers werde deutlich, dass es sich bei diesem Streit um ein Missverständnis zwischen den handelnden Personen (in diesem Fall der DRK-Ortsverein und der Platzmeister) handele. Letzterer begründe seine Entscheidung über die Vergabe des Sanitätsdienstes für das Schützenfest. Die von ihm gegenüber dem Redakteur getätigte Aussage sei unbestritten und daher korrekt wiedergegeben. Die Beschwerde sei gegenstandslos.

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Keine Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben

Eine Regionalzeitung berichtet gedruckt und online über Kritik an einer Stadt in ihrem Verbreitungsgebiet. Der Autor schreibt, ob Stadtfest, Beachparty oder Feierabendmarkt – die Macher seien immer dieselben. Von Filz ist die Rede. Im Beitrag steht ein Foto, das auf einer Beachparty aufgenommen wurde und die in der Bildunterschrift namentlich genannten Veranstalter und städtische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zeigt. Im Artikel selbst werden die Veranstalter und ihre Firmen genannt und ein Ratsherr von der Linken mit seiner Kritik zitiert. Ihm zufolge sieht die lokale Linkspartei die Konstellation kritisch. Beschwerdeführer ist einer der im Beitrag genannten Veranstalter. Er wirft der Redaktion vor, unbelegte Vorwürfe der Linkspartei kritiklos übernommen zu haben. Damit werde der falsche Eindruck erzeugt, die Veranstalter hätten Aufträge der Stadtverwaltung auf der Basis von „Filz“ erhalten. Der Autor insinuiere im Text, sie hätten im Ausschreibeverfahren betrogen und bestochen. Kurz gesagt: Die Redaktion werfe ihnen mit den Worten eines Ratsherrn der Linkspartei vor, Straftaten begangen zu haben. Auf Nachfrage erklärte der Beschwerdeführer, die Redaktion habe ihm vorab keine Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Erst nach ihrer Beschwerde und zwei Tage nach der Veröffentlichung seien sie von einem Redakteur der Zeitung gefragt worden, ob sie eine Stellungnahme abgeben wollten. Das hätten sie aber nun nicht mehr gemacht. Die Rechtsvertretung der Zeitung hält die Beschwerde für unbegründet. Sie weist darauf hin, dass der Leiter der Stabsstelle Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Stadt regelmäßig in der Zeitung eine Kolumne schreibe, die sich mit Vorgängen in der Stadt und in der Stadtverwaltung beschäftige. Der Autor sei dabei in früheren Ausgaben ausdrücklich als „Stadtsprecher“ in Erscheinung getreten.

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Ein Bekenntnis nach 110 Minuten

Im vorliegenden Fall geht es um das Rechercheverhalten der Redaktion einer Fachzeitschrift, die sich mit Oldtimern beschäftigt. Der Beschwerdeführer berichtet, er besitze einen Oldtimer. Bei einem Besichtigungstermin habe sich auch ein vermeintlicher Kaufinteressent eingefunden. Der Termin habe 110 Minuten gedauert. Erst dann habe der angebliche Kaufinteressent überraschend seine wahre Identität als Journalist offenbart. Er habe mitgeteilt, dass er einen bebilderten, anonymisierten Artikel über den angebotenen Oldtimer veröffentlichen wolle. Auf Nachfrage hinsichtlich der frei erfundenen Hintergrundgeschichte habe der Käufer erklärt, dass nur auf diesem Wege eine wahrheitsgetreue Darstellung des Verkäufers über seinen Oldtimer möglich wäre. Der Chefredakteur der Zeitschrift reagiert auf die Beschwerde überrascht, zumal der Beschwerdeführer bei dem eigentlichen Vorgang nur unbeteiligter Beobachter gewesen sei. Ziffer 4 des Pressekodex – so der Chefredakteur weiter – besage, dass sich Journalisten grundsätzlich zu erkennen geben. Wörtlich steht da: „Unwahre Angaben des recherchierenden Journalisten über seine Identität und darüber, welches Organ er vertritt, sind grundsätzlich mit dem Ansehen und der Funktion der Presse nicht vereinbar.“ Allerdings heiße es im nächsten Absatz: „Verdeckte Recherche ist im Einzelfall gerechtfertigt, wenn damit Informationen von besonderem öffentlichem Interesse beschafft werden, die auf andere Weise nicht zugänglich sind.“

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Seit 1945 gab es in Europa 15 Kriege

Eine Regionalzeitung berichtet unter der Überschrift „Sie setzen ein Zeichen der Solidarität mit der Ukraine“ über eine Karnevalsveranstaltung im Zeichen des Krieges in der Ukraine. Unter anderem heißt es im Beitrag: „Fastnacht feiern, obwohl der erste Krieg seit über 70 Jahren in Europa ist?“ Ein Leser der Zeitung kritisiert die Passage „der erste Krieg seit über 70 Jahren in Europa“. Seit dem Ende des zweiten Weltkrieges habe es in Europa mindestens 15 Kriege gegeben. Er zählt diese Konflikte im Detail auf. Der Geschäftsführer der Zeitung stellt fest, der Beschwerdeführer habe mit seiner Kritik zweifellos recht. Die bearbeitende Kollegin habe leider missverständlich formuliert. Sie habe einen Angriffskrieg in Mitteleuropa gemeint, den es seit 1945 in dieser Größenordnung nicht gegeben habe. Aus der Leserschaft habe es keinerlei Reaktionen gegeben. Daher könne man davon ausgehen, dass Leserinnen und Leser das so verstanden hätten. Zudem stehe außer Frage, dass keine der vom Beschwerdeführer erwähnten anderen kriegerischen Auseinandersetzungen die Dimension des Überfalls Russlands auf die Ukraine gehabt hätten.

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