Entscheidungen finden

Wie hat der Presserat entschieden?

Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.

Bitte beachten: Im Volltext abrufbar sind nur Entscheidungen mit den Aktenzeichen ab 2024, z.B. 0123/24/3!

Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.

Sie haben Fragen zu unseren Sanktionen? Hier finden Sie Erläuterungen.

 

Entscheidungsjahr
6642 Entscheidungen

Chefarzt nimmt „schweren Herzens Abschied“

Eine Regionalzeitung berichtet über das Ausscheiden des Chefarztes der Kardiologie am regionalen Klinikum. Der Mediziner wird mit den Worten zitiert, er nehme schweren Herzens Abschied. Die Entwicklung an der Klinik habe ihm jedoch keine andere Wahl gelassen, als zu kündigen. Er spricht davon, zunehmend eine Stelle mit Ablaufdatum besetzt zu haben. Er weist darauf hin, dass in den letzten Wochen ein Dutzend Assistenzärzte das Haus verlassen hätten. Der Beschwerdeführer trägt vor, das Klinikum habe zu den Vorwürfen nicht Stellung nehmen können, da es im Rahmen der redaktionellen Recherche nicht gehört worden sei. Die Zeitung sei auch nicht näher auf die Gründe eingegangen, warum die Assistenzärzte die Klinik verlassen hätten. Letztlich wirft der Beschwerdeführer der Zeitung vor, in ihrer Online-Version Kommentare zu löschen, die nicht zu ihrer Sichtweise passten. Die Rechtsvertretung der Zeitung weist die Beschwerde als unbegründet zurück. Sie habe mehrfach vergeblich versucht, mit der Klinikleitung ins Gespräch zu kommen, um den Hintergrund der Vorwürfe zu erhellen.

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Aufmachung erweckt einen falschen Eindruck

Eine Wirtschaftszeitung berichtet unter der Überschrift „Weg von der Zigarette: Philip Morris kauft Swedish Match für 16 Milliarden Dollar“ über ein Übernahmeangebot des US-Tabakkonzerns. Dieser übernehme den kleineren europäischen Konkurrenten Swedish Match. Philip Morris biete für das schwedische Unternehmen 106 Kronen je Aktie (10,30 Euro). Das seien – so die Zeitung – 40 Prozent mehr als der jüngste Schlusskurs. Der Verwaltungsrat von Swedish Match empfehle den Aktionären, das Angebot anzunehmen. Ein Leser der Zeitung trägt vor, die Swedish Match-Gruppe habe lediglich die Annahme des Angebots empfohlen. Die Übernahme jedoch sei alles andere als sicher. Er spricht davon, dass es sich in diesem Fall um eine klare Fehlinformation handele, um möglichst viele Clicks zu generieren. Die Redaktion nimmt zu der Beschwerde nicht Stellung.

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Fehlerhafte Platzierung eines Beitrages

Ein regionales Internet-Portal berichtet unter der Überschrift „Erfurt: Schwere Missbrauchsvorwürfe gegen Politiker!“ über Rücktritte bei der Partei „Die Partei“ nach Missbrauchsvorwürfen. Ein Partei-Politiker soll mehr als 14 Jahre lang minderjährige Frauen zum Sex gedrängt und dann gefilmt haben. Der Mann wird namentlich genannt. Ein Parteiausschlussverfahren sei eingeleitet worden. In den Artikel eingeklinkt ist ein Video-Beitrag über Björn Höcke von der AfD. Ein Nutzer des Portals kritisiert, die Verknüpfung zwischen Missbrauchsvorwürfen gegen die Partei und dem dazugestellten Beitrag zu Björn Höcke verstoße gegen mehrere presseethische Grundsätze. Der Nutzer werde vorsätzlich in eine falsche Meinungsbildung gedrängt. Nicht die AfD und Höcke seien von den Missbrauchsvorwürfen betroffen. Die Redaktion unterrichte ihre Nutzer nicht wahrheitsgemäß. Björn Höcke werde verleumdet und in seiner Ehre verletzt. Allein die Tatsache der AfD-Zugehörigkeit reiche für eine Diskriminierung aus. Die Rechtsvertretung des Internet-Portals teilt mit, die Redaktion sei nach der Veröffentlichung des Beitrags vom Büroleiter des Fraktionsvorsitzenden der AfD Thüringen auf ihren Fehler aufmerksam gemacht worden. Sie habe darauf den Beitrag umgehend offline gestellt. Die Redaktion teilt mit, sie habe Vorkehrungen getroffen, dass derartige Fehlplatzierungen von Beiträgen in Zukunft nicht mehr vorkämen. Von einer bewussten Fehlinformation der Nutzer oder einer Diskriminierung von Björn Höcke könne jedoch nicht die Rede.

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Redaktion nennt Staatsangehörigkeit

Eine Regionalzeitung veröffentlicht online einen Beitrag unter der Überschrift „Lkw bleibt mit ausgefahrenem Kran an Brücken hängen“. Im Artikel geht es um einen Unfall, bei dem ein Lastwagen mit ausgefahrenem Kran drei Brücken gerammt habe. Laut Polizei habe der Fahrer vergessen, den Kran vollständig einzufahren. Seine polnische Staatsangehörigkeit wird von der Redaktion genannt. Ein Leser der Zeitung vertritt die Auffassung, dass die Angabe der Nationalität des Lkw-Fahrers für den Vorgang nicht relevant sei. Sie sei dazu geeignet, in der Gesellschaft vorhandene Stereotypen zu bestätigen. Der Chefredakteur der Zeitung antwortet auf die Beschwerde und stellt fest, dass die polnische Staatsangehörigkeit des Lkw-Fahrers eher beiläufig erwähnt worden sei. Weder in der Überschrift noch im Einstieg in den Beitrag sei davon die Rede gewesen. Einen Verstoß gegen Ziffer 12 des Kodex sieht der Chefredakteur nicht, zumal nicht geklärt sei, ob es sich hier überhaupt um eine Straftat gehandelt habe. Auch sehe er nicht, dass durch die Berichterstattung Stereotypen in der Gesellschaft bestätigt werden könnten.

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Verwirrung um eine Namensnennung

Das Kinderfest der Faschingsgesellschaft „Mohrenwäscher“ ist Thema in der Online-Version einer Regionalzeitung. Die Zeitung erwähnt, dass eine Gruppe, die sich „Kidsempowerment“ nennt und eine Spielgruppe für schwarze Kinder sei, Kritik an den „Mohrenwäschern“ übe. Dies schreibt die namentlich erwähnte Beschwerdeführerin, die Mitglied der Gruppe sei und die Übergabe eines Proteststatements angekündigt habe. Die Gruppe fühle sich nicht in das Kinderfest-Konzept eingebunden. Die Beschwerdeführerin sieht in der Angabe ihres Namens eine Verletzung ihres Persönlichkeitsschutzes nach Ziffer 8 des Pressekodex. Sie habe ledglich in der Redaktion vor der Veranstaltung bei Kolleginnen des Autors des Artikels angefragt, ob man dort Interesse an der Perspektive der Gruppe habe und keine Antwort bekommen. Mit dem Autor selbst habe sie keinen Kontakt gehabt. Die Rechtsvertretung übersendet eine Stellungnahme des Autors des Beitrages. Dieser berichtet, die Beschwerdeführerin habe ihn per E-Mail um Veröffentlichung ihrer Stellungnahme gebeten. Darin sei nicht die Rede davon gewesen, dass ihr Name nicht erwähnt werden solle. Im Gegenteil habe er davon ausgehen können, dass eine Veröffentlichung mit dem Kinderfest als Thema erwünscht sei. Wenn man das Statement einer Organisation/Behörde etc. veröffentliche, dann eben mit dem Namen desjenigen, der sich an die Redaktion gewandt habe.

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Eine Corona-Infektion im Supermarkt

Ein regionales Internetportal berichtet über eine Aussage des Virologen Timo Ulrichs, der zufolge die Gefahr einer Corona-Infektion in einem Supermarkt – wenn niemand eine Maske trägt – bei nahezu hundert Prozent liegt. In einem Interview mit einem Nachrichtensender sagte Ulrichs: „Selbst bei einem Abstand von drei bis vier Metern ist das Risiko auf jeden Fall da, dass die Aerosole übertragen werden. Ob sie sich dann auch in meinem Nasen-rachenraum festsetzen können, die Viren, ist noch eine andere Frage“. Der Beschwerdeführer kritisiert eine aus seiner Sicht unangemessen sensationelle Darstellung, die unbegründete Befürchtungen beim Leser erwecke. Dies insbesondere, da die Annahmen (Randbedingungen) zum 100-Prozent-Wert der stochastischen Ansteckung schlicht weggelassen würden. Hier liege ein Fall vor, in dem Zahlen ohne weitere Erläuterungen aus Forschungsergebnissen entnommen und aus dem Zusammenhang gerissen worden seien. Damit verstoße der Artikel massiv gegen den Pressekodex. Der zuständige Ressortleiter des Internetportals teilt mit, in dem kritisierten Beitrag gehe es um ein Interview, dass der Epidemiologe Ulrichs dem Nachrichtensender gegeben habe. Darin gebe es bereits im ersten Absatz die oben zitierte Ansage.

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Vorwurf: „Gaffervideos“ veröffentlicht

Ein Nachrichtenmagazin zeigt online Fotos und ein Video vom Zugunglück bei Garmisch-Partenkirchen. Unter der Überschrift „Amateuraufnahmen zeigen Zugunglück bei Garmisch“ veröffentlicht die Redaktion auch Handy-Fotos bzw. ein Video, die von Privatpersonen stammen. Drei Leser des Magazins wenden sich mit Beschwerden an den Presserat. Hauptvorwurf: Die Redaktion habe sogenannte „Gaffervideos“ veröffentlicht. Das verstoße gegen Ziffer 4, Richtlinie 4.1 (Grundsätze der Recherche). Einer der Beschwerdeführer fragt, ob es in Ordnung sei, dass die Redaktion damit niedere Instinkte bediene. Er sieht einen Verstoß gegen Ziffer 1 und Ziffer 11 (Wahrhaftigkeit und Achtung der Menschenwürde bzw. Sensationsberichterstattung/Jugendschutz). Privatfotos von Unfällen stünden unter Strafe. In jedem Fall fördere diese Veröffentlichung das Gaffertum. Die Rechtsvertretung des Magazins weist die Beschwerden als unbegründet zurück.

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Namen von Kindern veröffentlicht

Ein Nachrichtenmagazin berichtet online über die Entführung zweier Kinder aus früheren Beziehungen durch ein Paar nach Paraguay. Das Paar habe Kontakt zu den Anwälten der ehemaligen Lebenspartner und Kindseltern aufgenommen. Der Anwalt wird dahingehend zitiert, dass daran gearbeitet werde, „einen sinnvollen Weg zurück nach Deutschland zu finden, wo die Kinder gehört und behördliche Entscheidungen getroffen werden. Übersetzt heißt das, dass das Ehepaar sich gemeinsam mit den Kindern stellt und - wenn möglich - nach Deutschland ausreist.“ Die Redaktion schreibt im weiteren Verlauf des Beitrages: „Gerechnet wird damit, dass sich die Gesuchten innerhalb der nächsten Stunden oder spätestens Tage stellen.“ Dem Beitrag ist eine Abbildung des in Paraguay veröffentlichten Fahndungsplakats beigefügt, auf dem auch ein Foto der Kinder gezeigt und deren vollständige Namen genannt werden. Der Beschwerdeführer sieht presseethische Grundsätze verletzt. Er kritisiert, dass die Zeitschrift die Bilder der Kinder zeigt und ihre Namen nennt. Dass die Zeitung lediglich das Foto eines Fahndungsplakats zeigt, ist für ihn irrelevant. Die Rechtsvertretung des Magazins hält die Abbildung des Fahndungsplakats für legitim. Das hätten im Übrigen viele deutsche Medien genauso gesehen. Die sorgeberechtigte Mutter eines der im Bild gezeigten Mädchen, sei mit der Veröffentlichung ausdrücklich einverstanden gewesen.

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Frau wurde Person des öffentlichen Lebens

Eine Großstadtzeitung berichtet gedruckt und online über eine namentlich genannte Frau, die als sogenannte „Instagram-Polizistin“ für ihre Dienststelle ein positives Image für die Polizei generieren soll, indem sie Posts über ihre Arbeit bei der Hundestaffel und ihren Hund veröffentlicht. Ihr Account habe fast 8.500 Follower. Der schöne Schein bekomme nun Risse. Nach Informationen eines Recherche-Kollektivs fänden sich in den sozialen Medien nämlich auch Fotos von ihr und ihrem namentlich genannten Lebensgefährten. Dieser bewege sich seit mehr als zehn Jahren in der rechtsextremen Szene und sei 2013 wegen Sachbeschädigung verurteilt worden, nachdem er 2010 mit anderen eine alternative Kneipe gestürmt, einen Gast verletzt und die Einrichtung zerstört hatte. Zudem sei er 2014 an der Gründung der rechtsextremen Partei „Der III. Weg“ beteiligt gewesen. Ein Leser der Zeitung sieht durch die Berichterstattung mehrere presseethische Grundsätze verletzt. Der Presserat lässt die Beschwerde beschränkt zu auf einen möglichen Verstoß gegen die Ziffer 8 des Pressekodex (Persönlichkeitsrechte). Die Rechtsvertretung der Zeitung steht auf dem Standpunkt, die Frau sei durch ihren Instagram-Account eine Person des öffentlichen Lebens geworden. Sie wurde bewusst von der Dienststelle zur Imagepflege eingesetzt und aufgebaut. Ihr Agieren ist insofern von öffentlichem Interesse. Sie selbst hat in den sozialen Medien die Öffentlichkeit gesucht.

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Herkunft ist von öffentlichem Interesse

Eine Großstadtzeitung berichtet online über die Amokfahrt am Berliner Breitscheidplatz vom Juni 2022. Die Redaktion erwähnt, dass der Autofahrer 29 Jahre alt und Deutsch-Armenier sei. Ein Terrorverdacht bestehe nicht. Ein Leser der Zeitung vertritt die Ansicht, die Abstammung eines Täters habe keine Relevanz, wenn der aktuelle Erkenntnisstand laut Polizei darauf hindeute, dass es sich um eine Amokfahrt gehandelt habe. Es hätten keinerlei Hinweise auf ein z.B. religiös-fanatisch motiviertes Attentat vorgelegen. Die Bezeichnung des Täters als „Deutsch-Armenier“ sei darüber hinaus unklar. Falls der Täter die deutsche Staatsangehörigkeit besitze, sei er Deutscher. Eine Unterscheidung würde suggerieren, dass es Deutsche und „Nicht-so-richtig-Deutsche“ gebe. Eine fremdenfeindliche Lesart im Sinne von „das war also keiner von uns“ möge nicht beabsichtigt sein, sei aber naheliegend und leider häufig. Der stellvertretende Chefredakteur der Zeitung hält die Berichterstattung für presseethisch in Ordnung. Die mediale Aufmerksamkeit für die Amokfahrt sei von Beginn an enorm gewesen. Das habe einen historischen Grund: Die Terrorattacke des Islamisten Anis Amri 2016 fast an gleicher Stelle. Durch die Nennung der Herkunft würden keine diskriminierenden Stereotype bedient oder Gruppen verunglimpft. Eine Verknüpfung mit abwertenden Begriffen liege nicht vor. Die Gruppenzugehörigkeit werde nicht unangemessen herausgestellt, sondern finde sich nur in einer Zwischenüberschrift. Die Gruppenzugehörigkeit – so der stellvertretende Chefredakteur – werde nicht als bloßes Stilmittel benutzt. Es werde über eine schwere Straftat berichtet, an der ein besonderes öffentliches Interesse bestand.

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