Wie hat der Presserat entschieden?
Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.
Bitte beachten: Im Volltext abrufbar sind nur Entscheidungen mit den Aktenzeichen ab 2024, z.B. 0123/24/3!
Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.
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6642 Entscheidungen
Eine Regionalzeitung veröffentlicht einen Leserbrief. Thema ist ein Interview, das die Zeitung mit Markus Lanz geführt hat. Der Leserbrief enthält diesen Satz: „…Schweden hat mit seinem Sonderweg in einem weit weniger besiedelten Land mit bereits viel Abstand im Normalzustand 2,5mal so viele Tote wie Deutschland. 50 Prozent der Alten- und Pflegeheimbewohner sind gestorben.“ Ein Leser der Zeitung kritisiert, dass der Leserbrief zwei falsche Tatsachenbehauptungen enthalte, die bei einfacher Plausibilitätskontrolle bzw. bei einem Faktencheck hätten auffallen müssen. Der Beschwerdeführer sieht in der Veröffentlichung eine Verletzung presseethischer Grundsätze. Es gehe um die Zahl der Corona-Toten in Schweden insgesamt und jene in Alten- und Pflegeheimen. Die Rechtsvertretung der Zeitung weist darauf hin, dass die Veröffentlichung eindeutig als Leserbrief gekennzeichnet sei. Dieser gebe die Meinung des Einsenders wieder, von der sich die Redaktion ausdrücklich distanziere. Bei der Veröffentlichung von Leserbriefen gehe es gerade darum, auch solche Meinungen wiederzugeben, die von der Redaktion nicht geteilt würden. Die Rechtsvertretung zitiert den Bundesgerichtshof. Dieser habe anerkannt, dass eine eigenständige Pflicht der Redaktionen zur Überprüfung von Leserbriefen erst dann bestehe, wenn im Einzelfall schwere Beeinträchtigungen der Rechte Dritter verbunden seien. Das sei hier nicht der Fall. Ein Fehler sei im Leserbrief enthalten und von der Redaktion nicht korrigiert worden: Die Aussage, 50 Prozent der Alten- und Pflegeheimbewohner in Schweden seien gestorben, sei nicht richtig. Aktuelle Statistiken besagten, dass rund 50 Prozent der in Schweden Verstorbenen pflegebedürftig gewesen seien.
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Eine regionale Boulevardzeitung veröffentlicht online und bei Facebook einen Beitrag unter der Überschrift „Mit Corona infiziert / TV-Zuschauer wundern sich – WWM mit frischem Günther Jauch“. Da dürften sich viele TV-Zuschauer gewundert haben, heißt es im Text weiter. Jauch habe seine Sendung „Wer wird Millionär“ moderiert, als wäre nichts gewesen. Dabei hatte der Moderator noch wenige Tage zuvor mitgeteilt, dass er mit Corona infiziert sei. Dazu die Zeitung: Die RTL-Quiz-Sendung sei vor Jauchs Erkrankung aufgezeichnet worden. Ein Leser der Zeitung wendet sich mit einer Beschwerde an den Presserat. Die Überschrift verfälsche die Tastsachen. Sie sei in Corona-Zeiten „total daneben“. Er bezeichnet sie als reine Meinungsmache und Clickbaiting. Mit Journalismus habe diese Überschrift nichts zu tun. Sie passe nicht zum eigentlichen Inhalt. Der Redaktionsleiter schreibt, der Beitrag habe auch in der Redaktionskonferenz am Tag nach der Veröffentlichung für Diskussionen gesorgt. Auch der Autor sei von den Reaktionen überrascht worden und von der Tatsache, dass viele Zuschauer offenbar wüssten, dass die Jauch-Sendung zuweilen aufgezeichnet und zeitversetzt gesendet werde. Der Redaktionsleiter bekennt, dass die Redaktion von Tag zu Tag dazulerne. Heute würde die Veröffentlichung anders aussehen. Die Redaktion habe das Facebook-Teasing nach internen Diskussionen umgehend so geändert, dass direkt zu erkennen sei, dass es sich um eine Aufzeichnung der Sendung gehandelt habe. Die Einleitung laute nun in ihrer korrigierten Form: „Die beliebte Quizsendung ist eine Aufzeichnung. Deshalb lief sie am Montagabend auch mit einem gut gelaunten Günther Jauch als Quizmaster.“
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Eine Boulevardzeitung berichtet online über die Krebserkrankung des YouTubers Philipp Mickenbecker. Die Redaktion zeigt drei Fotos, auf denen Mickenbecker seine nackte Brust präsentiert, die von einem Tumor zerfressen wird. Es sind Ausschnitte aus einem Video, mit dem der YouTuber selbst an die Öffentlichkeit gegangen ist. Der Text wird auf der Startseite mit einem dieser Fotos angeteasert und hat die Überschrift: „YouTube-Star hat Loch in der Brust: Ärzte haben mich aufgegeben“. Eine Leserin der Zeitung fühlt sich unangenehm berührt. Nach ihrer Ansicht hat dieses verstörende Bildmaterial nichts auf der Titelseite zu suchen. In diesem Zusammenhang verweist sie auch auf den Jugendschutz. Die Rechtsvertretung des Verlages lässt die Verfasserin des Artikels auf die Beschwerde antworten. Diese teilt mit, Mickenbecker gehe mit seiner Krebserkrankung in der medialen Öffentlichkeit sehr offen um. Die Autorin berichtet, sie begleite den YouTuber schon eine Weile, und zwar schon vor dessen Erkrankung, weil dieser durch Erfindungen bekannt geworden sei. Hintergrund des Berichts und der Fotos war es zu zeigen, wie tapfer der Mann mit seiner Diagnose umgehe.
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Der Eröffnungstermin zum Ausbau der Zentraldeponie im Verbreitungsgebiet ist Thema in einer Regionalzeitung. Der Beschwerdeführer gehört der Pressestelle der zuständigen Bezirksregierung an. Er wirft der Zeitung vor, der Autor des Berichts habe sich unter Vortäuschung falscher Tatsachen und unter Verschleierung seines journalistischen Ansinnens unberechtigt Zugang zu einem nicht-öffentlichen Verfahren erschlichen. Der Presserat erklärt die Beschwerde für unbegründet, da er eine Verletzung der Ziffer 4 des Pressekodex (Grenzen der Recherche) nicht für gegeben hält. Der Pressesprecher beantragt eine Wiederaufnahme des Verfahrens, der der Presserat stattgibt. Er trägt im Wiederaufnahmeantrag vor, die Entscheidung beruhe auf belegbar wahrheitswidrigen und frei erfundenen Behauptungen der Zeitung. Die Voraussetzungen zur Wiederaufnahme nach § 16 der Beschwerdeordnung seien nach seiner Einschätzung erfüllt. Die Rechtsvertretung der Zeitung weist darauf hin, dass der Autor weder falsche Personalien angegeben noch sonst versucht habe, den Grund seiner Teilnahme zu verschleiern. Er habe schlicht einen zulässigen Weg genutzt, um der Mülldeponie-Erörterung beizuwohnen.
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Eine Regionalzeitung veröffentlicht in ihrer Online-Ausgabe einen Beitrag unter der Überschrift „Sexuelle Nötigung im Vatikan“. Darin geht es um eine Anhörung in Eichstätt wegen Vorwürfen gegen einen Diözesanpriester. Dieser soll einen ihm unterstellten Mitarbeiter sexuell genötigt haben. Von einer „vermeintlichen Straftat“ ist die Rede. Der Artikel ist unter anderem mit einem Schild „Bischöfliches Ordinariat“ bebildert. Bildunterschrift: „Das Bistum Eichstätt versucht zu ermitteln, ob es bei homosexuellen Umtrieben im Vatikan um ein kriminelles Vergehen ging. Und die Bild-Zeitung schlägt daraus Kapital.“ Ein Leser der Zeitung kritisiert die Formulierungen „vermeintliche Straftat“ und „homosexuelle Umtriebe im Vatikan“. Diese verharmlosten die Straftat. Es entstehe der Eindruck, dass die persönliche Meinung des Autors als Tatsachenbericht ausgegeben werde. Das Beschwerdeverfahren wurde in der Vorprüfung auf die Ziffer 12 (Diskriminierungen) erweitert. Der Verfasser des Artikels nimmt zu der Beschwerde Stellung. Die Formulierung „vermeintliche Straftat“ habe er für angemessen gehalten. Weder die Ingolstädter Staatanwaltschaft noch die Diözese Eichstädt als Heimatbistum des Priesters hätten zur Zeit der Berichterstattung eine tatsächlich begangene Straftat festgestellt. Die Staatsanwaltschaft habe das Verfahren inzwischen eingestellt. Die Diözese habe eine kanonistische Voruntersuchung eingeleitet, ohne dass es bisher zu einer Anklageerhebung gegen den Priester gekommen sei. Homosexuelle Verhältnisse oder homosexuelle Seilschaften im Vatikan seien für die Leserinnen und Leser von ganz besonderem Interesse. Daher habe er die Formulierung „homosexuelle Umtriebe“ gewählt. Bei diesem Thema habe durch eine Reihe von Publikationen eine gewisse Sensibilisierung der katholischen Öffentlichkeit stattgefunden.
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Der Prozess und das Urteil gegen einen Mann, der eine Stewardess getötet hat, ist Thema in der Online-Version einer Boulevardzeitung. Er wurde zu lebenslanger Haft verurteilt. Zum Bericht ist ein Foto gestellt, das den Angeklagten Patrick S. mit schwarzem Augenbalken und Maske zeigt. Ein weiteres Bild zeigt das Opfer ohne Verfremdung. Die Bildunterschrift lautet: „Stewardess Sophie N. (23) wurde im Badezimmer ihrer Wohnung mit einem Klappmesser erstochen.“ Ein Leser der Zeitung kritisiert die identifizierbare Abbildung des Tatopfers. Das Foto des Opfers habe keine Relevanz für die Berichterstattung über die Tat bzw. das Verfahren. Selbst wenn die Familie einer Veröffentlichung zugestimmt habe, sei das Foto für die Berichterstattung unerheblich. Die Veröffentlichung des Fotos – so der Beschwerdeführer – schüre möglicherweise Rachegedanken gegen den Täter, der jedoch bereits rechtsstaatlich belangt werde. Die Rechtsvertretung der Zeitung sieht den Opferschutz nach Ziffer 8, Richtlinie 8.2, des Pressekodex nicht verletzt. Der mit der Berichterstattung vor Ort befasste Redakteur habe seinerzeit die Mutter der Ermordeten besucht. Die Mutter habe das Foto ihrer Tochter zur Veröffentlichung freigegeben. Diese Zustimmung sei auch nicht widerrufen worden.
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Eine überregionale Zeitung veröffentlicht online den Beitrag „Berliner Polizei verstärkt Schutz des Bundestages“. Sie berichtet, als Reaktion auf den Sturm auf das US-Kapitol in Washington habe die Polizei die Schutzmaßnahmen am Bundestag erhöht. Die Zeitung zitiert den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder. Auch wenn die Umfragewerte der AfD sinken, bestehe die Gefahr, dass sich aus ihrem Umfeld heraus in Deutschland ein Corona-Mob oder eine Art Corona-RAF bilden könnte, die zunehmend aggressiver und sogar gewalttätig werden könnten. In Berlin hätten Anhänger der sogenannten Querdenker-Bewegung bei einer Demonstration die Stufen des Reichstagsgebäudes gestürmt. Eine Leserin der Zeitung sieht durch die Berichterstattung presseethische Grundsätze verletzt. Sie stört sich an dem Satz, dass in Berlin die sogenannten Querdenker die Stufen des Reichstages gestürmt hätten. Soweit sie den Medien habe entnehmen können, habe die Querdenker-Demo an der Siegessäule stattgefunden. Am Reichstagsgebäude sei eine andere Demo angemeldet gewesen. Die Teilnehmer dieser Demonstration hätten die Stufen zum Bundestag gestürmt. Wenn die Redaktion versehentlich einen Fehler begangen habe, müsse sie dazu stehen. Der Chefredakteur digital der Zeitung teilt mit, die Lage sei nicht so eindeutig, wie es die Beschwerdeführerin beschreibe. An dem besagten Tag sei es in Berlin zu mehreren Demonstrationen gekommen. Er spricht von einem großen Durcheinander. Die Ermittlungsverfahren seien noch im Gange. Nachdem eine sogenannte „Reichsbürgerin“ eine aufrührerische Rede gehalten habe, seien mehrere hundert Personen auf die Treppe des Gebäudes gestürmt und hätten u. a. Reichskriegsflaggen geschwenkt. Darunter seien mit Sicherheit Personen gewesen, die von der Querdenker-Demo herübergekommen seien, ebenso Rechtsextremisten und „Reichsbürger“. Die Redaktion habe die entsprechende Passage mittlerweile präzisiert.
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Ein Internet-Portal für vorwiegend wirtschaftliche Themen veröffentlicht einen Artikel unter der Überschrift „Drogenhandel im Internet: Der Postbote darf jetzt einfach eure Pakete öffnen, wenn er darin Drogen oder Waffen vermutet.“ Ein entsprechendes Gesetz habe der Bundestag verabschiedet. In einer späteren Fassung ist der Text bearbeitet. Die Überschrift lautet nun „Postdienstleister müssen unzustellbare Pakete bei der Polizei abliefern – wenn sie darin Drogen oder Waffen finden“. In dieser Version des Artikels heißt es nunmehr, dass der Bundestag ein Gesetz verabschiedet habe, das Mitarbeiter von Postdienstleistern dazu verpflichte, unzustellbare oder beschädigte Sendungen mit illegalem Inhalt der Polizei zu übergeben. Ein Nutzer des Portals kritisiert die erste Version des Beitrages. Diese sei falsch. Es seien keine neuen Befugnisse für Postboten geschaffen worden. Sie seien lediglich verpflichtet, geöffnete Pakete, die vermuten ließen, dass Straftaten mit ihnen begangen wurden oder begangen werden sollen, unverzüglich der Strafverfolgungsbehörde vorzulegen. Der Chefredakteur des Internet-Portals räumt ein, dass der Redaktion ein Fehler unterlaufen sei. Er bittet, diesen zu entschuldigen. Die falsche Darstellung sei unverzüglich nach Bekanntwerden berichtigt worden. Einen klarstellenden Korrekturvermerk habe das Portal der Berichtigung hinzugefügt.
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Unter der Überschrift „Neue Tourismus-Strategie für die Zeit nach Corona“ berichtet eine Regionalzeitung online über Planungen in zwei Städten des Verbreitungsgebietes. Einige anonyme Beschwerdeführer kritisieren, dass der veröffentlichte Artikel nahezu wörtlich einer Pressemitteilung gleiche, ohne dass dies der Leserschaft erläutert worden sei. Der Chefredakteur der Zeitung nimmt zu den Beschwerden Stellung. Er müsse bedauerlicherweise einräumen, dass in diesem Fall der Inhalt der Pressemitteilung tastsächlich weitgehend wörtlich übernommen worden sei. Dafür entschuldige er sich ausdrücklich, auch wenn die kritisierte Veröffentlichung vor seiner Zeit als Chefredakteur erfolgt sei. Auslöser des Fehlers sei ein Missverständnis in der Kommunikation zwischen Reporter und Blattmachern gewesen. Der Chefredakteur legt Wert auf die Feststellung, dass eine Praxis wie in diesem Fall nicht zum journalistischen Standard seiner Zeitung gehöre.
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Eine Boulevardzeitung berichtet unter der Überschrift „Grüne wollen neue Einfamilien-Häuser verbieten“ über ein Interview, das der Fraktionschef der Grünen im Bundestag, Anton Hofreiter, einem Nachrichtenmagazin gegeben hat. Der Politiker wird mit den Worten zitiert: „Einparteienhäuser verbrauchen viel Fläche, viele Baustoffe, viel Energie, sie sorgen für Zersiedelung und damit auch für noch mehr Verkehr.“ Ein Leser der Zeitung wirft der Redaktion vor, gegen die Sorgfaltspflicht nach Ziffer 2 des Pressekodex verstoßen zu haben. Der Bericht lege nahe, dass Hofreiter auch Eigenheimbesitzer enteignen möchte. Dies sei irreführend. Es gehe um Baulücken und Brachflächen. Im Interview mit dem Nachrichtenmagazin habe Hofreiter ausdrücklich gesagt: „Natürlich wollen die Grünen nicht die eigenen vier Wände verbieten. Die können übrigens sehr verschieden aussehen: Einfamilienhaus, Reihenhaus, Mehrfamilienhaus, Mietshaus. Wo was steht, entscheidet allerdings nicht der Einzelne, sondern die Kommune vor Ort.“ Diese Aussage widerspreche der Formulierung in der Überschrift der Zeitung. Die Rechtsvertretung des Verlages widerspricht der Argumentation des Beschwerdeführers, wonach der Artikel irreführend sei. Die von den Grünen angedachte Enteignung von Baulücken und Brachflächen zur Förderung der sogenannten „Innenverdichtung“ einerseits und das im Raum stehende Verbot des Baus neuer Einfamilienhäuser seien zwei unterschiedliche Themen. Die Überschrift des Artikels beziehe sich jedoch erkennbar und völlig eindeutig nur auf das geplante Verbot neuer Eigenheime. Dass im Text dann auch das Thema „Enteignung“ aufgegriffen werde, sei völlig legitim, da dieser Punkt auch in dem erwähnten Interview thematisiert worden sei. Dass eine Überschrift lediglich Bezug auf einen Teil der im Artikel erörterten Themen nehme, entspreche dem journalistischen Tagesgeschäft.
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