Entscheidungen finden

Wie hat der Presserat entschieden?

Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.

Bitte beachten: Im Volltext abrufbar sind nur Entscheidungen mit den Aktenzeichen ab 2024, z.B. 0123/24/3!

Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.

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Entscheidungsjahr
6642 Entscheidungen

Verdachtsmomente

Eine Lokalzeitung berichtet, dass der Stadtdirektor der im Stadtrat vertretenen Wählerinitiative Betrug bei der Abrechnung von Sitzungsgeldern vorwirft. Der Fraktionsvorsitzende habe nach Ansicht des Stadtdirektors versucht, Sitzungsgelder auch für jene Mitglieder zu kassieren, die zwar Aufgaben innerhalb der Wählerinitiative übernehmen, dafür aber nicht öffentlich legitimiert sind. Die Zeitung zitiert aus einem Schreiben des Stadtdirektors an den Fraktionsvorsitzenden: “...setzen Sie sich durch die Aufnahme eines nicht gewählten Mitgliedes in diese Liste des Verdachts des (versuchten) Betrugs gemäß § 263 StGB zum Nachteil der Stadt ... aus”. Die Wählerinitiative beschwert sich beim Deutschen Presserat. Die Zeitung habe bei ihr nicht nachgefragt, ob das Schreiben des Stadtdirektors der Wahrheit entspreche. So behaupte man falsche Tatsachen und erwecke den Eindruck, dass der Vorwurf bereits erwiesen sei. Der Autor des Artikels weist die Aussage, er habe die Betroffenen zu den Vorwürfen des Stadtdirektors nicht befragt, als unzutreffend zurück. Die Wählerinitiative habe mit Hinweis auf eine einige Tage später stattfindende Fraktionssitzung keine Erklärung abgegeben. Er ist der Auffassung, dass er damit seiner journalistischen Sorgfaltspflicht nachgekommen sei. Am Tage nach der erwähnten Sitzung habe seine Zeitung berichtet, dass der Vorsitzende der Initiative die Vorwürfe des Stadtdirektors entschieden zurückweise. (1996)

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Drogen

Eine deutsche Großstadt will probeweise einhundert Drogensüchtige mit Heroin versorgen. Unter der Überschrift “Ohne Gott hat jeder Verbrecher recht” schreibt der Verleger einer Zeitung dazu einen Kommentar. Darin stellt er u.a. fest: “Die Grünen sehen darin die Chance, über eine fast kostenlose Abgabe (10 DM pro Gramm Heroin) die Drogensucht weiter zu verbreiten und dadurch das Chaos, das uns überall wachsend begegnet, noch zu verstärken.” Der Verfasser schreibt ferner: “In Deutschland zum Beispiel arbeitet die ev. Kirche zielstrebig und zeitgeistorientiert einer Auflösung des christlichen Glaubens zu...”. In einer Beschwerde beim Deutschen Presserat kritisiert ein Leser des Blattes die Unterstellung, die Grünen bemühten sich gezielt um eine Förderung der Drogenabhängigkeit, als eine schlimme Entgleisung. Der Verleger teilt dem Presserat mit, dass er in seinem Kommentar Sachverhalte darstelle, die der Öffentlichkeit bekannt seien. Seinen Ausführungen habe er auch anlässlich der Beschwerde nichts hinzuzufügen. (1997)

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Lügengeschichten

Eine Boulevardzeitung berichtet über die Vorsitzende einer Initiativgruppe vom Zölibat betroffener Frauen, die in einem Schreiben an das zuständige Bistum mitgeteilt habe, sie kenne ein 15jähriges Mädchen, das von einem Pfarrer zum Sex gezwungen worden sei. Das Kind sei dabei geschwängert worden, so dass eine Abtreibung vorgenommen werden müsse. Die Zeitung unterstellt der Frau, dass sie den Pfarrer kennt. Sie unterstellt ihr auch, sie wolle der Staatsanwaltschaft den Namen nicht bekannt geben und sie nehme es lieber in Kauf, dass ein übler Verbrecher ungestraft bleibe. Auf Grund dieser – angenommenen – Verhaltensweise stellt die Zeitung die Frage, ob der ganze Vorgang möglicherweise nur erfunden sei. In der Überschrift heißt es daher “Wer lügt denn da, Frau ...?” Verbunden damit ist ein Wortspiel mit dem Namen der Sozialpädagogin. Die betroffene Frau beschwert sich beim Deutschen Presserat darüber, dass ihr Eigenname zur Unterstützung der Tendenz des Artikels in unzulässiger und journalistisch unredlicher Weise verunstaltet wurde. Ferner beklagt sie inhaltlich falsche Darstellungen. Bei einer einigermaßen seriösen Recherche wäre den Autoren nicht entgangen, dass ihr der Name des beschuldigten Priesters nicht bekannt sei. Etwas anderes hätte sie zu keinem Zeitpunkt angegeben. Die Rechtsabteilung des Verlags teilt in ihrer Stellungnahme mit, dass der Hintergrund des Artikels eine öffentliche Erklärung der Beschwerdeführerin gewesen sei. In dieser Erklärung seien zwar weder der Name des Opfers noch der Name des Täters genannt worden. Die Beschwerdeführerin habe jedoch keinen Zweifel daran gelassen, dass ihr beide Personen bekannt seien. Die Staatsanwaltschaft habe daraufhin ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt eingeleitet, weil die Frau sich weder zur Person des Geistlichen noch zu der des betroffenen Mädchens habe äußern wollen. Sie habe dem Mädchen Anonymität zugesichert, habe sie dazu zunächst gesagt. Dieses Verhalten der Gründerin einer Organisation, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, von Geistlichen “missbrauchten” Frauen zu helfen, sei nur schwer nachvollziehbar und habe Anlass zu Zweifeln gegeben. Dies um so mehr, als die Frau in der Folgezeit ihr Schweigen damit begründet habe, weder den Namen des beschuldigten Priesters noch den des betroffenen Mädchens zu kennen. Dieser offensichtliche Widerspruch zu ihrer früheren Aussage habe der Zeitung Anlass gegeben, den Sachverhalt und das Verhalten der Frau in Frage zu stellen. Der kritisierte Artikel artikuliere nur die Zweifel, zu denen die Beschwerdeführerin mit ihrem Verhalten selbst Anlass gegeben habe. Er enthalte weder unrichtige Behauptungen, noch verletze er die Ehre der Beschwerdeführerin. (1996)

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Wörtliche Rede

Vier Manager von Konzerttagen stehen vor Gericht. Sie sollen Künstler und Fördervereine betrogen und Urkunden gefälscht haben. Unter der Überschrift “In die falschen Tasten gegriffen” berichtet eine Lokalzeitung über das Strafverfahren. In dem Beitrag werden der Staatsanwaltschaft die beiden Zitate “Absahnfirmen” und “Sie mussten teilweise für einen Hungerlohn spielen, während die Angeklagten den großen Reibach machten” zugeschrieben. Der Anwalt eines der Angeklagten beschwert sich beim Deutschen Presserat. Weder in der Anklageschrift, noch in der mündlichen Verhandlung habe die Staatsanwaltschaft eine Erklärung des Inhalts abgegeben, dass die Künstler “teilweise für einen Hungerlohn” spielten, während die Angeklagten “den großen Reibach” machten. Der Autor des Artikels bleibt dabei: Das Zitat der Staatsanwaltschaft sei objektiv richtig und stamme aus der Beweiserhebung. Auf Anfrage teilt die Staatsanwaltschaft dagegen mit, dass sie keine Presseerklärung herausgegeben habe, in welcher das erwähnte Zitat enthalten sei. Auch der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft habe innerhalb und außerhalb der Hauptversammlung die wörtlich zitierte Äußerung nicht abgegeben. In der Anklageschrift seien die genannten Scheinfirmen der Angeklagten auch nicht als “Absahnfirmen” bezeichnet worden. Die Rechtsvertretung der Zeitung sieht in den beanstandeten Formulierungen keine Sinnverfälschung der Anklage. Die Tatsache, dass Künstler mit 2.500 D-Mark bezahlt wurden, demgegenüber 40.000 D-Mark beim Veranstalter abgerechnet wurden, belege augenscheinlich das krasse Missverhältnis, das man in Pointiertheit durchaus als “Hungerlohn” beschreiben könne. Dabei könne es keine entscheidende Rolle spielen, ob die Anklage von “Absahnfirmen” bzw. “Hungerlohn” gesprochen habe oder ob dies durch den Verfasser geschehen sei. (1996)

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Strafvollzug

Angebliche Missstände in einer Justizvollzugsanstalt sind das Thema einer Artikelserie in einem Boulevardblatt. Die Zeitung spricht von einem “Saustall”. Nach der Aussage eines Beamten ist das Wachpersonal käuflich. Außerdem gibt es eine Schutzgeld-Mafia. Gehandelt wird mit Drogen, Sex und Schnaps. Der namentlich nicht genannte Beamte wird wie folgt zitiert: ”Für 10.000 Mark bekommen sie ganz privaten Ausgang. Zwischen 22 und fünf Uhr. Durch die Hintertür hinter dem Sportplatz werden sie nachts herausgelassen. Und können ganz gemütlich ins Städtchen fahren. In aller Regel werden die Herren von einem Chauffeur abgeholt.” Beim Deutschen Presserat gehen zwei Beschwerden über diese Veröffentlichungen ein. Ein Mitglied des Beirats der Anstalt und der Anstaltsleiter selbst vertreten die Auffassung, dass die Serie nicht über die in einem Gefängnis üblichen und keineswegs auszuschließenden Unregelmäßigkeiten berichtet. Allein schon der Titel “Saustall” wolle suggerieren, dass hier ein ganz außergewöhnlicher Skandal aufgedeckt werde. Doch selbst wenn die in den Artikeln enthaltenen Behauptungen wahr wären, könne ihre Abhandlung auf diesem Sex- and Crime-Niveau nicht hingenommen werden. Das Beiratsmitglied wirft dem Autor vor, gar nicht recherchiert zu haben. Die Behauptungen des angeblichen Informanten hätten durch Fragen an jede(n) beliebige(n) Beamtin/Beamten der JVA leicht widerlegt werden können. Da dies offensichtlich unterlassen wurde, dürfe unterstellt werden, dass kein Interesse an der Wahrheit bestand. Wie der Leiter der Anstalt mitteilt, hat die Artikelserie großes Aufsehen erregt. Der Justizminister des Landes hat eine Untersuchungskommission eingesetzt, die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Die Rechtsabteilung des Verlags erklärt, wegen der hoch sensiblen Thematik habe der Redakteur den Gewährsmann sorgfältig auf seine Glaubwürdigkeit und die Zuverlässigkeit seiner Informationen hin überprüft. Er habe sich nicht nur durch Vorlage seines Dienstausweises als JVA-Beamter ausweisen können, er sei auch anderen Mitarbeitern des Hauses als Bediensteter der JVA bekannt. In mehreren Punkten deckten sich die Aussagen des Informanten mit den Berichten von Gefangenen. Die Berichterstattung sei aber auch durch die Äußerungen verschiedener Strafverteidiger, darunter eines namentlich genannten Rechtsanwalts, bestätigt worden. (1997)

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AIDS

Die Titelseite einer Zeitschrift besteht aus dem Foto einer überwiegend in Grün gehaltenen AIDS-Solidaritätsschleife. Der Text dazu lautet: “Ende des Sterbens – Das AIDS-Wunder – Eine neue Wirkstoff-Kombination kann 80 % der Patienten retten (in den reichen Ländern)”. Eine AIDS-Hilfe-Organisation beschwert sich beim Deutschen Presserat. Das Titelblatt vermittele den falschen und trügerischen Schluss, bei AIDS handele es sich auf Grund von neuen Behandlungsmethoden nunmehr um eine heilbare Krankheit. Den Erkrankten würden damit unberechtigte Hoffnungen gemacht und den Nicht-Infizierten falsche Sicherheit vor AIDS vorgegaukelt. Diese Form von Journalismus, der es unter dem Deckmantel der Seriosität nur um Effekthascherei gehe, hält die Beschwerdeführerin für unverantwortlich. Die Chefredaktion der Zeitschrift hat Zweifel, ob das Titelblatt überhaupt vom Inhalt der Titelgeschichte, die es ankündigt, zu trennen ist. In ihr werde der Stand der Behandlungsmöglichkeiten richtig und differenziert dargestellt. Hingegen übersteige es die Möglichkeiten eines Titelblatts, alle Details optisch umzusetzen, die im Interesse der sorgfältigen Berichterstattung in dem zugehörigen Artikel erörtert würden. Dies sei jedoch auch nicht Aufgabe eines Titelblatts, das Dinge plakativ darstellen, zuspitzen und “auf den Punkt bringen” dürfe. Dies gelte um so mehr, wenn medizinische Bewertungen, mithin Meinungsäußerungen, eine zentrale Rolle spielten. Nachdem die Zeitschrift in der Vergangenheit häufig vor den Gefahren durch AIDS gewarnt habe, gehöre es zu ihrer journalistischen Pflicht, einen grundsätzlichen Wandel in der Behandlung AIDS-Kranker zu schildern. Erstmals stünden der Medizin Therapien zur Verfügung, nach deren Anwendung sich bei 80% der behandelten Patienten keine Viren mehr im Blut nachweisen ließen. Dies würde die zu 80% grün gefärbte AIDS-Schleife symbolisieren. Die Chefredaktion führt weiterhin aus, dass gerade am Thema interessierte oder gar betroffene Leser es nicht bei der Betrachtung des Titelblatts belassen, sondern sich anhand der Titelgeschichte informieren würden. (1997)

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Stasi

In einem Kommentar unter der Überschrift “Eine erstaunliche Wahl” befasst sich eine Regionalzeitung mit dem Ergebnis einer Umfrage, laut der Manfred Stolpe der Wunschkandidat der Ostdeutschen für das Amt des Bundeskanzlers ist. Der Autor bezeichnet den brandenburgischen Ministerpräsidenten als “Stasi-Stolpe” und behauptet, dass ihm “in aller Öffentlichkeit das Verbiegen der Wahrheit nachgewiesen wurde” und er ein “eindeutig Stasi-belasteter Mann” sei. Ein Leser des Blattes ärgert sich über diese Vorverurteilung und wendet sich mit einer Beschwerde an den Deutschen Presserat. Er wisse ebenso wenig wie alle anderen, ob Manfred Stolpe für die Stasi tätig gewesen sei. Dieser bestreite das jedenfalls und es habe ihm bisher nichts gegenteiliges nachgewiesen werden können. Die Chefredaktion des Blattes erklärt in ihrer Stellungnahme, ein deutsches Gericht habe entschieden, dass der Name des Betroffenen in Zusammenhang mit der Stasi genannt werden dürfe. Einem Nachrichtenmagazin sei – durch eine einstweilige Verfügung abgesichert – sogar die noch weitergehende Formulierung “Stasi-Spitzel” gestattet worden. Die Chefredaktion vertritt die Ansicht, dass die Freiheit der Meinungsäußerung und die ausdrückliche Zulassung auch “scharfer Waffen” im politischen Meinungskampf selbst ohne diesen Gerichtsentscheid die beklagte Wortwahl in einem Kommentar zulassen würden, zumal Manfred Stolpe eine herausragende Persönlichkeit mit weitreichenden Einflussmöglichkeiten sei. Es handele sich um eine einmalige Kommentierung. Aus der Sicht der Redaktion sei das Thema nicht länger aktuell. Man werde jetzt in Ruhe den Gang weiterer Ermittlungen abwarten. (1997)

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Redaktionelle Mitarbeiter

ine Lokalzeitung berichtet in fünf Beiträgen über Auseinandersetzungen zwischen dem Stadtkämmerer der Gemeinde und deren Bürgermeister. Im Verlauf dieses “Rathausstreits” war der Kämmerer umgesetzt und später vom Dienst suspendiert worden. Er ist freier Mitarbeiter der Zeitung. Zwei der fünf Artikel über die Kontroverse sind mit wörtlichen Zitaten des Kämmerers überschrieben. Diese lauten “Umsetzung ist Willkür” und “Es geht grad’ weiter wie vorher”. Über einen Anwalt legt die Gemeinde Beschwerde beim Deutschen Presserat ein. Die Berichterstattung der Zeitung über die Kontroverse im Rathaus sei einseitig und von privaten Interessen beeinflusst. Die Gemeinde führt das darauf zurück, dass der Kämmerer seit etwa zwei Jahrzehnten als freier Mitarbeiter für die Zeitung tätig sei. Die der Redaktion vorliegenden Informationen stammten fast ausschließlich von dem Kämmerer. Es handele sich hier offensichtlich um eine Berichterstattung aus Gefälligkeit. Die Vorwürfe des Betroffenen, der Bürgermeister übe Schikane und Willkür aus, seien ehrverletzende Behauptungen ohne Substanz. Die Leitung des Verlags bestätigt, dass der Kämmerer regelmäßiger Mitarbeiter der Redaktion sei. Er habe schon “unter der Regie” des vorherigen Bürgermeisters “und in dessen Auftrag” über viele Jahre hinweg die lokale Berichterstattung in der Gemeinde übernommen, auch über die Sitzungen des Gemeinderats. Der Verlag steht auf dem Standpunkt, dass dies nichts ungewöhnliches in deutschen Landen, zumal der Kämmerer auch für zwei andere in der Gemeinde operierende auflagenstärkere Tageszeitungen gearbeitet habe. Dem Mann sei es wegen seiner engen Kontakte zu den Redaktionen wohl auch gelungen, seine Situation “etwas deutlicher rüberzubringen” als der neue Bürgermeister. Es sei aber mit der gebotenen Sorgfalt und Ausgewogenheit über den Streit im Rathaus berichtet worden. Es sei niemals berichtet worden, ohne dass man auch den Kommentar des Bürgermeisters eingeholt habe. (1997)

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Gewalt

Unter der Überschrift “Einem Serienkiller geht es immer um zweierlei: Sex und Macht” veröffentlicht das Magazin einer Tageszeitung ein Interview mit dem renommierten US-amerikanischen Kriminalisten Robert K. Ressler. Der Beitrag enthält Fotos von Serienkillern und deren Opfern. Eines der Fotos zeigt eine nackte Leiche, die an den Füßen aufgehängt ist. Ein Leser des Magazins legt die Seite dem Deutschen Presserat vor. Die Darstellung schade dem Ansehen des Journalismus. Sie sei unangemessen und jugendgefährdend. Mit dem Interview habe man eine rationale Erklärung der Taten und Motive versuchen wollen, die für so viele Menschen einfach nur unbegreiflich seien, so die Chefredaktion. Gleichzeitig sollten die vorangestellten, bis an die Schmerzgrenze authentischen Aufnahmen von Opfern und Tätern einen Blick auf die Ungeheuerlichkeiten dieser Taten in einer Art und Weise ermöglichen, die so noch nicht zu sehen war: So auch das entsetzliche Ausgeliefertsein eines Opfers, das wie Schlachtvieh aufgehängt wurde. Nach einer langen und sehr leidenschaftlichen Diskussion innerhalb der Redaktion habe man sich entschlossen, diese Fotos zu zeigen, weil sie die Abstraktion ( und damit die Mystifikation) der Vorgänge und Taten, wie sie in den Nachrichten zu sehen waren, ebenso unterliefen wie die Darstellung von Gewalt und Mord in Filmen und Romanen, die den Serienmörder (wie in “Das Schweigen der Lämmer”) heroisieren. (1997)

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Werbung

Eine Lokalzeitung veröffentlicht eine Anzeige einer Schülerhilfe, die in der Aufmachung stark einem redaktionellen Beitrag ähnelt. Zwei Tage später erscheint im Blatt unter der Überschrift „Information aus dem Geschäftsleben“ ein mit einem Kürzel gekennzeichneter redaktioneller Beitrag, der sich mit der Arbeit der Schülerhilfe und mit dem neuen Leiter der örtlichen Niederlassung beschäftigt. Ein Leser der Zeitung vermisst in der ersten Veröffentlichung den Hinweis „Anzeige“ und sieht in dem zweiten Beitrag eine unerlaubte Schleichwerbung. Die Redaktion habe eine Pressemitteilung unredigiert übernommen, vermutet er in einer Beschwerde beim Deutschen Presserat. Die Anzeigenleitung der Zeitung gesteht ein, dass im ersten Falle der Hinweis „Anzeige“ angebracht gewesen wäre. In Zukunft werde sie ihre Anzeigen in diesem Punkt unmissverständlicher gestalten. Zum zweiten Teil der Beschwerde teilt die Geschäftsleitung des Blattes mit, in einer Redaktionskonferenz sei die Veröffentlichung ausführlich diskutiert worden. Dabei seien die Mitarbeiter der Redaktion ausdrücklich auf die allgemeingültigen Regeln der redaktionellen Arbeit hingewiesen worden, so dass man hoffe, der Wechsel eines Leiters der Schülerhilfe werde künftig nicht mehr Anlass für ein Foto mit Bildunterschrift sein. (1997)

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