Entscheidungen finden

Wie hat der Presserat entschieden?

Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.

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Entscheidungsjahr
6642 Entscheidungen

Richtigstellung

Eine Regionalzeitung berichtet, dass der Stadtrat zwei Bebauungspläne beschlossen habe. Im Bebauungsplan für den Bootshafen stehe zwar die Stauhöhe des Sees, wie sie im Wasserrechtsbescheid des See-Betreibers festgehalten sei: 784 Meter über Normalnull (NN). Im Stadtrat sei aber betont worden, dass damit seitens der Stadt keine maximale Stauhöhe des Sees festgeschrieben sei. Im Bebauungsplan sei für Gebäude lediglich die maximale Obergrenze vorgegeben. Das heiße: Der Erdgeschoss-Boden eines Hauses dürfe nicht höher als auf 784,60 Meter über NN gebaut werden. Eine Interessengemeinschaft teilt der Redaktion daraufhin mit, die Angabe der Zeitung sei falsch. Der See dürfe nicht bis 784 Meter, sondern nur bis 782 Meter über NN angestaut werden. Vierzehn Tage später korrigiert die Zeitung unter der Überschrift „See-Aufstau nur bis 782 Meter“ ihre Angabe. Warum im Bebauungsplan das falsche Stauziel genannt worden sei, habe man trotz wiederholter Anfrage bei der Stadtverwaltung nicht erfahren können. Man sei noch auf der Suche nach der Fehlerquelle, heiße es. Die Zeitung zitiert auch den Sprecher der See-Anrainer, der einen Aufstau des Sees auf 784 Meter über NN eine Katastrophenlage nennt, da dann das halbe Umland unter Wasser stehe. Der Sprecher der betroffenen Interessengemeinschaft kritisiert in einer Beschwerde beim Deutschen Presserat die Falschberichterstattung im ersten Artikel und führt an, dass auch die vorgenommene Korrektur nicht in Ordnung sei. Die Überschrift des zweiten Beitrages lasse den Leser im Unklaren darüber, ob der sommerliche Normalstau oder der Hochwasseraufstau gemeint sei. Zudem sei die Korrektur eindeutig zu spät erfolgt. Eine Gegendarstellung der Interessengemeinschaft habe die Zeitung nicht abgedruckt. Der Leiter der Lokalredaktion weist darauf hin, dass er in dem strittigen Artikel exakt das berichtet habe, was in der Sitzung des Stadtrates gesagt worden sei. Danach sei im Bebauungsplan „Bootshafen“ die Stauhöhe des Sees, wie sie im Wasserrechtsbescheid des Seebetreibers festgehalten sei, nämlich mit 784 Metern über Normalnull angegeben worden. Dieser Darstellung habe während der Ratssitzung niemand widersprochen. Durch eine Fax-Mitteilung sei er dann darauf aufmerksam gemacht worden, dass die vorgetragene Angabe der Stauhöhe von 784 Metern über NN nicht richtig sei. Die Frage, woher die Zahl stamme, hätte jedoch nicht beantwortet werden könne. Insofern seien weitere Recherchen notwendig gewesen. Er habe jedoch versichert, dass – sollte die Unrichtigkeit der Angabe dabei bestätigt werden – sie entsprechend korrigiert werden würde. Auf Grund der folgenden Weihnachts- und Neujahrsferien sei es jedoch nicht möglich gewesen, bei den zuständigen Behörden einen geeigneten Gesprächspartner zu finden. Schließlich habe man 14 Tage später klargestellt, dass im gültigen Wasserrechtsbescheid von 1960 das Hochwasser-Stauziel des Sees bei 782 Metern über NN liege. Bei ihren weiteren Recherchen habe die Redaktion dann erfahren, dass die Zahl 784 auf eine Studie aus dem Jahre 1985 zurückgehe. Vier Wochen später habe man ein Gespräch der See-Anrainer mit dem Umweltminister zu einer neuerlichen Richtigstellung des Sachverhaltes genutzt. (2000/2001)

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Zulässige Meinungsäußerung 2

Personelle Verflechtungen bei Betrieben der Stadt sind Thema eines Artikels, der in einer Regionalzeitung unter der Überschrift „Privilegienstadel“ erscheint. Von dem Beitrag betroffene Kommunalpolitiker halten in dem Beitrag aufgestellte Behauptungen für falsch. Zum Beispiel sei es falsch, dass ein namentlich erwähnter Mann an der Spitze der Bäderbetriebe stünde. Die Beschwerdeführer sind der Auffassung, dass der von der Zeitung erhobene Vorwurf der Klüngelei nicht haltbar sei. Sie wenden sich an den Deutschen Presserat. Die Chefredaktion der Zeitung teilt mit, dass man einem der erwähnten Kommunalpolitiker angeboten habe, sich in einem Leserbrief zu den Vorwürfen zu äußern. Dieser habe aber darauf verzichtet. Dass die Zeitung mit ihrem Vorwurf nicht allein sei, bewiesen Beiträge in anderen Blättern. Entgegen der Auffassung der Kommunalpolitiker sei eine Verknüpfung zwischen städtischen Betrieben durchaus gegeben. Die Stadtwerke seien schon vor Jahren in die Schlagzeilen geraten. Damals sei eine Villa in bester Stadtlage einem SPD-Stadtrat verkauft worden, der zugleich Angestellter der Stadtwerke gewesen sei. So habe der Mann einen deutlichen Informationsvorsprung gehabt. Der Verkauf sei auch nicht öffentlich ausgeschrieben worden, sondern in nichtöffentlicher Sitzung dem Mitarbeiter der Stadtwerke und SPD-Ratskollegen zugesprochen worden. Diese Verquickungen von Informationsvorsprüngen und Ämterhäufungen bei den Stadtwerken – in einem Fall war der Vater Vorsitzender der Stadtwerke, der Sohn Bädermanager – habe die Redaktion zu dem Kommentar bewogen. Dabei werde mit deutlicher Meinung auf die Hintergründe des Augenblicks und der Vergangenheit hingewiesen. (2001)

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Foto nicht manipuliert

Betroffene nicht gehört

Unter der Überschrift „Eine Verhöhnung unserer Arbeit“ berichtet eine Regionalzeitung über die Konsequenzen, die der Lehrer einer Musikschule aus einem Gespräch zieht, das er mit Mitgliedern der SPD-Kreistagsfraktion über die „düstere Lage“ der Musikschule geführt hat. Mit fassungslosem Entsetzen habe der kämpferische Diplom-Rock-Gitarrist zur Kenntnis nehmen müssen, dass sich Teile der SPD-Fraktion eines großen Teils ihrer Verantwortung für Bildung und Kultur zu entziehen versuchten. Die Zeitung zitiert aus einem Brief des Musikpädagogen, in dem dieser dem Fraktionsvorsitzenden und dessen Mitstreitern Arroganz, Ignoranz, Inkompetenz sowie Mangel an Einsichtsfähigkeit in einem Maße vorwerfe, wie er es in vielen Gesprächen mit vielen Politikern aller Couleur noch nicht erlebt habe. Eine derartige Geringschätzung, teils geradezu eine Verhöhnung der Arbeit, der Ziele und des Einsatzes der Schule, ebenso von Schülern und deren Eltern, sei ihm bisher fremd gewesen. Energisch lehne es der Dozent ab, die Musikschule zu einem Spielball der Parteien verkommen zu lassen. Ähnlich äußert sich ein Musikwissenschaftler, der gleichfalls an dem „vertraulichen“ Gespräch mit den Kommunalpolitikern teilgenommen hatte. Der angesprochene Vorsitzende der SPD-Kreistagsfraktion wehrt sich gegen diese Berichterstattung mit einer Beschwerde beim Deutschen Presserat. Der Beitrag der Zeitung informiere nicht sachlich. Einseitig werde über die Ansicht des betroffenen Musiklehrers berichtet, ohne den Lesern die Argumente der SPD-Fraktion mitzuteilen. Die wiedergegebene Kritik sei zudem ehrverletzend. Die Chefredaktion der Zeitung teilt mit, der betroffene Musiklehrer und sein Kollege hätten sich an die Zeitung gewandt mit der Bitte, über die Angelegenheit zu berichten. Dem Verfasser des Artikels sei es darauf angekommen, die Stimmungslage wiederzugeben, in der sich die beiden Musiklehrer nach dem Gespräch befunden hätten. Das politische Gezänk um die Schule sei bereits mehrfach Thema von Berichten gewesen. Als der Beschwerdeführer sich über den Artikel beschwert habe, habe man ihm angeboten, in einem weiteren Artikel seine Sicht der Dinge darzustellen. Davon habe er jedoch keinerlei Gebrauch gemacht. Insgesamt könne die Chefredaktion an keiner Stelle des kritisierten Berichts Beleidigungen oder Herabsetzungen erkennen.

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Geiselnahme

Ein Nachrichtenmagazin meldet, der Niederlassungsleiter eines deutschen Pharmakonzerns in Guatemala sei vor einer Woche aus seiner Wohnung entführt worden. Eine bisher unbekannte Guerilla-Organisation fordere für die Freilassung des Managers fünf Millionen Dollar. Der 46-jährige deutsche Familienvater, der mit einer Südamerikanerin verheiratet sei, lebe seit mehreren Jahren in Guatemala. Die Meldung löst eine Beschwerde des Pharmakonzerns aus. Auswärtiges Amt und Unternehmen hätten zur Vermeidung von zusätzlichen Risiken für den Entführten die Medien, die in dieser Sache mit einer zuständigen Stelle Kontakt aufgenommen hätten, um ein abgestimmtes Verhalten ersucht und gebeten, auf eine Berichterstattung über den Fall bis zu dessen Abschluss zu verzichten. Im Falle der vorliegenden Veröffentlichung sei nach eigenen Erkenntnissen weder der Pharmakonzern noch eines der zuständigen Ämter von der Redaktion kontaktiert oder befragt worden. Wie aus einem Brief der Redaktion hervorgehe, habe sich die Redaktion nicht einmal bemüht, bei der Firma zu diesem Vorgang nachzufragen. Angesichts der erkennbaren Brisanz einer laufenden Entführung sehe man jedoch die journalistische Pflicht zur Recherche besonders hoch an. Man hätte erwartet, dass sich das Magazin die Meldung vor der Veröffentlichung von dem Unternehmen oder von in Deutschland beteiligten Behörden bestätigen lassen würde. Da dies offenbar nicht der Fall gewesen sei, habe weder das Auswärtige Amt noch die Firma des Entführten Gelegenheit gehabt, die Magazinjournalisten auf die Brisanz einer möglichen Veröffentlichung aufmerksam zu machen. Die Rechtsabteilung des Magazins teilt mit, dass dpa bereits am 10. Mai 2001 gemeldet habe, ein Deutscher sei in Guatemala entführt worden und die deutsche Botschaft in Guatemala habe diese Entführung bestätigt. Daraufhin habe ein Mitarbeiter der Redaktion Quellen aus dem Sicherheitsapparat des Bundesrepublik angesprochen, die ihm seit Jahren als zuverlässig und vertrauenswürdig bekannt seien. Von diesen Quellen sei ihm der Sachverhalt bestätigt worden. Zusätzlich habe er weitere Detailinformationen, so z.B. den Namen des Betroffenen, erhalten. Auf Grund dieser Informationen sei es nicht erforderlich gewesen, noch bei dem Pharma-Unternehmen oder beim Auswärtigen Amt anzurufen. Das Magazin habe daraufhin in zutreffender Weise ohne Nennung des Namens des Betroffenen kurz über den Sachverhalt berichtet. Diese Meldung unterscheide sich zu vorangegangenen dpa-Meldungen nur darin, dass als zusätzliches Detail der Name des Unternehmens und die Höhe des Lösegeldes enthalten waren. Die Rechtsabteilung ist der Ansicht, dass die kurze Meldung die Bemühungen zur Freilassung des Entführten nicht gefährdeten. Dies zum einen schon deshalb, da das Magazin in Guatemala nicht verbreitet werde. Des Weiteren auch deshalb, weil der Name des Entführten nicht genannt werde. Bei der kurzen Berichterstattung habe die Redaktion das Informationsinteresse der Öffentlichkeit gegen das Interesse des Opfers und anderer Betroffener abgewogen. Es bestehe kein Zweifel daran, dass auf Grund der Gefahrenlage in Südamerika und der Umstände, dass dort immer wieder deutsche Manager entführt würden, die Öffentlichkeit an der bloßen Nachricht ein erhebliches Interesse habe. Über Entführungen in Südamerika werde – leider nahezu täglich – berichtet. Die Berichterstattung darüber habe nach Kenntnis der Redaktion bislang in keinem einzigen Fall zu einer Gefährdung der Geiseln geführt. (2001)

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Theologische Definitionen

Eine Zeitschrift lässt verschiedene Theologen zum Thema „Die Attentate in den USA und die Endzeitaussagen der Bibel“ Stellung nehmen, um damit die Breite des Meinungsspektrums aufzuzeigen, das im Protestantismus vorhanden ist. In einem der Beiträge äußert sich ein Theologieprofessor u.a. wie folgt: „Der Islam war die größte satanische Gegenaktion gegen das aufkommende Christentum und ist noch immer die stärkste Macht sowohl gegen das Judentum (Israel!) als auch das Christentum (einschließlich des mächtigsten christlich geprägten Landes auf Erden: Amerika). Grundsätzlich ist jede christliche Häresie ein Wegbereiter des Antichristen, aber der extreme Islam ist der mächtigste.“ Ein Leser ruft den Deutschen Presserat an. Die Formulierungen des Theologen verletzen seiner Meinung nach das religiöse Empfinden und diskriminieren alle Menschen islamischen Glaubens. Die Chefredaktion der Zeitschrift legt Wert auf die Feststellung, dass es sich bei dem strittigen Beitrag nicht um eine redaktionelle Meinungsäußerung handele. Der Autor argumentiere bewusst von einer biblisch-fundamentaltheologischen Perspektive aus. Diese beurteile alles, was nicht christlich sei, als unter unchristlichem Einfluss. Er berufe sich auf das letzte Buch der Bibel, die Offenbarung des Johannes, die ebenso von antichristlichen Mächten wie vom Satan und satanischen Mächten rede. Diese seien im Verlauf der Kirchengeschichte immer wieder neu interpretiert und mit realen historischen Erscheinungen in Verbindung gebracht worden. Die Bezeichnung „antichristlich“ beschreibe in diesem Kontext gerade keine diskriminierend herabsetzende Position gegenüber dem Islam und werte diese auch nicht moralisch ab, sondern werde dem Selbstverständnis des Koran gerecht. Der Koran würdige Jesu als herausragenden Propheten, lehne aber den Anspruch, Sohn Gottes, d.h. der Christus zu sein, dezidiert ab. Der Koran sei im Hinblick auf diese Frage bewusst gegenchristlich. Dies habe, theologisch beurteilt, auch satanologische Implikationen, die der Autor sachgemäß benenne. (2001)

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Vorverurteilung

„Das Doppelleben des Taxi-Monsters“ betitelt eine Boulevardzeitung ihren Bericht über die Festnahme eines Mannes, dem vorgeworfen wird, in seinem Taxi brutal eine junge Frau vergewaltigt zu haben. Die Zeitung zeigt ein Foto des Mannes, nennt Vornamen und Initial des Nachnamens, gibt sein Alter an, beschreibt ihn als kleinen, korpulenten Spanier und erwähnt, wo er wohnt. Tagsüber habe er für eine Sicherheitsfirma gearbeitet, nachts ein Taxi gefahren. Seine Ehefrau sei Krankenschwester. Der Anwalt des Betroffenen beschwert sich beim Deutschen Presserat. Nach seiner Ansicht wird das Persönlichkeitsrecht des Verdächtigen sowie das seiner Ehefrau verletzt. Die detaillierten Angaben zur Person machten das Ehepaar identifizierbar. Zudem werde der Mann vorverurteilt, da der Artikel den Eindruck erwecke, er sei bereits der Tat überführt. Die Redaktionsleitung beruft sich auf Auskünfte der Ermittlungsbehörden. Diese hätten zum Zeitpunkt der Veröffentlichung keinen Zweifel daran gelassen, dass der Täter gefasst sei. Auf Grund der auffälligen und entstellenden Zahnlücke auf dem Phantomfoto sei der Gesuchte nicht nur in ihrer Zeitung, sondern auch in anderen Publikationen allgemein als „Taxi-Monster“ bezeichnet worden. Zwischenzeitlich sei der Beschuldigte aus der Haft entlassen worden. Das Gericht gehe davon aus, dass bei der Identifizierung den Ermittlern ein Fehler unterlaufen sei. (2001)

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Sinnentstellung

Wie eine Lokalzeitung berichtet, hat der Landrat den Ausschluss der Öffentlichkeit beim Abwahlverfahren gegen den Bürgermeister der Stadt für nichtig erklärt. Die Idee, die Sache nicht öffentlich zu behandeln, habe der Bürgermeister selbst zur Abstimmung gebracht, wonach er einen entsprechenden Hinweis bekommen habe. Der betroffene Bürgermeister wendet sich an den Deutschen Presserat. Die Formulierung in dem vorliegenden Artikel suggeriere, dass er den Ausschluss der Öffentlichkeit selbst initiiert habe. Er habe vielmehr aus dem Rat den Hinweis erhalten, dass die Kommunalordnung eine Nicht-Öffentlichkeit fordere. Die Chefredaktion der Zeitung teilt dem Presserat mit, mit der kritisierten Formulierung werde lediglich zum Ausdruck gebracht, dass der Bürgermeister selbst als Leiter der Ratsversammlung den Beschluss, die Öffentlichkeit auszuschließen, herbeigeführt habe. Es werde jedoch nicht unterstellt oder suggeriert, dass er die nichtöffentliche Sitzung selbst gewünscht habe. (2001)

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Vorverurteilung

Unter der Überschrift „Taxi-Monster wurde identifiziert“ berichtet eine Boulevardzeitung über die Festnahme eines angeblichen Vergewaltigers. Der Taxifahrer habe eine 35-jährige Frau mit einem Messer bedroht und vergewaltigt. Jetzt, 88 Tage nach der schlimmen Tat, habe das Opfer den Mann im Rahmen einer Gegenüberstellung zusammen mit fünf Kripobeamten einwandfrei als Täter identifiziert. Der Betroffene wird in einem Foto gezeigt. Sechs Wochen später berichtet das Blatt, das Taxi-Monster sei monatelang von einer Soko der Polizei gejagt und schließlich festgenommen worden. Die Sex-Bestie müsse sich demnächst vor der Großen Strafkammer wegen Vergewaltigung verantworten. In beiden Veröffentlichungen wird der Betroffene mit Vornamen und Initial des Nachnamens genannt. Sein Alter ist angegeben. Außerdem wird der Ort erwähnt, wo er festgenommen worden ist. Der Anwalt des Verdächtigen beschwert sich beim Deutschen Presserat. Eine Gegenüberstellung mit fünf Kripobeamten, bei der sein Mandant die Nummer 4 getragen haben soll, habe es nicht gegeben. Sein Mandant bestreite auch nach wie vor die Tat. Er werde in übelster Weise als „Taxi-Monster“ und „Sex-Bestie“ bezeichnet. Diese Bezeichnung verletze die Ehre des Mannes und sei eine Vorverurteilung. Die Rechtsabteilung des Verlages gesteht ein, dass eine Gegenüberstellung nicht stattgefunden habe. Diese Aussage beruhe auf einer missverständlichen Information. Allerdings widerspreche die Darstellung nicht gänzlich der Wahrheit. Bevor der Beschwerdeführer dem Opfer als einzelner vorgeführt worden sei, habe die Zeugin ihn anhand seines Fotos, das ihr unter 75 anderen Bildern Verdächtiger vorgelegt worden sei, wieder erkannt. Die Formulierung „Taxi-Monster“ sei nicht im Zusammenhang mit der Ergreifung des Beschwerdeführers geprägt worden, sondern gelte demjenigen Mann, der in diesem und im vergangenen Jahr eine oder möglicherweise mehrere Frauen in der Region bei Taxifahrten vergewaltigt habe. Der Begriff gelte also dem wahren Täter. Er werde im Zusammenhang mit einem Phantombild des Täters verwendet und nicht etwa im Zusammenhang mit einem Foto des Beschuldigten. Die Verwendung des Begriffs sei gerechtfertigt, da er Ausdruck der besonderen Missbilligung sei. Ob der Beschwerdeführer tatsächlich das gesuchte „Taxi-Monster“ sei, würden die weiteren Ermittlungen bzw. die Hauptverhandlung erweisen. Eine Vorverurteilung finde nicht statt. Der erste Artikel befasse sich im Wesentlichen mit den Wahrnehmungen und Reaktionen des Opfers auf die Konfrontation mit dem Beschwerdeführer. Auch im zweiten Bericht werde kein Zweifel daran gelassen, dass der Verdächtige bisher lediglich beschuldigt und nicht bereits verurteilt sei. (2001)

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Gerichtsberichterstattung

Eine Tageszeitung berichtet über den Prozess gegen einen Mann, dem vorgeworfen wird, ein 12-jähriges Mädchen vergewaltigt und ermordet zu haben. Zwei Passagen in dem Artikel veranlassen einen Rechtsanwalt zu einer Beschwerde beim Deutschen Presserat. Einmal ist davon die Rede, dass dem Angeklagten „angesichts der besonderen Schwere seiner Schuld eine lebenslange Haft mit anschließender Sicherheitsverwahrung droht“. An anderer Stelle heißt es: „An dem Tag, an dem sie von dem 25-jährigen Schulabbrecher, Arbeitslosen und Nichtskönner...angefahren, verschleppt, missbraucht und erdrosselt wurde“. Der Beschwerdeführer ist der Ansicht, dass es purer Zynismus sei, den Angeklagten als Schulabbrecher, Arbeitslosen und Nichtskönner zu qualifizieren. Zudem werde er vorverurteilt, da die Autorin von der Schuld des Mannes ausgehe, noch lange bevor der Prozess beendet sei. Die Chefredaktion der Zeitung erklärt, es sei Tatsache, dass der Angeklagte nicht nur Schulprobleme gehabt, sondern auch keinen Schulabschluss geschafft habe. Auch seine Versuche, eine Lehre abzuschließen oder einer geregelten Arbeit nachzugehen, seien ebenso gescheitert. Der Beschwerdeführer könne nicht bestreiten, dass der Angeklagte arbeitslos sei. Die Aneinanderreihung dieser Fakten im Zusammenhang mit der Darstellung dessen, was dem Angeklagten im Zusammenhang mit dem Tod des ermordeten Mädchens vorgeworfen werde, habe nichts mit Zynismus zu tun. Der Angeklagte habe bei seiner Verhaftung ein umfängliches Geständnis abgelegt. Bei diesem Geständnis sei er bis heute geblieben. Die Feststellung einer schweren Schuld könne nicht, wie der Beschwerdeführer es meine, als ausschließlicher juristischer Terminus angesehen werden, dessen Wertung Laien verwehrt sei. Es sei der Allgemeinheit wohl nicht verwehrt, die Schwere seiner Schuld selbst zu bewerten. Dies gelte auch für die Medien. (2001)

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