Wie hat der Presserat entschieden?
Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.
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6642 Entscheidungen
Eine Zeitschrift verkündet in der Schlagzeile eines Aufmachers, dass ein bekannter deutscher Fernsehmoderator, seine Frau und seine Töchter in großer Gefahr seien. Das Villen-Viertel, in dem die Familie wohne, befinde sich im Fadenkreuz einer heimtückischen Verbrecherbande, die sich auf Einbruch spezialisiert habe. Die Polizei ermittele fieberhaft und fahre in den gefährdeten Straßen verstärkt Streife. Die Rechtsvertretung des Paares ist der Ansicht, dass der Artikel nicht das enthalte, was die als Sensation aufgemachte Überschrift verspreche. Für die Bewohner der „Promi-Gegend“ bestehe keine Gefahr, demzufolge auch nicht für die Familie des Fernsehmoderators. Dem Leser werde dies aber nicht verdeutlicht, weil sonst die ausschließlich auf den TV-Prominenten bezogene Aufmachung in sich zusammenbrechen würde und der Leser begreifen würde, dass Verlag und Redaktion ihn an der Nase herumgeführt hätten. Die Rechtsvertretung der Zeitschrift weist darauf hin, dass innerhalb weniger Wochen in der nächsten Umgebung des Hauses der genannten Familie neunmal eingebrochen worden sei. Dass die Familie als Anlieger von diesen Vorgängen unmittelbar betroffen sei, stehe außer Frage. Es bestehe daher kein Zweifel an einer tatsächlichen Gefährdungslage. Dies gelte insbesondere in Ansehung der Anzahl der erfolgten Einbrüche, der Mentalität der vermuteten Täter, der Attraktivität des Anwesens und vor allem des Umstandes, dass Lebensgefährtin und minderjährige Tochter des Fernsehmoderators sich regelmäßig über längere Zeiträume allein in dem abgelegenen Haus aufhielten. Über diese Gefährdungslage habe die Zeitschrift in zulässiger Weise berichtet. Die Redaktion habe mit der Verwendung des Begriffs „Gefahr“ zutreffend und unzweideutig auf die bestehende Möglichkeit eines Schadenseintritts hingewiesen. Die Informationen entstammten ausnahmslos öffentlichen Quellen. Der Wohnort des Beschwerdeführers sei bekannt und von diesem selbst öffentlich gemacht. (2001)
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Eine Boulevardzeitung verkündet am 3. November 2001 auf ihrer Titelseite unter der Schlagzeile „Milzbrand – Groß-Alarm in Deutschland“, dass ein verdächtiger Brief in Thüringen und 30 Pakete in Schleswig-Holstein die Polizei alarmiert haben Erste Tests hätten gefährliche Milzbranderreger zu Tage gefördert. Erst eine neue Untersuchung im Berliner Robert-Koch-Institut habe Erleichterung gebracht. Wahrscheinlich enthalte die Post doch keine Milzbranderreger. Das Blatt schreibt: „Das endgültige Ergebnis wird erst heute vorliegen.“ Ein Leser sieht in der Schlagzeile Panikmache, da bereits am Abend des 2. November 2001 bekannt gewesen sei, dass ein Fehlalarm vorgelegen habe. Die dann veröffentliche Schlagzeile sei unverantwortlich. Die Chefredaktion der Zeitung teilt mit, dass die Behörden in Thüringen und Schleswig-Holstein den Milzbrand-Verdacht verbreitet hätten. Alle Medien hätten über die Möglichkeit der Gefahr berichtet. Ihre Zeitung habe bereits auf der Titelseite darauf hingewiesen, dass wahrscheinlich doch kein Milzbrand vorliege. Das endgültige Ergebnis werde jedoch erst am Erscheinungstag der konkreten Ausgabe erwartet. Somit habe die Zeitung ihre Leser bereits am 3. November mit der positiven Hoffnung des Falschalarms konfrontiert. Eine endgültige Entwarnung sei allerdings noch nicht möglich gewesen. Dies gelte im übrigen für die gesamte Presse. (2001)
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Dem Geschäftsführer eines Klinikums wird Bestechlichkeit vorgeworfen. Gleichzeitig äußert eine Boulevardzeitung den Verdacht, die für die Klinik zuständige Dezernentin habe ihn gedeckt. Der mittlerweile aus seinem Amt ausgeschiedene Geschäftsführer sieht sich vor verurteilt. Er weist darauf hin, dass die ihm zur Last gelegten Vorwürfe nicht bewiesen seien, und schaltet den Deutschen Presserat ein. Er kritisiert zudem die Veröffentlichung seines Namens und seines Fotos. Falsch sei auch, dass er gemeinsam mit der Dezernentin ein Doppelhaus bewohne. Die Redaktionsleitung der Zeitung steht auf dem Standpunkt, dass an der Berichterstattung ein hohes öffentliches Interesse bestanden habe. Der Beschwerdeführer sei als Kommunalpolitiker und als Chef einer großen Klinik im Zusammenhang mit Bestechung und Bestechlichkeit als relative Person der Zeitgeschichte einzustufen. Deshalb seien die Nennung seines Namens und der Abdruck seines Fotos gerechtfertigt gewesen. Eine Vorverurteilung liege nicht vor. Bereits am Anfang des Artikels werde durch den Gebrauch des Konjunktivs deutlich gemacht, dass es sich bei den geschilderten Vorgängen um Verdachtsmomente handle. (2001)
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Ein Fernsehstar besitzt mehrere Miethäuser in einer norddeutschen Stadt. Nachdem eine Frau mit drei Kindern ihre Miete nicht mehr zahlen kann oder will, wird ihr gekündigt. Nachbarn protestieren öffentlich mit Transparenten gegen die Kündigung. Eine Boulevardzeitung berichtet und bringt Zitate, die die Frau jedoch nicht geäußert haben will. Die Rechtsvertretung der Gekündigten teilt mit, dass die Zitate nicht von ihrer Mandantin stammen. So werde behauptet, sie bekomme 3040 Mark vom Staat, bezahle aber ihre Miete nicht. Sie arbeite als Wahrsagerin, was die Frau jedoch bestreitet. Die öffentlichen Vorwürfe veranlassen die Rechtsvertretung der Betroffenen, den Deutschen Presserat anzurufen. Die regionale Redaktion der Boulevardzeitung teilt mit, dass der Berichterstattung im wesentlichen Gespräche eines Redakteurs mit der Frau zugrunde gelegen hätten. Die Zitate seien korrekt wiedergegeben worden. In einem zweiten Telefonat habe sich die Frau zudem positiv über den ersten Artikel geäußert und keine Fehler moniert. Richtig sei allerdings der Einwand der Beschwerdeführerin, dass sie keine 3040 Mark vom Staat bekomme. Eine Teilsumme davon werde von den Kindsvätern aufgebracht und nicht vom Staat. Auch bezüglich des Mietrückstandes sei der Redaktion ein Fehler unterlaufen. So sei die Beschwerdeführerin nicht mit drei, sondern lediglich mit zwei Monatsmieten im Rückstand gewesen. (2001)
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„Bislang dachten wir immer, Christen sind die klügsten Menschen der Welt, jetzt stellt sich heraus, es sind Muslime“, stellt eine Tageszeitung fest. Unter der Überschrift „Mullahs immer klüger“ berichtet sie, dass im indischen Unionsstaat Gujarat die Muslime das Fernsehen für ein verheerendes Erdbeben, das sich zweieinhalb Wochen zuvor ereignet hat, verantwortlich machen. Hunderte Fernsehgeräte seien daraufhin von Hausdächern geworfen oder mit Eisenstangen zerstört worden. Allein in der Stadt Surat seien rund 400 Geräte zerschlagen worden. Dort habe ein islamischer Kleriker erklärt, das Fernsehen habe die Gedanken der Menschen vergiftet und Allah erzürnt, und dies sei die Ursache für das Beben. Die Zeitung folgert daraus: „Während wir im gedankenfaulen Europa die geistigen Auswirkungen von ‚Arte‘, dem ‚ARD-Presseclub‘ und dem ‚ZDF-Nachtstudio‘ völlig unterschätzen, weiß der kluge Mullah längst: Allah ist groß, Allah ist mächtig, er hat einen Arsch von drei Meter sechzig.“ Die Veröffentlichung löst drei Beschwerden beim Deutschen Presserat aus. Der Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland sieht darin eine Verunglimpfung der Muslime und eine Verletzung der religiösen Gefühle aller Moslems. Der Beitrag verspotte und beleidige Allah. Der Webmaster Muslim-Markt sieht in dem Text einen Angriff auf den muslimischen Glauben. Solche Äußerungen seien dazu angebracht, den Frieden zu stören. Die Koordinierungsräte der Türkischen Vereine in Deutschland erklären, dass durch die Veröffentlichung nicht nur alle Moslems, sondern alle Menschen beleidigt und diffamiert werden, die an Gott glauben. Dieser Artikel sei der gravierendste Verstoß gegen den Pressekodex, der aus muslimischer Sicht vorstellbar sei. Die Chefredaktion der Zeitung teilt in ihrer Stellungnahme mit, dass die kritisierte Passage ein Kinderreim sei und in mehreren Formen existiere. Diese Versionen stünden in der Tradition der Pfarrerverse, die ihren Witz daraus beziehen, dass religiöse Figuren mit unerwarteten, meist sexuellen Motiven konfrontiert würden. Solche Scherzreime hätten eine Art Blitzableiterfunktion, indem sie die Macht der Religion unterlaufen und ihre Zwanghaftigkeit ins Lächerliche kippen ließen. Der im Kontext des Erdbebentextes veröffentlichte Vers solle demonstrieren, dass, wenn jemand derart infantile Reaktionen auf eine Naturkatastrophe zeige, man mit Hilfe kindisch alberner Komik die Auswirkungen dieses religiösen Handelns entlarven müsse. Damit Komik entlarvend wirke, müssten Regeln verletzt werden. Vor allem die Regeln, die angeblich von einer höheren Macht aufgestellt worden seien und in deren Auftrag religiöse Führer anderen Menschen etwas wegnehmen oder verbieten wollten. (2001)
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Eine Lokalzeitung berichtet in verschiedenen Artikeln über Personalien bzw. Personalauswahlverfahren innerhalb der Stadtverwaltung. Teilweise werden dabei die vollen Namen von Bewerbern genannt. In anderen Fällen werden die Nachnamen abgekürzt, jedoch Alter und Details zum beruflichen Werdegang veröffentlicht. Die Pressesprecherin der Stadt reicht eine Beschwerde beim Deutschen Presserat ein. Nach Ansicht der Stadtverwaltung ist es nicht gerechtfertigt, die Bewerber in der Berichterstattung identifizierbar zu machen. Die Beschwerdeführerin beanstandet ferner, dass in einem Fall unter Nennung von Name und Funktion über eine Kündigungsabsicht berichtet worden sei, obwohl der Hauptausschuss der Stadt einen entsprechenden Beschluss noch nicht gefasst hatte. Die Sitzungsdrucksache sei einen Tag vor Veröffentlichung noch maßgeblich verändert worden, so dass die Zeitung in einem entscheidenden Punkt auch noch falsch berichtet habe. Die Chefredaktion der Zeitung vermutet, dass der Bürgermeister mit seiner Beschwerde den Versuch unternehme, die Lokalredaktion für ihre kritische Berichterstattung über die Stadtverwaltung und die Kommunalpolitik zu disziplinieren. Die Bewerbungssituation für steuerfinanzierte Stellen der öffentlichen Verwaltung sei für die Bürger von herausragender Bedeutung. Deshalb sei es für die Zeitung selbstverständlich, dass sie darüber berichte. Dabei hätten die Leser sehr wohl einen Anspruch darauf, schon im Verlauf des Bewerbungsverfahrens und nicht erst nach der Anstellung unterrichtet zu werden. Für die Wahrung der Vertraulichkeit des Bewerbungsverfahrens sei ganz sicher die ausschreibende Stelle, aber wohl kaum die örtliche Zeitungsredaktion verantwortlich. Interessen des Persönlichkeitsschutzes allgemein versuche die Redaktion nach Möglichkeit durch Anonymisierung gerecht zu werden. Die Berichterstattung über die anstehende Kündigung des Geschäftsführers eines Tochterunternehmens der Stadt habe zum Zeitpunkt der Veröffentlichung nicht nur dem Kenntnisstand der Redaktion entsprochen, sondern auch dem Stand der politischen Diskussion Dass später anders entschieden worden sei, könne keinen Anspruch darauf begründen, dass man mit der Berichterstattung immer so lange warte, bis eine offizielle Entscheidung getroffen worden sei. (2001)
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Eine überregionale Zeitung berichtet über die Auseinandersetzungen im Nahen Osten. In dem Beitrag heißt es, die israelische Armee habe Hamas-Mitglieder bzw. Hamas-Aktivisten getötet. Ein Leser kritisiert die Bezeichnung „Hamas-Mitglieder“, da diese von israelischen Stellen übernommen worden sei. Es handle sich um eine nicht bewiesene Tatsachenbehauptung. Der Beschwerdeführer, der den Deutschen Presserat anruft, hält es nicht für richtig, dass die Zeitung an prominenten Stellen wie Bildunterschrift und Artikelüberschrift eine Behauptung aufstelle, die erst in der vierten Textspalte mit dem Hinweis „nach israelischer Darstellung handelt es sich um Mitglieder der radikalen Hamas-Gruppe“ zurecht gerückt werde. Die Rechtsabteilung der Zeitung erklärt, bei dem fraglichen Foto handle es sich um ein Agentur-Bild, bei dem eine Nach-Recherche generell nicht erforderlich sei. Des Weiteren könne man sich auf Erklärungen von Regierungsstellen verlassen; eine Überprüfung sei auch hier nicht notwendig. Die in dem Artikel veröffentlichten Aussagen, bei den Toten handle es sich um Hamas-Terroristen, seien deshalb journalistisch vertretbar. (2001)
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