Wie hat der Presserat entschieden?
Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.
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6642 Entscheidungen
Das blutüberströmte Gesicht eines Opfers illustriert den Bericht einer Boulevardzeitung über ein Bombenattentat in Jerusalem. Eine Leserin ruft den Deutschen Presserat an. Das Foto im Großformat sei eine Zurschaustellung eines bedauernswerten Opfers. Die Art und Weise dieser Berichterstattung sei abstoßend, unüberlegt und rücksichtslos. Die Chefredaktion der Zeitung hält die Veröffentlichung solcher Fotos für richtig, um das schreckliche Verbrechen eindringlich zu schildern, das als politische Tat ausgegeben werde. Man könne vor brutalen Anschlägen dieser Art nicht die Augen schließen. Dies käme einem Verschweigen der Wahrheit gleich. (1997)
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„Wärterin trieb es mit Häftling“, „Sex-Orgien hinter Gittern“ und „Ein Häftling: So trieb ich’s mit der Wärterin“ sind die Schlagzeilen der Artikelserie einer Boulevardzeitung über den Verdacht des sexuellen Missbrauchs von Gefangenen durch zwei Mitarbeiterinnen einer Justizvollzugsanstalt. Das zuständige Justizministerium ist der Ansicht, dass die Artikel eine Vielzahl präjudizierender Passagen enthalten. Es beschwert sich beim Deutschen Presserat. Durch Begriffe wie „sexhungrig“ werde die Menschenwürde der Beteiligten verletzt. Schließlich berühre die Berichterstattung auch die Privatsphäre der Ehemänner der beiden Frauen. Die Redaktionsleitung beruft sich auf die Aussage eines Oberstaatsanwalts, der zum Zeitpunkt der Veröffentlichung sich sicher gewesen sei, dass die Vorwürfe gegen die Mitarbeiterinnen der JVA begründet seien. Sie räumt jedoch ein, dass es sinnvoll gewesen wäre, zu erwähnen, dass die Überschrift auf einer Aussage des Staatsanwalts beruht. Der Beitrag „So trieb ich’s mit der Wärterin“ gebe die Aussagen eines Zeugen wieder, der mit einer der beschuldigten Frauen sexuelle Kontakte gehabt haben will. Dabei werde erwähnt, dass es sich um den Vorwurf eines Häftlings handelt und dieser der Hauptbelastungszeuge der Staatsanwaltschaft sei. Die Redaktionsleitung verweist abschließend auf einen vierten Artikel, in dem darüber berichtet wird, dass ein weiterer Hauptbelastungszeuge ein notorischer Lügner sei, der möglicherweise die Vorwürfe erfunden haben könnte. (1997)
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In einem Kommentar macht der Redakteur einer Lokalzeitung dem Vorsitzenden einer Fraktion im Gemeinderat den Vorwurf, seine Verschwiegenheitspflicht verletzt und Ausschussinterna an die Öffentlichkeit gebracht zu haben. Er wolle damit die Ansiedlung einer PVC-Verarbeitungs-Fabrik im Luftkurort verhindern. Nicht nur dem Gewerbestandort, sondern auch seiner Partei füge er damit Schaden zu. Der Betroffene wehrt sich mit einer Beschwerde beim Deutschen Presserat. Er beurteilt den Beitrag als üble politische Nachrede. Die Darstellung sei falsch, da die gesamte Fraktion die kritisierte Entscheidung mitgetragen und in einer gemeinsamen Presseerklärung der Öffentlichkeit mitgeteilt habe. Die Chefredaktion des Blattes erklärt, der Vorwurf an den Beschwerdeführer, er habe die Verschwiegenheitspflicht verletzt, beruhe auf einer entsprechenden Erklärung des Bürgermeisters, die gleichfalls in der Zeitung veröffentlicht worden sei. Im Kommentar sei lediglich die Frage gestellt worden, ob der Vorsitzende des Bauausschusses durch sein Verhalten nicht ansiedlungswillige Unternehmen verprellt habe. Denn die Stadt habe gerade ein großes Gewerbegebiet aufgebaut und suche nach Investoren. (1997)
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Der Feuilletonchef einer Zeitung soll entlassen werden. Der Vorgang mobilisiert einen großen Teil der Leserschaft. Mitarbeiter der Universität schalten eine Anzeige im Blatt, die sich gegen die geplante Entlassung wendet. Der Chefredakteur der Zeitung nimmt in einem redaktionellen Beitrag auf der selben Seite Stellung zu den Argumenten der Kritiker und verteidigt seine Entscheidung. Einer der Autoren der Anzeige, Professor an der Universität, moniert beim Deutschen Presserat eine Verletzung guter journalistischer Sitten. Er ist der Ansicht, dass die Zeitung in unfairer Art und Weise ihre Monopolstellung ausnutzt, und äußert Zweifel, ob die Anzeige unter diesen Umständen überhaupt bezahlt werden muss. Da der betroffene Chefredakteur den Verlag inzwischen verlassen hat – der Feuilletonchef ist geblieben – äußert sich die neue Chefredaktion zu der Beschwerde. Sie behauptet nicht, dass der Artikel zufällig auf der Seite gestanden hat, auf der auch die Anzeige platziert war. Sie betont aber, dass er auch nicht willkürlich dort stand. Da die öffentliche Diskussion über den Vorgang fast ausschließlich im Verlagsort gelaufen sei, habe man es für sinnvoll gehalten, den Text im entsprechenden Lokalteil zu veröffentlichen. Nach Ansicht der Chefredaktion lassen sich Inhalt und Platzierung des Artikels plausibel begründen, ohne zu unterstellen, die Monopolstellung sei unfair ausgenutzt worden oder es sei nur darum gegangen, die Anzeige zu konterkarieren. Gleichzeitig räumt sie ein, dass dieser Effekt jedoch eingetreten sein könnte. (1997)
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Ein prominenter Bundestagsabgeordneter fährt Straßenbahn, ist in Eile, lässt sich am Fahrscheinautomaten von einem Jungen erklären, welchen Knopf er gedrückt hat, und bewegt, da er dasselbe Ziel wie der Junge hat, denselben Knopf, steckt sein letztes Kleingeld in den Schlitz. Während der Fahrt entdeckt er zu seinem Schreck, dass er eine Kinderkarte gelöst hat. Er greift nach der Geldbörse, um eine andere Karte zu lösen, und stellt fest, dass er sein Portemonnaie vergessen hat. Ein Kontrolleur taucht auf, sieht sich die Kinderkarte an, nickt und geht weiter. „Klar“, so der Abgeordnete später, „dass ich blass um die Nasenspitze war!“ Eine Boulevardzeitung greift den Vorgang auf und macht daraus eine große Geschichte: „Schwarz gefahren“. Sie dichtet einen Wortwechsel zwischen dem „Schwarzfahrer“ und dem Kontrolleur zusammen und legt letzterem die Verwarnung in den Mund: „Beim nächsten Mal macht das 60 Mark!“. Sie zitiert schließlich den Sprecher der Stadtwerke dahingehend, dass der Vorgang nicht aktenkundig sei, Schwarzfahren allerdings normalerweise 60 Mark koste. Der Betroffene fordert eine Richtigstellung. Seine Erklärung, dass es keine Schwarzfahrt war, sondern ein Irrtum, steht anderntags im Blatt. Der Politiker wendet sich dennoch an den Deutschen Presserat. Die Behauptung, er sei „schwarzgefahren“, sei falsch, da er nicht ohne Karte, sondern mit einem ermäßigten Ticket gefahren sei. Der Wortwechsel zwischen ihm und dem Kontrolleur sei frei erfunden, da der Kontrolleur die falsche Karte überhaupt nicht erkannt habe. Zudem enthalte der Beitrag erfundene Zitate von ihm. Auch die Stellungnahme der Stadtwerke werde offenbar falsch wiedergegeben. Er sieht in der Veröffentlichung eine Ehrverletzung. Die Richtigstellung reiche nicht aus, da sie auf Seite 26 veröffentlicht sei und nicht, wie der Ursprungsartikel, auf der Titelseite. Die Rechtsabteilung des Verlages erwidert, die Veröffentlichung stimme in ihren wesentlichen und entscheidenden Grundzügen mit der Geschichte überein, wie sie der Beschwerdeführer selbst erzähle. Eine wortgetreue Wiedergabe werde im Rahmen eines journalistisch sorgfältigen Verhaltens nicht gefordert. Die Verwendung des Begriffs „Schwarzfahren“ enthalte lediglich eine Wertung, die weder die Erfüllung eines Straftatbestandes noch die Verwirklichung einer Ordnungswidrigkeit voraussetze. Im übrigen würden in der juristischen Literatur ganz unterschiedliche Tatbestände unter dem Begriff des „Schwarzfahrens“ behandelt. Unstreitig sei, dass der Abgeordnete keinen gültigen Fahrausweis bei der Benutzung der Straßenbahn gehabt habe. Dies verpflichte ihn gemäß § 9 Abs.1 Nr.1 der Verordnung über die allgemeinen Beförderungsbedingungen des Straßenbahnverkehrs zur Zahlung eines erhöhten Beförderungsentgelts. Auch der nicht juristisch vorgebildete Leser würde hier unbefangen von „Schwarzfahren“ sprechen. Einen Verstoß gegen den Pressekodex sieht der Verlag daher nicht begründet. (1997)
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Von „Horror-Rennen“ in Japan berichtet eine Zeitschrift. Es sei unfassbar: „Weil geldgierige Japaner wett-verrückte Zuschauer gnadenlos abzocken wollen, jagen sie junge Vollblüter mit tonnenschweren Gewichten über eine mörderische Rennstrecke“. Dies sei, so die Zeitschrift, eine brutale Horror-Folter, bei der die gequälten Pferde nicht die geringste Überlebenschance hätten. Dem Beitrag über die Pferdeschlittenrennen in Japan ist eine Vielzahl von Fotos beigestellt. Die Deutsche Reiterliche Vereinigung beschwert sich beim Deutschen Presserat. Der Artikel enthalte mehrere falsche Tatsachenbehauptungen. Ein Teil der Fotos sei nicht authentisch. Schließlich diskriminiere diese Veröffentlichung die Japaner. Die Rechtsvertretung des Verlages erklärt, es sei eine Tatsache, dass in Japan solche Rennen veranstaltet werden. Bei der Veröffentlichung sei zu berücksichtigen, dass jede Publikation ihren ganz spezifischen Leserkreis mit den Mitteln erreichen müsse, welche dieser auch verstehe. Das Anliegen der vorliegenden Veröffentlichung seien der Tierschutzgedanke und die Mobilisierung der Menschen gegen die in dem Artikel geschilderten Praktiken. Andere Publikationen hätten gleichfalls über diese Rennen berichtet. (1997)
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Eine Lokalzeitung berichtet, dass das Landgericht sechs Rumänen wegen des Diebstahls großer Mengen Zigaretten zu Haftstrafen verurteilt hat. Wenige Tage später informiert sie ihre Leser, dass die Polizei zwei junge Kurden „aus dem Verkehr gezogen“ hat, weil sie im Stadtpark einen schwunghaften Heroinhandel betrieben haben. Ein Leser schreibt dem Deutschen Presserat. Er sieht keinen begründbaren Sachbezug, der die Nennung der Staatsangehörigkeit der an den genannten Vorfällen Beteiligten gerechtfertigt hätte. Die Zeitung entgegnet, der Leser müsse die Nationalität der mutmaßlichen Täter wissen, damit er die geschilderten Vorgänge beurteilen könne. Die Tatsache, dass bei bestimmten Straftaten besonders häufig Tätergruppen einer Nationalität oder ethnischen Abkunft auffällig würden, sei kriminalstatistisch und kriminalsoziologisch nachgewiesen. Die Veröffentlichung dieser Tatsache – auch im Einzelfall – diene nicht der Diskriminierung, sondern der Information über die Wirklichkeit, damit sich die Leser ein Urteil über Entwicklungen im In- und Ausland bilden könnten. Würde tatsächlich konsequent in solchen Fällen auf die Mitteilung von Nationalitäten verzichtet, wüssten die Mediennutzer bis heute nicht, dass es ein Kriminalitätsproblem durch den Zerfall des kommunistischen Zwangssystems im Osten gebe. Das Vertrauensverhältnis zwischen Lesern und Journalisten würde beschädigt, wenn wichtige Informationen zur Beurteilung eines Zusammenhangs aus „pädagogischen“ Gründen weggelassen würden. (1997)
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Ein Boulevardblatt berichtet über einen Weltenbummler, der ein „Ekelpaket“ sei. Er liege mit sechs Familien in seiner Straße im Streit, habe auf offener Straße eine Nachbarin gar eine „Drecksau“ genannt. Der betroffene Mann beklagt sich beim Deutschen Presserat über eine einseitige Berichterstattung, die ihn diffamiere und seinen Ruf schädige. Ferner kritisiert er das Verhalten des Autors, der bei seinem Besuch angegeben habe, er wolle über die Reisen des Hausherrn berichten. Erst am Ende des Gesprächs habe er darauf hingewiesen, dass der Nachbarschaftsstreit der eigentliche Anlass seines Besuchs sei. Die Chefredaktion der Zeitung ist der Ansicht, der prominente Weltenbummler sei in der strittigen Veröffentlichung auch positiv dargestellt worden, müsse sich allerdings auch Kritik gefallen lassen. Man habe seine guten und seine schlechten Taten einander gegenübergestellt, so dass von einer diskriminierenden Aussage nicht gesprochen werden könne. Letztlich sei auch zu berücksichtigen, dass die bayerische Sprache in ihrer Ausdrucksweise wesentlich deftiger sei als Mundarten anderer Regionen. (1997)
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Unter der Überschrift „Ich wollte es nicht, ich musste es tun“ berichtet eine Zeitschrift auf der Basis eines persönlichen Gesprächs mit einem mutmaßlichen Sexualmörder in der Haftanstalt über dessen Lebensgeschichte und den Mord an einem zehnjährigen Mädchen. In einer Passage des Beitrags schildert der Mann, dass er sich selbst befriedigt habe, während das Kind neben ihm auf dem Bett lag. Eine Leserin kritisiert in einer Beschwerde beim Deutschen Presserat die Verhaltensweise der Redaktion, die einem mutmaßlichen Sexualmörder Gelegenheit gebe, seine sexuellen Praktiken im Zusammenhang mit der Tötung eines Kindes öffentlich darzulegen. Dies verstoße gegen die Menschenwürde des getöteten Kindes und seiner Eltern und sei unangemessen sensationell, da kein öffentliches Interesse an dieser Darstellung vorliege. Die Rechtsabteilung hält die Reportage für sensibel und zurückhaltend. Die Autorin versuche, ihren Lesern die Hintergründe einer solchen Tat begreiflich zu machen. Das schließe das Wissen und Verständnis um die sadistischen Phantasien während der Kindheit des Täters und die Beschreibung der Tat selbst ein. Ohne das beanstandete Zitat oder eine entsprechende Textstelle wäre ein Verständnis dessen, wie der Zwang während der Tat wirke, kaum darstellbar gewesen. Man würde anderenfalls Persönlichkeit und Tat schlicht nicht verstehen können. Insgesamt sei die Reportage um Distanz bemüht. Dass die Auseinandersetzung mit der schrecklichen Tat für die Angehörigen nicht angenehm sei, sei verständlich. Es bestehe aber ein starkes öffentliches Interesse daran, unabhängig und möglichst authentisch über eine solche Tat und die Täterstrukturen aufgeklärt zu werden. Die Zeitschrift gesteht ein, dass die Beschwerde die Redaktion nachdenklich gemacht hat. Der Vorgang habe zu internen Diskussionen geführt mit dem Ergebnis, dass man in Zukunft noch sorgfältiger als bisher prüfen werde, wie detailliert eine derartige Tat geschildert werden könne, um eine Beeinträchtigung der Angehörigen so gering wie möglich zu halten. (1997)
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„Eine tragische Erscheinung“ betitelt eine Lokalzeitung ihren Nachruf auf einen ehemaligen Redaktionskollegen. Darin lobt und tadelt sie zugleich. Der Verstorbene sei ein profunder Kenner der lokalen Szene gewesen und habe mit einem bemerkenswerten geisteswissenschaftlichen Hintergrund sowie einer sprachlichen Diktion, wie sie in dieser Ausprägung nur selten anzutreffen sei, in seiner ihm eigenen „Schreibe“ das Leben seiner Heimatstadt transparent gemacht. Allzu deutlich habe er seine Redaktionskollegen seine Geringschätzung spüren lassen. Sie wiederum hätten an ihm bemängelt, dass er u.a. vom Zeitungsmachen und von den Bedürfnissen der Leser nichts verstehe, permanent Nachricht und Meinung vermische. Schließlich wird erwähnt, dass es dem Verlag nicht gelungen sei, den talentierten Schreiber vom Laster des Alkohols zu befreien und seinen körperlichen Verfall zu stoppen. Ein Leser des Blattes schaltet den Deutschen Presserat ein. Er verweist auf die Richtlinie 8.3, die besagt, dass körperliche und psychische Erkrankungen oder Schäden grundsätzlich in die Geheimsphäre des Betroffenen fallen. Der Verleger der Zeitung, zugleich Autor des Nachrufes, gesteht ein, dass einige Passagen des Beitrags möglicherweise zu harsch geschrieben seien. Darin schwinge jedoch eine Verbitterung darüber mit, dass es ihm nicht gelungen sei, den Redakteur in einer lebenswürdigen Bahn zu halten. Ausführlich schildert er, wie es mit seinem ehemaligen Mitarbeiter ständig bergab gegangen sei. Und wie er sich bemüht habe, dies zu verhindern. Abschließend zitiert er einen „besonnenen, honorigen Bürger“ der Stadt, der ihm bestätigt habe, dass er treffender die Tragik des Verstorbenen nicht hätte herausstellen können: „Wer ihn kannte, wird auch Ihre Empfindungen verstehen.“ (1997)
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