Wie hat der Presserat entschieden?
Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.
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6642 Entscheidungen
Eine Mutter tötet ihre beiden Töchter und nimmt sich anschließend selbst das Leben. Die Zeitung am Ort berichtet über die Familientragödie, nennt die vollständigen Namen der Täterin, ihres Ehemanns sowie der Opfer. Selbst der Arbeitsplatz der Täterin wird genannt. Die Zeitung berichtet in Wort und Bild auch über das Begräbnis und veröffentlicht u.a. ein Sterbebild der Toten. Im Artikel wird erwähnt, dass auf Wunsch der Gemeinde Kirche und Friedhof für die Journalisten und Fotografen verschlossen gewesen seien. Im folgenden wird – auch mit Foto dokumentiert – berichtet, wie dieser Wunsch umgangen wurde. Eine Leserin der Zeitung legt Beschwerde beim Deutschen Presserat ein. Sie kritisiert Missachtung des Persönlichkeitsrechts und unlautere Methoden bei der Beschaffung von Informationsmaterial. Die Chefredaktion des Blattes hält die Beschwerde für unbegründet und verweist auf Exklusivverträge des Ehemannes der Täterin mit privaten TV-Sendern. (1995)
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Unter der Überschrift „Mitterand – jeder Schritt tut ihm weh“ berichtet eine Boulevardzeitung über den Zustand des damals todkranken ehemaligen Staatspräsidenten Frankreichs. Zwei Fotos zeigen ihn, gestützt auf Leibwächter und Leibarzt, bei einem Spaziergang über das Marsfeld in Paris. Sechs Wochen später folgt ein zweiter Bericht: Francois Mitterand ist gestorben. Die Zeitung zeigt unter der Schlagzeile „Das letzte Foto vor dem Tod“ den Todkranken, mit geschlossenen Augen in einem Liegestuhl auf der Terrasse eines ägyptischen Hotels liegend. Ein Leser der Zeitung legt Beschwerde beim Deutschen Presserat ein. Er sieht in der Veröffentlichung der Fotos eine eklatante Verletzung der geschützten Privatsphäre des ehemaligen Staatspräsidenten. Die Platzierung des zweiten Artikels kritisiert er zudem als Geschmacklosigkeit. Das „letzte Foto vor dem Tod“ steht in Nähe einer Käsewerbung und eines „Fast-Nackedei-Fotos“. Die Chefredaktion der Zeitung ist der Auffassung, dass die Fotos sowohl dokumentarischen als auch historischen Charakter haben. In zeitnahem Abstand zur aktiven Präsidentschaft gäben sie Aufschluss über den Zustand von Mitterand in seiner letzten Amtsphase. Die Öffentlichkeit habe ein erhebliches Interesse daran gehabt, über den gesundheitlichen Zustand des Präsidenten informiert zu werden. Die selben Fotos seien in französischen Publikationen erschienen und für die Veröffentlichung in anderen Presseerzeugnissen außerhalb Frankreichs zur Verfügung gestellt worden. (1995/96)
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Die zunehmende Akzeptanz spiritueller Bewegungen und esoterischer Zirkel in der bundesdeutschen Gesellschaft bietet einem Nachrichtenmagazin Anlass zu einer Titelgeschichte unter der Überschrift »Soviel Psi war nie«. Der Beitrag greift u. a. auf die Entstehung der theosophischen Bewegung im letzten Jahrhundert zurück. Zum Charakter dieser Bewegung schreibt die Zeitschrift, sie sei synkretistisch und als Treuhänder des »Wahrheitskerns aller Religionen« in elitären Zirkeln organisiert gewesen. Weiter heißt es, dass sich »aus rassistischem Elitebewusstsein begründete faschistoide Tendenzen bei manchen Theosophen« bis in gewisse esoterische Kreise heutiger Tage erhalten hätten. In einer Beschwerde beim Deutschen Presserat beklagt eine Theosophische Studiengruppe eine Verunglimpfung der Theosophie. Insbesondere weist sie die Behauptung als falsch zurück, bei manchen Theosophen seien faschistoide Tendenzen festzustellen. Vielmehr seien die Theosophen während der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt worden, alle theosophischen Vereine etc. seien verboten worden. Die theosophische Bewegung sei damals wie heute unpolitisch. Der Beschwerdeführer sieht in der Berichterstattung eine Verletzung der Sorgfaltspflicht der Presse. Die Chefredaktion des Magazins weist darauf hin, dass sie den Theosophen nicht unterstellt habe, sie seien rechtsradikal aktiv. Der Artikel stehe auch nicht im Widerspruch zum Schicksal der Theosophen während der Zeit des Nationalsozialismus. Hinsichtlich der vom Beschwerdeführer beanstandeten Passage »Aus rassistischem Elitebewusstsein begründete faschistoide Tendenzen bei machen Theosophen haben sich bis in gewisse esoterische Kreise heutiger Tage erhalten« verweist die Redaktion auf wissenschaftliche Literatur. Diese dokumentiert und Überliefert die in der genannten Passage enthaltenen Aussagen. Unter Verweis auf verschiedene Belegstellen in der Literatur ließen die Schriften der Russin Helena Petrowna Blavatsky, mit der die Entfaltung der Theosophie im 19. Jahrhundert eng verbunden sei, rassistisches Elitebewusstsein und einen Anspruch der Theosophen auf Führerschaft erkennen. Außerdem enthielt sie »rassenhygienische« Überlegungen. Aufgrund dessen hält die Chefredaktion die Bezeichnung »faschistoide Tendenzen« in bezug auf »manche Theosophen« für gerechtfertigt. Zum Beleg der Aussage, dass sich faschistoide Tendenzen bis in gewisse esoterische Kreise heutiger Tage erhalten hätten, führt die Redaktion den theosophischen Autor Charles W. Leadbeater als sog. Klassiker der Esoterik an. Dieser habe in seinen Schriften das Aussterben der Naturvölker zur »karmischen Unvermeidbarkeit« erklärt, da die germanisch-nordische Rasse als höher entwickelte Seelen bereits Über diese hinweg geschritten seien. Auf diese Weise werde in Esoterik-Kreisen auch der Holocaust gerechtfertigt. (1995)
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Eine Tageszeitung berichtet über die Festnahme eines mutmaßlichen Polizistenmörders. Dabei wird die Wohnanschrift der Eltern des Festgenommenen genannt, Ein Leser des Blattes ruft den Deutschen Presserat an. Mit der Veröffentlichung der Anschrift seien Repressalien bis hin zur Selbstjustiz Tür und Tor geöffnet. Die Fahndungsaktion vor und indem Haus der Eltern des Gesuchten sei mit einem solch hohen Aufwand betrieben worden, erklärt die Zeitung, dass die Adresse nicht zu verheimlichen gewesen sei. Fernsehsender hätten aktuelle Aufnahmen von der Erstürmung gebracht: Während einer Pressekonferenz habe die Polizei zudem die Adresse bekannt gegeben. Der Vater des Festgenommenen habe sich in einer Boulevardzeitung abbilden lassen. Auch die Wohnung sei fotografiert und die Adresse im Bildtext aufgeführt worden. Die Familie des mutmaßlichen Täters habe sich über die Veröffentlichung nicht beschwert. (1995)
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Unter der Überschrift »Rainer ist böse« veröffentlicht das Jugendmagazin einer Tageszeitung eine Reportage über gewaltbereite und -tätige Jugendliche. Der Autor des Berichts beschreibt, wie er das Vertrauen von vier Jugendlichen gewinnt und mit ihnen durch die Straßen streift. Dabei werden im Beisein des Journalisten zahlreiche, immer stärker eskalierende Straftaten verübt: von vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs bis hin zu mehreren Sachbeschädigungen. Schließlich überfallen die vier einen ängstlichen, älteren Passanten und treten mit Stahlkappenstiefeln ihrem Opfer wiederholt in Magen und Unterleib. Sie drücken das blutende Gesicht des Wehrlosen in eine Pfütze und verhöhnen ihn: »Hör auf zu flennen!«. Seine eigene Rolle bei die sei Überfall beschreibt der Journalist selbst so: »Ich habe nur zugesehen. Nur zugesehen. Beobachtungen.« Ein Leser der Zeitschrift beklagt sich beim Deutschen Presserat. Diese Art von Journalismus sei skandalös und gesellschaftsverändernd. Durch ein solches Verhalten würden Täter zu weiteren Straftaten ermutigt und Opfer zusätzlich eingeschüchtert. Die Chefredaktion teilt mit, dass gegen den Autor des Artikels ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der unterlassenen Hilfeleistung und er Beihilfe zu Straftaten anhängig sei. Dabei handele es sich nicht um die Schilderung realer Begebenheiten. Der Verfasser habe vielmehr Erlebnisse von Jugendlichen, die er während seiner Zivildienstzeit in einem Jugendzentrum gehört habe, in seinem Beitrag verarbeitet. Der Überfall auf den Passanten sei dagegen frei erfunden. Auch die Person des Rainer, dessen familiäres und soziales Umfeld der Text beschreibt, ist eine Fiktion. Absicht des Autors sei gewesen, seine Erfahrungen und Informationen zum Thema personalisiert darzustellen, den Leser auch in bezug auf die Situation sozial nicht integrierter Jugendlicher zum Nachdenken anzuregen. Die Redaktion räumt ein, dass der Bericht »ungewöhnlich sein mag«. (1995)
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Eine Lokalzeitung berichtet über einen tödlichen Unglücksfall. Ein 28jähriger war mit einem selbstgebauten Floß verbotenerweise durch den unteren Durchlass der Sperrmauer eines Stausees gefahren und dabei ertrunken. Der Verunglückte wird mit vollständigem Namen genannt. Die Eltern sind schockiert über die Offenlegung aller persönlichen Daten ihres Sohnes und führen Beschwerde beim Deutschen Presserat. Die Redaktion teilt mit, dass sie sich bei solchen Unglücksfällen an die Verhaltensweise der Polizei halte. Wenn diese den Namen nenne, handele die Redaktion ebenso. Zudem sei der Name im dörflichen Umkreis des Verunglückten jedermann sofort geläufig gewesen. (1995)
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Eine lllustrierte berichtet über einen Prozess, in dem zwei Männern Freiheitsberaubung, Körperverletzung und sexuelle Nötigung vorgeworfen wird. Die beiden Angeklagten und Verurteilten hatten einen 24jährigen Angolaner in ihrer Wohnung wie einen Sklaven gehalten und gequält, Das Opfer hatte die beiden Täter zuvor in der neuapostolischen Gemeinde kenne gelernt. In dem Bericht heißt es, die Täter seien »fanatische Anhänger der Neuapostoliker« gewesen, »bekannt für hierarchische Strukturen und rigide Moralvorstellungen. Die christliche Sekte, von Aussteigern als, Konglomerat aus Lieblosigkeit und Überheblichkeit; aus Allmachtsfantasien und dumpfem Okkultismus beschrieben, war für sie Lebensinhalt.« Ein Mitglied der Neuapostolischen Kirche beschwert sich beim Deutschen Presserat. Der Bericht verletze durch seine gewollt herabsetzende Weise nicht nur das Persönlichkeitsrecht der Neuapostolischen Kirche, sondern auch das religiöse Empfinden der knapp eine halbe Million neuapostolischer Christen in Deutschland. Die Zeitschrift ist der Auffassung, ihr Bericht halte sich im Rahmen zulässiger Äußerungsfreiheit, Die im Bericht aufgeführten Äußerungen von Aussteigern seien authentische Zitate aus Briefen an den Beauftragten einer Evangelischen Landeskirche für Sekten- und Weltanschauungsfragen. (1995)
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Unter der Überschrift »Dat Unwesen« kommentiert eine Lokalzeitung die Gelage von Nichtsesshaften, Alkoholsüchtigen und Drogenabhängigen auf dem Marktplatz und am Stadttor der Stadt. Vielen Bürgern sei dieser Personenkreis ein Dorn im Auge. Wörtlich heißt es: "Selbst wenn keine reale Gefahr von ihnen ausgeht, so stellen sie doch eine latente Bedrohung dar«. Und weiter: »Fakt ist, dass Nichtsesshafte; Alkis und Junkies im Straßenbild stören«. Fast täglich könne man Mitglieder der Alkoholszene beobachten, die ungeniert in den Blumenrabatten Wasser lassen. Schließlich fordert der Autor ein verstärktes Eingreifen der Stadt. Diese habe es in der Hand; ein Platzverbot auszusprechen und den Betroffenen möglicherweise andere Versammlungsflächen zuzuweisen. Zum Schluss schreibt die Zeitung: »Dieser Kommentar soll kein Ruf nach dem starken Mann oder nach dem harten Besen sein. Gesetze sind aber dazu da, dass sie auch gezielt angewendet werden. Mitleid und tätige Hilfe für alle diese Personengruppen sind daneben jederzeit angebracht und gefordert. Dafür muss sich das Problem aber nicht täglich zum Nachteil der Öffentlichkeit abspielen«. Eine Leserin des Blattes sieht Ziffer 9 des Pressekodex verletzt und schaltet den Deutschen Presserat ein. Die Chefredaktion ist sich bewusst, dass sie ein heißes Eisen angepackt hat. Man habe sämtliche Leserbriefe zu diesem Kommentar abgedruckt. Insofern könne von unbegründeten Beschuldigungen, insbesondere ehrverletzender Natur, wie es in Ziffer 9 heiße, in keinem Fall die Rede sein. (1993)
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»Teenager-Eifersucht« titelt ein Boulevardblatt und berichtet über »Schüsse in der Englisch-Stunde«. Ein 15jähriger unglücklich verliebter Junge tötet mit einer Waffe des Vaters aus Eifersucht eine 14jährige Mitschülerin. In der Schlagzeile ist ein Foto der beiden eingeklinkt. Die Augen des Jungen sind mit einem Balken abgedeckt. Im Text werden der Vorname des Täters, der abgekürzte Nachname sowie sein Alter, seine Schule und seine Klasse genannt. Das Opfer wird mit Vornamen, Anfangsbuchstabe des Familiennamens und Alter gekennzeichnet. Die Mutter des Jungen beschwert sich beim Deutschen Presserat. Sie beklagt die Namensnennung. Die Tat an sich sei geeignet, entgegnet die Zeitung, den Jungen zur relativen Person der Zeitgeschichte werden zu lassen. Im Hinblick auf das Alter des Täters habe die Redaktion ein Foto mit »Augenblende« veröffentlicht und lediglich den Vornamen mitgeteilt. (1993)
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