Wie hat der Presserat entschieden?
Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.
Bitte beachten: Im Volltext abrufbar sind nur Entscheidungen mit den Aktenzeichen ab 2024, z.B. 0123/24/3!
Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.
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6642 Entscheidungen
„Mutter lässt Tochter (3) von Balkon fallen – tot!“ – so überschreibt eine Boulevardzeitung online einen Artikel, in dem sie über einen Vorfall in Russland informiert. Eine 23-jährige Frau soll laut Medienberichten ihre Tochter zur Bestrafung über ein Balkongeländer gehalten haben. Das T-Shirt der Dreijährigen sei gerissen, das kleine Mädchen sei mehrere Meter tief in den Tod gestürzt. Die Zeitung veröffentlicht ein Foto der Frau, die laut Bildtext zum Zeitpunkt des Unglücks betrunken gewesen sein soll. Ein Leser der Zeitung sieht eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Mutter nach Ziffer 8 des Pressekodex. Der Hinweis auf Trunkenheit deute zudem auf eine Schuldunfähigkeit der Frau hin. Die Rechtsabteilung des Verlages gibt die Auffassung der Redaktion wieder. Danach habe an der Berichterstattung ein überwiegendes öffentliches Interesse bestanden, da sich die schwere Straftat in der Öffentlichkeit ereignet habe. Der Grad der angeblichen Alkoholisierung der Frau sei nicht bekannt gewesen. Deshalb habe es keine hinreichenden Anhaltspunkte gegeben, von einer Schuldunfähigkeit auszugehen. Die Rechtsabteilung teilt mit, dass das Foto aus dem Artikel und auch aus dem Archiv entfernt worden sei. Zum Zeitpunkt der Berichterstattung habe das berechtigte öffentliche Interesse das Interesse der Betroffenen überwogen. Bei der Tötung eines Kleinkindes handele es sich immer um eine schwere Straftat, die sich noch dazu aufgrund des Sturzes auf die Straße vor den Augen der Passanten in aller Öffentlichkeit zugetragen habe.
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Eine Boulevardzeitung veröffentlicht online einen Beitrag unter der Überschrift „Frau springt ohne Bungee-Seil von 50-Meter-Brücke – tot“. Im Bericht über den tödlichen Unfall in Kolumbien wird der volle Name des Opfers genannt. Die Zeitung zeigt außerdem mehrere Fotos der Frau, die sie offenbar dem privaten Facebook-Account der Kolumbianerin entnommen hat. Ein Leser der Zeitung sieht die Persönlichkeitsrechte der jungen Frau „auf krasse Art und Weise“ verletzt. Er geht davon aus, dass eine Einwilligung von Entscheidungsbefugten zur Veröffentlichung der Fotos nicht vorgelegen habe. Die Rechtsabteilung des Verlages verweist auf eine Stellungnahme der Redaktion. Danach passierte das Unglück in aller Öffentlichkeit und unter besonders tragischen Umständen. Zu dem Sprung mit tödlichem Ausgang sei es gekommen, weil die Frau das beim Bungee-Springen übliche Signal fehlgedeutet habe. Eine kurze Recherche bei Google ergebe einmal den Namen der Frau, die zudem mehrfach unverpixelt im Bild gezeigt werde. Die Redaktion habe die Fotos und den Bericht nicht archiviert. Die Rechtsabteilung merkt an, die Familie und der Bürgermeister des kolumbianischen Ortes hätten der Verunglückten in Wort und Bild und in aller Öffentlichkeit gedacht. Sie hätten dies bewusst unter Verzicht auf den Opferschutz getan. Die Zeitung habe daher von einer Einwilligung der Angehörigen zur Veröffentlichung persönlicher Details ausgehen können.
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Ganze Familie von Flut verschluckt“ titelt eine Boulevardzeitung online. Im Bericht geht es um eine Familie, deren Haus vom Hochwasser weggerissen und die zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vermisst wurde. Die Redaktion zeigt Fotos der vermissten Kinder (16, sechs und fünf Jahre alt), die offensichtlich aus einem Fotoalbum stammen. Die Quelle des Bildes wird mit „privat“ angegeben. Die Zeitung veröffentlicht auch ein Foto des Hauses der Familie, das mit Hilfe einer Drohne wenige Stunden vor der Hochwasser-Katastrophe aufgenommen worden sei. Auf einem weiteren Foto ist zu sehen, wie die Eltern und eines der Kinder eine Torte anschneiden. Im Bildtext wird darauf hingewiesen, dass dieses Foto aus dem Jahr 2014 stamme, als das Paar geheiratet habe. Das Paar habe das Foto ins Internet gestellt. Ob ein Entscheidungsbefugter in die Veröffentlichung der Fotos eingewilligt habe, wird aus dem Beitrag nicht ersichtlich. Ein Leser der Zeitung sieht in der Verwendung der Fotos der Betroffenen einen Verstoß gegen Ziffer 8, Richtlinie 8.2, des Pressekodex. Die Rechtsabteilung des Verlages berichtet, die Fotos stammten aus Facebook, die dort von einer langjährigen Freundin der Mutter der Kinder eingestellt worden seien. Die Redaktion habe mündlich die Erlaubnis zur Bildveröffentlichung von einem nahen Verwandten der Betroffenen bekommen. Dieser habe gesagt, dass die Bilder ohnehin im Internet zu sehen seien. Die Autorin des Beitrages teilt mit, sie habe nach der Veröffentlichung Kontakt mit Familienangehörigen gehabt. Dabei seien keine Beschwerden geäußert worden.
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„Rundflug in den Tod“ titelt eine Boulevardzeitung online. Im Beitrag geht es um einen Flugzeugabsturz, bei dem der Pilot und drei Teenager ums Leben gekommen waren. Die Zeitung veröffentlicht ein Foto des Piloten, den sie mit dem Vornamen, dem abgekürzten Familiennamen und seinem Alter darstellt. Die Redaktion nennt den Fallschirmsportverein, dem der Verunglückte angehört habe. Ein Leser der Zeitung sieht in der Abbildung des Piloten eine Verletzung des Opferschutzes nach Richtlinie 8.2 des Pressekodex. Die Rechtsabteilung des Verlages teilt mit, das Foto stamme aus einem Video, das eine Journalistin mit dem Piloten gedreht und bei Youtube eingestellt habe. Der Pilot werde auf dem Foto mit Sonnenbrille gezeigt; sein Name werde nicht genannt. Eine Identifizierbarkeit liege also nicht ohne weiteres vor. An der identifizierbaren Berichterstattung habe wegen der besonderen Umstände des Unglücks ein öffentliches Interesse bestanden.
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Eine Programmzeitschrift behandelt in fünf Heften das Thema Bluthochdruck. Jedes Mal berichtet die Redaktion über ein namentlich genanntes Präparat, das auch mit beigestellten Anzeigen beworben wird. Ein Leser der Zeitschrift kritisiert diese. Sie werbe in ihrem - scheinbar – redaktionellen Gesundheitsressort auffällig und immer wieder für das genannte Präparat. Eine Doppelseite in einem der Hefte sei auffällig geteilt: Zwei Dreiecke außen seien klar mit dem Wort „Anzeige“ gekennzeichnet und machten Reklame für das Präparat. Der Teil dazwischen mit der Überschrift „Keine <
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„Wie macht man den besten Käse der Welt?“ – so überschreibt eine Programm-Zeitschrift einen Artikel, in dem die Redaktion äußerst positiv über eine private Käserei berichtet. Dabei ist von einem Käse die Rede, der „durch seine zarte Konsistenz, kombiniert mit einer frischen Schnittlauchnote, den Frühling auf den Tisch bringt.“ Ein anderer, namentlich genannter Käse wird gerühmt, aus der besten Milch gemacht worden zu sein, die das Alpenvorland zu bieten habe. Im selben Heft berichtet die Redaktion über eine 63-Jährige, die bei einer Lotterieveranstaltung fünf Millionen Euro gewonnen habe und sich ihren größten Wunsch, eine Karibik-Kreuzfahrt, erfüllt habe. In einem zum Artikel gestellten Info-Kasten wird die Lotterie namentlich genannt. Für Lose und weitere Informationen verweist die Redaktion auf die Homepage der Lotteriegesellschaft. Die Beschwerdeführerin in diesem Fall moniert, dass die Artikel aufgemacht seien wie redaktionelle Beiträge, obwohl es sich eindeutig um Produktwerbung handele. Die Programmzeitschrift nimmt zu der Beschwerde nicht Stellung.
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Eine Programmzeitschrift berichtet unter der Rubrik „Hallo Doktor!“ in fünf Artikeln über Themen aus dem Gesundheitsbereich. Unter der Überschrift „Wie werde ich ständigen Harndrang los?“ antwortet ein namentlich nicht genannter Experte auf eine Leserfrage wegen einer gutartigen Prostatavergrößerung unter anderem, diese könne mit „hochwertigen Phytopharmaka“ behandelt werden. Die in klinischen Studien geprüfte Extraktkombination aus Sägepalmfrüchten und Brennesselwurzeln, wie sie in einem namentlich genannten Präparat vorkomme, sei chemischen Prostatapräparaten ebenbürtig – und das so gut wie ohne Nebenwirkungen. Die Zeitschrift beantwortet weitere Leseranfragen. Stets werden bestimmte Präparate genannt. Ein Leser der Zeitschrift kritisiert die Veröffentlichungen als Verstöße gegen die Ziffer 7 des Pressekodex. Danach ist auf die strikte Trennung von redaktionellen und werblichen Inhalten zu achten. Die Rechtsabteilung des Verlages weist die Vorwürfe zurück. Redaktion und Anzeigenabteilung der Zeitschrift arbeiteten strikt von einander getrennt. Eine Beeinflussung der Redaktion durch ökonomische Interessen sei ausgeschlossen. Das Erklären von alltäglichen Beschwerden und das Aufzeigen von ersten, einfach umsetzbaren Lösungsansätzen gehörten zu den Wesensmerkmalen der gesundheitsbezogenen Berichterstattung. Der Hinweis auf ein beispielhaft genanntes konkretes Präparat zeige dem Leser einen schnellen, leicht zugänglichen Lösungsansatz auf und entspreche damit dem Informationsinteresse der Leserinnen und der Leser.
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Unter der Überschrift „Warum zerstörte der Vater dieses Glück?“ berichtet eine Boulevardzeitung online über den erweiterten Suizid eines Mannes an seiner Familie. Dieser habe seine Ehefrau und seine beiden Töchter mit Schlafmitteln betäubt und danach das Haus angezündet. Der Mann selbst sei in den Flammen an einer Rauchvergiftung gestorben. Die Redaktion zeigt neben Fotos vom brennenden Haus und dem Einsatz der Feuerwehr ein Bild der Familie. Die Gesichter sind verpixelt. Zwei Tage später berichtet die Zeitung noch einmal über die Familie. Die Eltern hätten noch vor kurzem an einer NDR-Quizshow teilgenommen. Das Familienfoto wird erneut gezeigt, diesmal jedoch ohne Verfremdung. Daneben gezeigte Fotos der Kinder sind verpixelt. Ein Leser der Zeitung sieht in der Berichterstattung Verstöße gegen jegliche Sitte und Anstand. Über einen Brand mit Todesopfern zu berichten sei in Ordnung. Tage danach jedoch über die betroffene Familie zu spekulieren und Fotos zu veröffentlichen, sei einfach das Allerletzte. Die Redaktion versuche auf „schäbigste Weise“, mit dieser Tragödie Profit zu machen. Das sei pietät- und schamlos. Auf die Beschwerde lässt der Verlag die Redakteurin antworten, die mit der Berichterstattung betraut gewesen war. Sie habe nach Erscheinen ihrer Beiträge Kontakt mit Familienangehörigen gehabt. Dabei sei keinerlei Kritik an der Berichterstattung geäußert worden. Somit sei ein Verstoß gegen Richtlinie 8.2 auszuschließen. Angesichts des spektakulären Verbrechens überwiege das berechtigte Interesse der Öffentlichkeit die Interessen der Betroffenen.
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An drei aufeinander folgenden Tagen berichtet eine Boulevardzeitung gedruckt und online über den einzigen Überlebenden des Seilbahn-Absturzes oberhalb des Lago Maggiore in Norditalien. Die Redaktion zeigt wiederholt ein ungepixeltes Foto der Familie (der überlebende Eitan mit seinen Eltern und seinem Bruder). Sie weist jeweils darauf hin, dass sie das Foto der Familie mit Einwilligung der Angehörigen verbreite. In weiteren Veröffentlichungen ist von einem Einverständnis der Familie keine Rede. Mehr als zwanzig Leser beschweren sich beim Presserat über die Berichterstattung. Einige sehen einen Verstoß gegen den Opferschutz nach Richtlinie 8.2 des Pressekodex in Verbindung mit Richtlinie 8.3, laut der Kinder und Jugendliche bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres in der Regel nicht identifizierbar gemacht werden dürfen. Andere sehen eine übertrieben sensationelle Berichterstattung nach Ziffer 11, Richtlinien 11.1 und 11.3. Wiederum andere Beschwerdeführer sehen die Grundsätze der Recherche bei schutzbedürftigen Personen verletzt (Richtlinie 4.2). Die Zeitung nimmt zu den Beschwerden nicht Stellung.
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„Corona-Schock: Horror-Studie in Israel veröffentlicht“ – so überschreibt ein Lifestyle-Magazin einen Beitrag. Die Unterzeile lautet: „Schützt die Impfung wirksam vor dem Coronavirus? Forscher*innen haben Unglaubliches herausgefunden, was daran zweifeln lässt.„ Der Artikel wird mit der Behauptung eingeleitet: „Bisher galten die zugelassenen Impfstoffe als die Lösung der Corona-Pandemie. Nun werden Einbußen der Wirksamkeit und sogar eine erhöhte Gefahr der Ansteckung nach einer Impfung befürchtet.“ Das Magazin zitiert die Frankfurter Rundschau. Die schreibe, es sei möglich, dass sich Geimpfte häufiger mit dem Virus anstecken als Menschen, die noch keine Impfung erhalten haben. Dies beziehe sich allerdings ausschließlich auf die südafrikanische Corona-Mutation und sei außerdem noch nicht umfassend erforscht. Das Ergebnis gehe auf eine israelische Studie zurück, in der erst 150 Menschen untersucht worden seien. Bei der Studie zeige sich, dass sich fast alle Nicht-Geimpften mit der britischen Variante angesteckt hätten und eine Person mit der südafrikanischen. Bei den Geimpften habe sich die große Mehrheit mit der britischen Mutante infiziert und acht Personen mit der südafrikanischen, so das überraschende Ergebnis. Der Beschwerdeführer sieht durch den Beitrag mehrere presseethische Grundsätze verletzt. Er wirft der Redaktion unter anderem vor, die Statistik komplett durcheinander gewirbelt zu haben. Der Beschwerdeführer: Der Autor des Artikels habe einfach keine Ahnung von Statistik. Die Rechtsvertretung des Verlages bezeichnet die Vorwürfe des Beschwerdeführers schlichtweg als falsch. Die Redaktion gebe lediglich die im Rahmen der Studie ermittelten Infektionszahlen wieder und bewerte dies.
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