Wie hat der Presserat entschieden?
Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.
Bitte beachten: Im Volltext abrufbar sind nur Entscheidungen mit den Aktenzeichen ab 2024, z.B. 0123/24/3!
Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.
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6642 Entscheidungen
„Entsetzen über die Familientragödie in Solingen“ – so überschreibt eine Regionalzeitung“ einen Beitrag. Der Text beginnt mit Zitaten aus dem WhatsApp-Chat zwischen dem überlebenden Jungen und einem Freund. „Hey, ich bin es, M. Ich wollte dir nur sagen, dass du mich nicht mehr sehen wirst, weil alle meine Geschwister tot sind. PS: Würde mich freuen, wenn du mich anrufen würdest“. Als der Freund wissen wollte, was passiert sei, habe er geantwortet: „Sag ich später“. Ein Leser sieht im Zitieren von privaten Chat-Nachrichten eines Elfjährigen nach einem fünffach-Mord an seinen Geschwistern sowie einem Suizidversuch der Mutter einen Verstoß gegen Ziffer 11, Richtlinie 11.3, des Pressekodex. Der Chef vom Dienst der Zeitung widerspricht der Beschwerde. Er hält sie für unbegründet. Die veröffentlichten Passagen genügten dem in Richtlinie 11.3 des Kodex geforderten Respekt vor dem Leid von Opfern und den Gefühlen von Angehörigen bei Unglücksfällen. Die veröffentlichten Teile des Chats enthielten weder Gefühle noch Wertungen, sondern meldeten nur die Ankündigung, der Adressat werde den Elfjährigen nicht mehr sehen. Der Fall – so der Chef vom Dienst – habe in der Redaktion für intensive Diskussionen gesorgt. In deren Verlauf sei auch die Frage aufgeworfen worden, die später den Leser zu seiner Beschwerde veranlasst habe. Die Redaktion habe daraufhin die wörtlichen Zitate durch indirekte Informationen ersetzt oder ganz gestrichen. Die Redaktion sehe in der Berichterstattung keinen Verstoß gegen den Kodex, habe diese aber gleichwohl nach zweiter Prüfung verändert, um den eigenen hohen Standards gerecht zu werden.
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Eine Boulevardzeitung berichtet online unter der Überschrift „Horror-Sturz überschattet Straßenrad-WM – Bild von Verletzung nichts für schwache Nerven“ über einen Unfall. Die Fahrerin Chloe Dygert war bei der Straßenrad-WM in Imola gestürzt und hatte eine schwere Beinverletzung erlitten. Der Beitrag ist mit zwei Fotos bebildert. Eines zeigt die Fahrerin aus der Ferne, wie sie am Boden liegt. Sanitäter haben ein Tuch gespannt, um sie abzuschirmen. Ein zweites Bild zeigt das verletzte Knie in Nahaufnahme. Die Bildunterschrift lautet: „Chloe Dygert erlitt bei ihrem Sturz eine Risswunde am Knie“. Ein Leser der Zeitung kritisiert, die Redaktion betätige sich als Unfall-Gaffer. Mit der Überschrift werde die Neugier geweckt. Das Foto bilde nicht neutral die Rettungsszene ab. Vielmehr habe der Fotograf den aufgespannten Sichtschutz gezielt umgangen. Der Fall wird vom Presserat in der Vorprüfung auf die Ziffer 11 (Sensationsberichterstattung/Jugendschutz) erweitert. Die Zeitung gibt zu der Beschwerde keine Stellungnahme ab.
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Eine Boulevardzeitung berichtet unter der Überschrift „Mindestens drei Menschen positiv getestet“ über die „Superspreaderin in Garmisch“. Die Amerikanerin Yasmin A. sei trotz Corona-Symptomen durch die Clubs und Bars von Garmisch-Partenkirchen gezogen und habe mindestens 23 Kollegen mit Covid-19 infiziert. Beigefügt ist ein Foto, das offensichtlich vom Facebook-Account von Yasmin A. stammt. Die Augenpartie ist verpixelt. Von mindestens 710 getesteten Kontaktpersonen seien mindestens drei positiv auf das Virus getestet worden. Ein Leser der Zeitung kritisiert die Darstellung einer Privatperson beinahe ohne Verpixelung mit Nennung des Vornamens und des ersten Buchstaben des Nachnamens. Der Chefredakteur der Zeitung widerspricht der Beschwerde. Die Berichterstattung sei in keiner Weise presseethisch zu beanstanden. Die Veröffentlichung eines gepixelten Fotos und des abgekürzten Namens der als „Superspreaderin von Garmisch-Partenkirchen“ medial bekannt gewordenen Frau verstoße nicht gegen den Persönlichkeitsschutz nach Ziffer 8 des Pressekodex. Es sei den Medien nicht grundsätzlich untersagt, über öffentlichkeitsrelevantes und hier sogar strafrechtlich relevantes Fehlverhalten Einzelner identifizierend zu berichten. Im vorliegenden Fall – so der Chefredakteur – sei das Gesicht der Abgebildeten hinreichend gepixelt worden. Er weist auf das große öffentliche Interesse an Person und Verhalten einer „Superspreaderin“ hin, die trotz Corona-Symptomen durch zahlreiche Gaststätten in Garmisch-Partenkirchen gezogen sei und dabei möglicherweise weitere Menschen angesteckt habe. Gerade in der aktuellen Lage (Corona-Pandemie) habe die Öffentlichkeit ein großes Interesse an Informationen. Somit überwiege das Informationsinteresse der Öffentlichkeit das Persönlichkeitsrecht der anonymisiert abgebildeten Frau.
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Eine Auto-Fachzeitschrift veröffentlicht online einen Beitrag unter der Überschrift „Wenig gelaufener Ford Mustang mit V8 und 421 PS unter 36.000 Euro“. Der Autor des Beitrages beschäftigt sich mit dem Autotyp bzw. einem Angebot in der Zeitschrift. Er verweist auf einen bestimmten Händler, der einen zwei Jahre alten Wagen dieses Typs verkaufen will. Der Autor beurteilt das Angebot als günstig und verlinkt dieses. 7Am Ende des Artikels verweist die Redaktion auf weitere Angebote für Fahrzeuge vom Typ Ford Mustang. Ein Leser ist der Auffassung, dass sich der Beitrag durch seine Gestaltung wie ein redaktioneller Artikel lese, aber ausschließlich dem Zweck diene, das Auto zu bewerben. Die Chefredaktion teilt mit, dass der kritisierte Beitrag allgemein über das Modell Ford Mustang informiere. Dies sei eine der Ikonen der Autowelt. Das Auto werde im Text und im Video-Clip mit seinen technischen Daten wie Laufleistung, TÜV, Scheckheft und Ausstattung mit entsprechenden Fotos beschrieben. Der Leser, der sich von der *Überschrift „angezogen“ gefühlt habe, habe alles Wissenswerte über das Auto erfahren und könne entweder zur finalen Abrundung das Fahrzeug-Angebot anklicken oder sich einem neuen Artikel widmen. Ein Verstoß gegen Ziffer 7 des Pressekodex sei nicht einmal ansatzweise zu erkennen.
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„Grundrechtseinschränkung, eine Maske tragen zu müssen!“ – so überschreibt eine Boulevardzeitung online einen Beitrag. Thema ist eine Anne-Will-Talkrunde. In der Überschrift wird dem Vorsitzenden des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, das in der Überschrift genannte Zitat zugeschrieben. Ein Leser der Zeitung kritisiert, dass das Zitat den falschen Eindruck erwecke, Montgomery sei gegen die Maskenpflicht. Das Gegenteil sei jedoch der Fall. Die Rechtsabteilung der Zeitung teilt mit, dass der fragliche Satz von Frank Montgomery von ihm nicht ganz so gesagt worden sei, wie ihn die Redaktion wiedergegeben habe. Montgomery habe als offene Frage formuliert: „Ist es ´ne Grundrechtseinschränkung, sich eine Maske aufsetzen zu müssen?“ Inhaltlich mache dies allerdings keinen Unterschied zu der Wiedergabe des Zitats in der Zeitung, denn unmittelbar vor dieser Äußerung habe Dr. Montgomery gesagt, der Präsident der Ärztekammer habe Recht“, wenn er Lockerungen im Umgang mit der Pandemie befürworte und dafür plädiere, jetzt nicht mehr „mit beiden Füßen auf der Bremse zu stehen“. Im weiteren Verlauf der Äußerungen Montgomerys werde klar, dass er die oben genannte Frage zwar ergebnisoffen in den Raum gestellt habe, sie für sich aber wohl mit „Ja“ beantworten würde.
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Eine Fachzeitschrift informiert unter der Überschrift “Wasser marsch!“ über Wassermacher für Segelyachten. Der Artikel befasst sich mit technischen Einzelheiten, nennt verschiedene Modelle und bewertet diese. Der Autor des Beitrages hat Hersteller von Hydrogeneratoren, darunter den Beschwerdeführer, per E-Mail eingeladen, an einem Test für die Zeitschrift teilzunehmen. Der Beschwerdeführer weist darauf hin, dass der Autor selbst Hydrogeneratoren von vier von sieben Herstellern in seinem Laden verkauft. Dieser verteidigt per E-Mail sein Vorgehen. Er habe zu früheren Tests keine Beschwerden bekommen. Auf die Aufforderung des Beschwerdeführers, den Interessenkonflikt per Artikel offenzulegen, erklärt der Autor, er könne sehr wohl zwischen Geschäft und Autorenschaft unterscheiden und habe kein Problem damit. Der Beschwerdeführer vertritt die Meinung, die Zeitschrift verletze die Ziffer 6 des Pressekodex. In seinem Anschreiben an die Hersteller erwähne der Autor nicht, dass er Geschäftsführer einer Firma ist, die Hydrogeneratoren mehrerer Hersteller vertreibt. Er sei auch Geschäftsführer bei einem dieser Unternehmen. Vorwurf des Beschwerdeführers: Der Autor macht nicht transparent, dass er eine Mehrfachfunktion ausübt. Er sei gleichzeitig Journalist, Verkäufer und Hersteller. Der Autor verschaffe sich unter dem Deckmantel des Journalismus zudem kostenlose Konkurrenzprodukte. Er könne sie eingehend untersuchen und sich Inspirationen für sein eigenes Produkt verschaffen. Die Zeitschrift nimmt zu der Beschwerde nicht Stellung.
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„Britneys Geisteszustand gleicht einer Koma-Patientin“ titelt eine Boulevardzeitung online. Es geht um die Frage einer zweiten Vormundschaft von Popstar Britney Spears, über die vor Gericht entschieden werden soll. Seit einem psychischen Zusammenbruch sei Spears entmündigt und ihr Vater verwalte ihr Vermögen. Ihr Anwalt soll ihren Geisteszustand mit dem einer Koma-Patientin verglichen haben. Der Beschwerdeführer kritisiert einen falsch dargestellten Sacherhalt. Die Sensationsmeldung beziehe sich auf ein US-amerikanisches Boulevardportal. Dieses habe ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Spears´ Anwalt mit seinem Vergleich keineswegs den Gesundheitszustand seiner Klientin, sondern ihre rechtliche Befugnis, Dokumente zu unterschreiben, gemeint habe. Somit werde der Sachverhalt in der Zeitung verfälscht und so dargestellt, als würde Britney Spears dahinvegetieren. Die Rechtsabteilung der Zeitung spricht davon, dass sich der Anwalt von Britney Spears sehr wohl in dem zitierten Sinne geäußert habe. Überschriften ließen auch nach der Spruchpraxis des Pressrats immer Raum für bewertende Verkürzungen und gegebenenfalls auch Zuspitzungen. Somit könne die hier monierte Berichterstattung keinerlei pressethischen Bedenken begegnen.
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Eine Regionalzeitung veröffentlicht online unter der Überschrift „Alles ist heilbar: Die Suche nach der unterdrückten Emotion“ ein Wortlaut-Interview mit einem Heilpraktiker. Dieser habe eine Therapieform entwickelt, die auf die Selbstheilungskräfte jedes Menschen setzt, freigesetzt vom Einfühlungsvermögen des Therapeuten. Wörtliches Zitat: „Willst du den Körper heilen, musst du erst die Seele heilen. Wenn die unterdrückte Emotion ausreichend Luft bekommt, setzt die Regeneration ein und die Schmerzen lassen nach. Jedes Leiden lässt sich so schon lindern.“ Der Heiler schätzt seine Erfolgsquote bei Allergien, Unverträglichkeiten und Hormonstörungen auf 95 Prozent. Bei Krebs sei es schwieriger. Vielen angeblich „unheilbar“ Kranken habe er helfen können. Der Heiler berichtet, in seine Seminare kämen auch Ärzte. Zu Corona befragt, sagt er: „Ich traue mich, zu sagen, dass unsere Methodik helfen könnte, in die Immunität zu kommen.“ Eine Leserin kritisiert, die Zeitung bewerbe eine Dienstleistung in der Form eines Interviews, ohne die Veröffentlichung als Werbung zu kennzeichnen. Der Interviewer fungiere hier nur als Stichwortgeber. Der Chefredakteur der Zeitung antwortet auf die Beschwerde. Der interviewte Heilpraktiker habe sich mit seinem Institut, seiner Methode und vor allem auch als Buchautor in seiner Heimatregion einen Namen gemacht. Das sei der Anlass gewesen, den Mann einmal näher vorzustellen. Die Redaktion habe zu Beginn dieses Interview-Projekts eingehend recherchiert und auch nach kritischen Stimmen gesucht. Die Recherchen hätten keinen Anlass ergeben, in diesem Fall einem Quacksalber aufzusitzen. Im Gegenteil.
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