Wie hat der Presserat entschieden?
Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.
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6642 Entscheidungen
Eine Regionalzeitung kündigt unter der Überschrift „Perverse E-Mails“ an, dass ein 57-jähriger, mehrfach wegen Beleidigung und Verbreitung von Pornografie vorbestrafter Mann bald wieder vor Gericht stehen werde. Der verheiratete Akademiker habe via E-Mail an einen wachsenden Personenkreis eindeutig perverse Texte und Bilder gesandt und zu Sex mit Kindern aufgerufen. Ursprünglich habe er diese Mails nur an Polizei, Staatsanwaltschaft und Bundestagsabgeordnete gerichtet. Dabei habe er mit äußerst drastischen, aber auch herabwürdigenden Formulierungen für die Freigabe der Knabenliebe geworben. Der Name des Mannes wird in dem Beitrag nicht genannt, wohl aber sein Wohnort. Der Betroffene beschwert sich beim Deutschen Presserat. Er kritisiert, dass er durch die Berichterstattung identifizierbar wird. Zudem sei sie ehrverletzend und enthalte falsche Tatsachenbehauptungen. So sei er nicht mehrfach wegen Beleidigung und Verbreitung von Pornografie vorbestraft. Die Chefredaktion der Zeitung weist den Vorwurf zurück, sie habe über den Beschwerdeführer in identifizierender Weise berichtet. Er werde lediglich als 57-jähriger verheirateter Akademiker dargestellt. Als ehrverletzend beanstandete Formulierungen wie „Perverse E-Mails“ seien zulässige Meinungsäußerungen. Die Redaktion räumt aber ein, dass die Behauptung, der Beschwerdeführer sei vorbestraft, nicht zutreffe. Der Autor des Artikels habe diese Information von der örtlichen Polizei erhalten und sie daraufhin veröffentlicht. Bei der Staatsanwaltschaft habe er keine Auskunft über eventuelle Vorstrafen des Beschwerdeführers bekommen. Alle anderen Angaben in dem Artikel seien sorgfältig recherchiert und entsprächen der Wahrheit. Recherchen des Presserats ergeben, dass zum Zeitpunkt der Berichterstattung im Bundeszentralregister keine entsprechenden Eintragungen verzeichnet waren. Nach Auskunft der zuständigen Staatsanwaltschaft wäre es theoretisch denkbar, dass im Zentralregister eine Vorstrafe verzeichnet, zum Zeitpunkt der Berichterstattung jedoch bereits getilgt war. (2003)
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Eine Regionalzeitung spekuliert darüber, ob bei einer Personalentscheidung im Landesministerium für Arbeit, Bau und Landesentwicklung persönliche Beziehungen ausschlaggebend gewesen sein könnten. Der neue Leiter der Abteilung Bauleitplanung und Bauwesen habe wie sein Chef in Moskau studiert. Dass er dort ebenso wie der Minister seine Frau kennen gelernt habe, sei allenfalls purer Zufall. In seiner Beschwerde beim Deutschen Presserat stellt der Staatssekretär des Arbeitsministeriums richtig, dass der neue Abteilungsleiter nicht, wie berichtet, in Moskau, sondern in Charkow in der Ukraine studiert habe. Gerade mit dieser – falschen – Behauptung werde jedoch der Eindruck erweckt, als seien persönliche Beziehungen für die Besetzung des Dienstpostens ausschlaggebend gewesen. Der Beschwerdeführer kritisiert ferner, dass die in dem Beitrag veröffentlichten Zitate zweier Mitarbeiter des Ministeriums durch eine unlautere Recherche zustande gekommen seien. Ein Mitarbeiter der Zeitung habe die beiden angerufen und sich erkundigt, ob die Stelle noch frei sei, und dabei die veröffentlichten Aussagen erhalten. Er habe sich allerdings nicht als Journalist, sondern als Bewerber vorgestellt. Dabei seien die Auskünfte keineswegs geheim gewesen, sondern wären in gleicher Weise gegeben worden, wenn der Recherchierende sich offen zu erkennen gegeben hätte. Die Chefredaktion der Zeitung äußert die Ansicht, dass man dem Studienort in der Sowjetunion keine entscheidende Bedeutung zumessen müsse. Personalentscheidungen im Ministerium seien von großem öffentlichen Interesse und hätten schon öfter Anlass zur Berichterstattung gegeben. Der Autor habe von vornherein damit gerechnet, dass die Auskünfte des Ministeriums über die noch schwebende Personalangelegenheit dürftig ausfallen würden. Insofern sei ihm nur die Möglichkeit der verdeckten Recherche geblieben. Anschließend habe man das Ministerium mit den Ergebnissen konfrontiert und dessen Stellungnahme abgedruckt. (2003)
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Unter der Überschrift „In eigene Tasche gewirtschaftet?“ berichtet eine Lokalzeitung über Ermittlungen der Kriminalpolizei gegen zwei Angestellte der Stadtverwaltung, die unter dem Verdacht stehen, Parkautomaten manipuliert zu haben. Der Hilfspolizist und seine Kollegin werden in Fotos präsentiert und bei vollem Namen genannt. Der Oberbürgermeister der Stadt reicht Beschwerde beim Deutschen Presserat ein. Nach seiner Ansicht verletzt die Veröffentlichung die Persönlichkeitsrechte der beiden Mitarbeiter. Zudem seien Formulierungen wie „... hat offenbar das Schicksal mit krummen Touren herausgefordert“, „... trotz offenkundiger Merkwürdigkeiten“ sowie „Wurde von ihrem Kollegen bedroht“ eine Vorverurteilung. Die Redaktionsleitung bekundet, sie sei von der Stadtverwaltung und von den städtischen Gremien umfassend über die Anschuldigungen gegen die beiden Verkehrsüberwacher unterrichtet worden. Dem betroffenen Mann sei genau mit jenen Gründen fristlos gekündigt worden, die der Oberbürgermeister in seiner Kritik an der Veröffentlichung als unbegründete Behauptungen darzustellen versuche. Die Redaktion habe den „Stadtsheriff“ nicht als Täter, sondern als Beschuldigten, und zwar auf Grund der massiven Vorwürfe aus der Verwaltung, dargestellt. In dem Artikel würden die Anschuldigungen des Arbeitgebers durch Hinweise auf die schwierige Beweislage relativiert. Es werde ausdrücklich betont, dass nichts bewiesen sei. Fotos und Namensnennung hält die Redaktion für vertretbar. In der Stadt gebe es nur zwei Verkehrsüberwacher. In der Vergangenheit sei immer wieder einmal über die Stadtwaibels berichtet worden. Die Redaktion sei daher zu dem Schluss gelangt, dass ein Augenbalken oder ein Namenskürzel bei diesen lokalen Verhältnissen keine wirklich schützende, sondern eher noch eine kriminalisierende Wirkung gehabt hätten. Letztlich sei man auch der Meinung, ein Stadtwaibel sei eine Person des öffentlichen Lebens. Zwischen Amtsausübung und Anschuldigung bestehe schließlich ein Zusammenhang. Nach Erscheinen des Artikels habe man eine Gegendarstellung des Betroffenen abgedruckt. Weiterhin habe man sachlich über die fristlose Kündigung des Mannes berichtet und dabei auf eine erneute Namensnennung oder Bildveröffentlichung verzichtet. Unter der Überschrift „Die Ermittlungen komplett eingestellt“ habe die Zeitung schließlich über die Einstellung der Ermittlungen gegen den Verkehrsüberwacher berichtet. Dabei sei wieder der volle Name des Betroffenen genannt worden, was dessen Anwälte ausdrücklich begrüßt hätten. (2003)
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„Sextäter nutzt Notlage aus“ überschreibt eine Regionalzeitung ihren Bericht über die Verurteilung eines 49-jährigen Mannes wegen Vergewaltigung. In dem Artikel heißt es, die betroffene Frau sei 46 Jahre alt und stamme aus der Ukraine. Zum Zeitpunkt der Tat sei die Frau mit einem aus der Ukraine stammenden Künstler verheiratet gewesen. Beider Wohnort – eine Kleinstadt – wird genannt. Das Paar hätte damals von der Ausländerbehörde abgeschoben werden sollen, was ein Kirchenasyl in der Stadt verhindert habe. Zwei Bekannte der Frau kritisieren, dass diese durch den Artikel identifizierbar sei, und rufen den Deutschen Presserat an. Das Persönlichkeitsrecht des Vergewaltigungsopfers sei verletzt worden. Die Zeitung hat nach Auffassung ihrer Chefredaktion nicht gegen presseethische Grundsätze verstoßen. Man habe über einen öffentlichen Prozess berichtet, wozu auch die Umstände der Tat gehörten. Nicht mehr als unbedingt nötige persönliche Details seien erwähnt worden. (2003)
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Über einem Leserbrief, den eine Regionalzeitung bringt, steht die Überschrift „Wirklich nur Dampfplauderer?“. Der letzte Satz lautet: „In jener Zeit soll es Leute gegeben haben, die Deutschland als Pseudo-Demokratie betrachteten, weil ihre nicht-konforme Meinung sofort als grundgesetzwidrig abgewürgt wurde“. Der Autor des Leserbriefes beklagt, dass das Wort als von der Zeitung in seinen Brief eingefügt worden sei. Dadurch liege eine Sinnentstellung vor. Er wendet sich an den Deutschen Presserat. „Die Einfügung des Wörtchens als war eine bedauerliche Fehlleistung“, stellt die Chefredaktion der Zeitung fest und fügt hinzu, dies habe man schon Monate zuvor gegenüber dem Beschwerdeführer eingeräumt. (2002)
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Eine Regionalzeitung berichtet über einen kleinen Zoo und seinen früheren Leiter. Die Zustände dort – es geht um einen „Dreckstall“, wie Kritiker behaupten – sind Gegenstand der Berichterstattung über die deutschen Grenzen hinaus. Thema sind auch die Folgen der Berichterstattung einer Boulevardzeitung über das gleiche Thema. Deren Berichte hat der Presserat schon früher gerügt. Der einstige Zoo-Chef sieht in der Berichterstattung eine Kampagne gegen sich. Er wendet sich an den Deutschen Presserat. Die Rechtsvertretung der Regionalzeitung äußert die Ansicht, der frühere Zoo-Chef sei auch in seiner Eigenschaft als Ratsmitglied eine relative Person der Zeitgeschichte. In diesem Kontext habe die Öffentlichkeit ein hohes Interesse an den Zuständen im Zoo gezeigt. In den vom Beschwerdeführer kritisierten Beiträgen werde nichts anderes getan, als – in ausdrücklicher Distanzierung – über die gegen den Beschwerdeführer erhobenen Vorwürfe zu berichten. Namensnennung und Bildveröffentlichung seien wegen des Bekanntheitsgrades des Mannes in der Öffentlichkeit gerechtfertigt gewesen. Selbst eine Anonymisierung hätte nicht dazu geführt, dass er nicht erkannt worden wäre. Inhaltlich seien die fraglichen Beiträge in keinem Fall zu beanstanden. (2003)
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Eine TV-Zeitschrift veröffentlicht unter der Überschrift „Die Turbo-Diät“ einen Beitrag, der sich mit dem Thema Gewichtsabnahme beschäftigt. In dem Artikel wird mehrmals auf ein bestimmtes Medikament hingewiesen. Über dem Artikel steht der Kolumnentitel „Lebensart“. Auf der gleichen Seite stellt die Redaktion mehrere andere, namentlich genannte Medikamente vor. Die Leiterin eines journalistischen Text-Services hält die Veröffentlichung für Werbung und schaltet den Deutschen Presserat ein. Die Chefredaktion der Zeitschrift teilt in ihrer Erwiderung mit, sie sei der Auffassung gewesen, dass die kritisierte Seite als Werbung erkennbar gewesen sei. Allerdings sei im Produktionsprozess ein gestalterischer Fehler passiert. Statt die Seite als Anzeige zu kennzeichnen, sei beim Layout der Kolumnentitel „Lebensart“ verwendet worden. In Zukunft werde man darauf achten, dass sich ähnliches nicht wiederholen wird. (2003)
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Eine Lokalzeitung teilt ihren Lesern mit, die Stadtverkehrsgesellschaft habe sich von ihrem Geschäftsführer getrennt, nachdem dieser wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern zu 18 Monaten Gefängnis auf Bewährung verurteilt worden sei. In dem Artikel wird erwähnt, dass der Betroffene 41 Jahre alt und Vater von vier Kindern ist. Ein Leser der Zeitung wendet sich an den Deutschen Presserat. Er kritisiert eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Kinder und der Ehefrau des Mannes. Als Nachbar der Familie und Vater zweier Töchter, die mit zweien der Kinder des Betroffenen Kontakt hätten, habe er das nach der Zeitungsmeldung eingetretene Stigmatisierungs- und Vernichtungsgefühl der Kinder und der Mutter unmittelbar erfahren. Am selben Tag habe eine Konkurrenzzeitung über den Fall berichtet. Dies sei in knapper, sachlicher Weise ohne ein Outing von Kindern und Ehefrau geschehen. Die Rechtsabteilung des Verlages weist den Vorwurf zurück, die Veröffentlichung habe die Persönlichkeitsrechte der Familienangehörigen verletzt. Es seien weder der Name des verurteilten Geschäftsführers noch Namen seiner Opfer bzw. der Angehörigen veröffentlicht worden. Der Betroffene sei auch auf Grund der Berichterstattung nicht ohne weiteres zu identifizieren, da keinerlei Angaben zu seinem Wohnort gemacht und auch keine Fotos veröffentlicht worden seien. Eine zweifelsfreie Identifizierung des Mannes auf Grund des Hinweises, dass der ehemalige Geschäftsführer der Stadtverkehrsgesellschaft 41 Jahre alt sei und vier Kinder habe, sei für den durchschnittlichen Leser der Zeitung nicht möglich. Auch eine Identifizierung durch die Nachbarn sei nur dann denkbar, wenn diese per se über die näheren Lebensumstände des Betroffenen informiert seien. In diesem Fall sei es aber mehr als wahrscheinlich und entspreche der Lebenserfahrung, dass sich die Situation des Mannes auch ohne eine entsprechende Berichterstattung herumgesprochen hätte. Ein Verstoß gegen das Anonymisierungsgebot liege aus diesen Gründen nicht vor. (2003)
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Dreizehn Tage lang berichtet ein Boulevardblatt über die Vorwürfe gegen einen Box-Trainer wegen möglichen sexuellen Missbrauchs von jugendlichen Boxschülern. Der Name des Betroffenen wird genannt, ein Foto von ihm veröffentlicht. In den einzelnen Beiträgen finden sich Formulierungen wie: “... hat vergewaltigt”, “Das Box-Ekel von...”, “Die schrecklichen Details über den Kinderschänder...” und “Die Übergriffe des Box-Ekels nach dem täglichen Training bis hin zur brutalen Vergewaltigung – sind diese Schicksale, wie viele vermuten, tatsächlich die Spitze des Eisberges ?” Der Anwalt des Boxlehrers sieht in der Berichterstattung eine Vorverurteilung seines Mandanten und legt Beschwerde beim Deutschen Presserat ein. Zudem kritisiert er einen Verstoß gegen das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen, da er ganzseitig als Schuldiger ohne Gesichtsbalken dargestellt werde. Die Chefredaktion der Zeitung erklärt, die Öffentlichkeit habe ein großes Informationsinteresse an der Berichterstattung in dieser Form. Der mutmaßliche Täter sei eine Person der Zeitgeschichte. Er sei Mitglied einer berühmt-berüchtigten Bande gewesen und in diesem Zusammenhang zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt worden. Danach sei er resozialisiert worden, sei deutscher Boxmeister geworden und habe fortan ein bekanntes Boxstudio betrieben. Insofern hätte sein Klarname genannt werden können. Die Verdachtsberichterstattung beruhe auf Recherchen der Redaktion, sei bestätigt durch detaillierte, glaubhafte eidesstattliche Versicherungen mehrerer Betroffener. Eine Vorverurteilung könne den Artikeln nicht entnommen werden. Abschließend teilt die Chefredaktion mit, dass entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers die Ermittlungsverfahren gegen ihn noch nicht eingestellt seien. Dies habe die zuständige Staatsanwältin bestätigt.(2003)
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Unter der Überschrift „Der Hass ist massiv geschürt worden“ veröffentlicht eine Tageszeitung ein schriftliches Interview mit einem 28jährigen Mann, der wegen der Entführung und Ermordung eines Kindes zu lebenslanger Haft verurteilt worden ist. Wegen der Grausamkeit des Verbrechens hatte das Verfahren gegen den Täter bundesweit Aufsehen erregt. In seinen Antworten auf die ihm schriftlich vorgelegten Fragen schildert der Verurteilte seine Gefühle nach der Tat, kritisiert die Haftbedingungen und spricht von einem Justizskandal, weil nicht hartnäckig genug gegen den Polizeipräsidenten ermittelt werde, der ihm angeblich Folter angedroht haben soll. Einleitend stellt die Zeitung fest, dass die Antworten des Betroffenen zum Widerspruch herausfordern. Bei der Schriftform seien aber spontane Einwände oder Korrekturen an den Aussagen nicht möglich. Auch da nicht, wo der Befragte in Larmoyanz und Selbstmitleid ausweiche. Eine Leserin der Zeitung beschwert sich beim Deutschen Presserat. Sie ist der Ansicht, dass dem Verurteilten durch das Interview die Gelegenheit gegeben wird, seine Straftat nachträglich zu rechtfertigen und sich selbst als Opfer darzustellen. Dadurch würden die Angehörigen des Opfers in ungehöriger Weise belastet. Fragen wie „Sind Sie froh, dass der Mordprozess zu Ende ist?“ oder „Fühlen Sie sich in der Haft durch andere Gefangene noch bedroht?“ seien geradezu eine Einladung an den Befragten, Mitleid erregende Äußerungen zu machen. Auch die Anmerkung des Interviewers „Das öffentliche Bild reduziert Sie auf einen geldgierigen jungen Mann...“ vermittele den Eindruck, als sei die Berichterstattung über den Fall und den Prozess dem Täter nicht gerecht geworden. Die Zeitung habe ihre Fragen dem Täter schriftlich übermittelt, so dass der Journalist keine Möglichkeit gehabt habe, nach einer Antwort nachzuhaken oder auf Antworten zu reagieren. Damit sei er bewusst das Risiko eingegangen, dass der Täter eine Plattform erhalte, um seine Tat zu relativieren. Während des Prozesses habe der Täter ausreichend Gelegenheit gehabt, sich selbst zur Tat zu äußern und seine Sicht des Falles darzustellen. An diesen Ort gehörten solche Aussagen auch hin. Alle Medien hätten die Möglichkeit gehabt, die Aussagen im Prozess wiederzugeben. Die Zeitung habe mit diesem Interview eine Grenze überschritten und ein Beispiel gegeben, das nicht Schule machen dürfe. Die Chefredaktion der Zeitung erklärt, die Auffassung der Beschwerdeführerin, man sei bewusst das Risiko eingegangen, dem Täter eine Plattform zu geben, sei falsch. Man könne auch nicht die Ansicht nachvollziehen, dass man einen Täter nach der Verurteilung nicht mehr zur Tat befragen dürfe, weil er während des Prozesses genügend Gelegenheit gehabt habe, sich dazu zu äußern. Es vergehe keine Woche, ohne dass in den Medien verurteilte Kapitalverbrecher zu Wort kommen. Dennoch habe man sich die Auseinandersetzung mit dem Thema nicht leicht gemacht. Eine Woche nach Erscheinen des Interviews habe die Zeitung ihr eigenes Verhalten auf einer Meinungsseite hinterfragt. Zudem habe man mehrere kritische Leserbriefe dazu abgedruckt. (2003)
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