Wie hat der Presserat entschieden?
Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.
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6642 Entscheidungen
Eine Boulevardzeitung berichtet über einen 64jährigen Rentner, der in einem Supermarkt eine Schlagersängerin verprügelt haben soll. Es sei ein Kampf um den besten Platz an der Kasse gewesen. Die Zeitung lässt beide Kontrahenten zu Wort kommen. Die Sängerin behaupte, der Mann leide unter Realitätsverlust. Er habe ihr den Einkaufswagen mehrfach in den Unterleib gerammt. Auch der Rentner fühle sich als Opfer. Als eine zweite Kasse eröffnet worden sei, habe er dort einen Platz für seine Frau freigehalten. Die Sängerin habe ihm daraufhin gegen das Schienbein getreten. Die Zeitung veröffentlicht zwei Fotos des Schlagerstars, bringt auch ein Foto des Rentners, jedoch mit Augenbalken. Sie nennt seinen Vornamen, den Anfangsbuchstaben seines Familiennamens und sein Alter. In den Überschriften stellt sie fest: „Supermarkt-Prügler verhöhnt sie“ und „Jetzt prügelt der Supermarkt-Rowdy mit Worten weiter“. Ein Leser beschwert sich beim Deutschen Presserat. Die Überschriften machen seiner Meinung nach den Rentner bereits zum Täter, ohne dass eine Entscheidung ergangen sei. Die Rechtsabteilung des Verlages weist den Vorwurf der Vorverurteilung zurück. Die Redaktion habe eine wertende Überschrift benutzt. Sie habe den Rentner als „Supermarkt-Rowdy“ bezeichnet. „Rowdy“ sei ein Synonym für Rabauke, Flegel, Halbstarker, aber auch Schläger, Schlagetot und Raufbold. Mit Worten weiterprügeln bedeute, dass der Rentner die Frau, wie sich dann aus der folgenden Berichterstattung ergebe, mit Verbalinjurien belegt habe. So habe er sie als „Furie“ und „völlig hysterisch“ bezeichnet. Wenn man die Überschrift interpretiere als „der Flegel beschimpft Frau ... weiter“, dann könne hierin keine Vorverurteilung gesehen werden. Sollte der Presserat die Zeilen anders interpretieren, so verweise man auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in Sachen „Soldaten sind Mörder“, in der es um die Auslegung von Meinungsäußerungen gehe. Das Bundesverfassungsgericht habe dabei festgestellt, dass einer Äußerung keine Bedeutung beigelegt werden dürfe, die sie objektiv nicht habe. Sei eine Äußerung mehrdeutig, so dürfe von einer (gewollten und/oder präferierten) Interpretation in Wirklichkeit nur dann ausgegangen werden, wenn andere Auslegungen mit tragfähigen Gründen ausgeschlossen seien (2003)
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Eine Regionalzeitung berichtet über die geplante Umwidmung eines Friedhofes, auf dem sich auch Kriegsverbrechergräber befinden. In dem Bericht wird der Vorsitzende einer Bürgervereinigung mit den Worten zitiert: „Diesen Friedhof bringe ich noch weg“. Der teilt mit, dass er sich in dieser Weise weder gegenüber dem Autor noch gegenüber der Zeitung geäußert habe. Er wendet sich an den Deutschen Presserat. Die Chefredaktion der Zeitung teilt mit, dass das Zitat so gefallen sei. Dass der Beschwerdeführer, wie er selbst behaupte, seit Jahren keinen Kontakt mehr zur Zeitung gehabt habe, sei falsch. Das Gespräch zwischen dem Beschwerdeführer und dem Autor hätte kurz vor der Veröffentlichung des Berichts stattgefunden. (2002)
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Ein Rentner lebt in einem Dorf und widmet sich mit Leidenschaft der Hühnerhaltung. Er füttert sein Federvieh im Freien. Das hat sich bei den Spatzen im Umkreis herumgesprochen, die eine wahre Invasion starten, um an dem Futter teilzuhaben. Bis zu 75 sitzen oft auf dem Dach der Nachbarn, denen das Vogeltreiben ein Dorn im Auge ist. Es kommt zu einem handfesten Streit der Nachbarn, der bald schon in zahlreichen Medien seinen Widerhall findet. Eine Regionalzeitung berichtet unter der Überschrift „Gericht entscheidet: Hühner bleiben leben“ und nennt die klagenden Nachbarn des Rentners – ein Ehepaar – mit vollem Namen. Darin sehen sie eine Verletzung ihres Persönlichkeitsrechts. Weiterhin sei die Überschrift „…Hühner bleiben leben“ falsch. Sie insinuiere, dass sie verlangt hätten, die Hühner zu töten. Tatsächlich sei es aber so, dass die Gegenseite in erster und zweiter Instanz dazu verurteilt worden sei, die offene Hühnerhaltung zu beseitigen bzw. zu unterlassen. So beschäftigt der dörfliche Hühner- und Spatzenstreit nicht nur Medien und Gerichte, sondern auch den Deutschen Presserat. Der Anwalt der Zeitung teilt mit, der Name der klagenden Eheleute sei schon Monate vor Erscheinen des fraglichen Artikels durch Berichte in zahlreichen Medien bekannt gewesen. Die Zeitung habe über einen langen Zeitraum hinweg berichtet, ohne die Namen der Beteiligten zu nennen. Der Name sei erst später und dann nur einmal genannt worden, als er – unter anderem in einem Aushang im Gemeinde-Informationskasten – längst bekannt gewesen sei. Ergänzend teilt die Rechtsvertretung der Zeitung mit, dass sie sich nicht mehr mit den Argumenten der Eheleute befassen werde, da sich diese als Querulanten disqualifiziert hätten. Auch als die Redaktion bei den Klägern wegen eines Prozessergebnisses angerufen habe, sei keine Rede davon gewesen, dass die Namensnennung unerwünscht sei. (2003)
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In einer Stadt werden zwei Büchereizweigstellen geschlossen und in private Bücherausleihen, die von ehrenamtlichen Kräften geleitet werden, umgewandelt. Die örtliche Zeitung kritisiert in mehreren Beiträgen, dass die in den Zweigstellen vorhandenen Bücher von der Zentralbibliothek zum Teil eingezogen wurden und so den privaten Ausleihen nicht mehr zur Verfügung standen. In einem Kommentar unter der Überschrift „Rückt die Bücher raus!“ heißt es, die ärgsten Feinde der beiden Zweigstellen seien städtische Angestellte, die gut bezahlte Jobs in der Zentralbibliothek hätten. Diese seien bereit, für einen billigen Triumph den Kindern die Bücher zu stehlen. Politik und Öffentlichkeit dürften nicht zulassen, dass ein derartig niederträchtiger Plan sich auszahle. In dem Kommentar heißt es weiter: Wie bei jedem Diebesgut hat´s halt hinterher nur ein anderer“. Eine Personalrätin hält die Berichterstattung für ehrenrührig. Die Beschäftigten der Zentralbibliothek würden von Bürgern mit der Frage angegangen, ob sie den Kindern Bücher klauten. Der Autor jongliere gezielt mit strafrechtlicher Terminologie und bringe die Bibliotheksangestellten dadurch in Misskredit. Die Personalrätin wendet sich an den Deutschen Presserat. Die Beschwerdeführerin zweifelt die Richtigkeit der Berichterstattung nicht an, kontert die Redaktion der Zeitung. Es gehe also darum, in welcher Sprache berichtet und kommentiert worden sei. Bei der Umwandlung der Zweigbibliotheken in private Ausleihen sei der Bücherbestand verringert und zum Teil ausgetauscht worden. Das ganze habe man so verschleiert, dass die Reduzierung erst bei der Eröffnung einer der beiden Zweigstellen bekannt geworden sei. Die Beschwerdeführerin mache geltend, die Stadt könne Zuschüsse für Medien nur dann bekommen, wenn diese von Fachkräften ausgeliehen würden. Das sei so nicht richtig, meint die Zeitung. Zuschüsse gingen auch bei der Ausleihung durch ehrenamtliche Kräfte nicht verloren. (2003)
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Eine Fachzeitschrift bietet einem Kunden zwei einseitige Anzeigen in den Ausgaben März und Juni 2004 zum Preise von je 1.500 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer an. Das schriftliche Angebot enthält den Hinweis, dass in der Märzausgabe kostenlos eine Reportage über das Unternehmen in einer Größe von mindestens drei Seiten veröffentlicht wird. Der Brief kommt einem Professor unter die Augen, der sich in einem Projekt mit dem Thema Qualitätsmanagement im Journalismus befasst. Er bittet den Deutschen Presserat um Prüfung, ob die hier vorliegende enge Verzahnung von Werbung und Text statthaft ist. Die Geschäftsführung des Unternehmens berichtet, dass sie mit dem Beschwerdeführer Kontakt aufgenommen habe, um die Angelegenheit in beiderseitigem Einvernehmen zu lösen. Ein Mitarbeiter habe dem Kunden das Angebot versehentlich unterbreitet. Dieser habe davon keinen Gebrauch gemacht. Von daher sei auch das Angebot, eine Reportage zu veröffentlichen, entfallen. Den Mitarbeiter habe man angewiesen, die Ziffer 7 des Pressekodex künftig zu beachten. Ein solches Versehen werde sich nicht wiederholen. (2003)
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Eine Boulevardzeitung berichtet unter der Überschrift „Lieber Lehrer, bist Du zu faul für die Klassenfahrt?“ über einen Lehrer, der wie viele andere seiner Kollegen aus Protest gegen ein neues Arbeitszeitmodell des Senats eine Reise seiner Schulklasse abgesagt und ein Gerichtsverfahren angestrengt hatte. Der Mann, durch ein Foto und Nennung des Vornamens, des abgekürzten Nachnamens sowie des Alters klar identifizierbar, wird in dem Beitrag dreimal als „Lehrer Faul“ bezeichnet. Der Betroffene wehrt sich durch eine Beschwerde beim Deutschen Presserat. In der Bezeichnung „Lehrer Faul“ sieht er eine ehrverletzende Behauptung. In der Veröffentlichung werde ein völlig falscher Prozessgegenstand geschildert. Die Behauptung, er wolle seine Überstunden bezahlt bekommen, sei falsch. Diese Forderung habe er nie erhoben. Er habe vielmehr, stellvertretend für weitere Betroffene, durch eine Klage beim Oberverwaltungsgericht die Frage klären lassen wollen, ob eine Klassenfahrt, unabhängig davon, wie weit die Planung dafür gediehen sei, noch abgesagt werden dürfe. Die Rechtsabteilung des Verlages betont, die Berichterstattung über den Beschwerdeführer und den von ihm angestrebten Rechtsstreit sei von öffentlichem Interesse. Die Diskussion über das neue Arbeitszeitmodell für Lehrer habe in der ganzen Bundesrepublik Aufsehen erregt. Die Einführung des Modells sei im Ergebnis mit einer Mehrbelastung für die Lehrer verbunden. Dies habe zu vielfältigen Protesten von Seiten der Lehrerschaft, der Gewerkschaften und der Schulbehörden geführt. Die Weigerung des Beschwerdeführers, an einer bereits lange geplanten Klassenreise teilzunehmen, sei auch Teil dieser Protestaktion gegen das Modell gewesen. So weit der Beschwerdeführer einwende, die Berichterstattung würde den Eindruck vermitteln, Lehrer seien faul, würden viel verdienen und wenig leisten sowie sich ständig über ihren Job beschweren, könne man dem nicht zustimmen. Die Überschrift des Artikels lasse bewusst offen, ob es sich bei dem Beschwerdeführer um einen faulen Menschen handele. Auf Grund der Diskussion über das Modell der Lehrerarbeitszeit sei es gerechtfertigt, die Frage zu stellen, wie viel ein Lehrer leisten müsse und was ihm zugemutet werden könne. (2003)
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„Blumen der Erinnerung“ – unter dieser Überschrift berichtet eine Regionalzeitung über die Gedenkfeier anlässlich des Erfurter Schulattentats. In dem Artikel heißt es, während der Feier habe die Schuldirektorin als erste und als letzter ein Vertreter der Angehörigen gesprochen. Ein Leser wendet sich Monate nach Erscheinen des Berichts an den Deutschen Presserat. Er moniert, dass seinerzeit die Angabe der zeitlichen Reihenfolge der Redner falsch gewesen sei. Der Vertreter der Angehörigen habe als erster, die Schuldirektorin jedoch als letzte gesprochen. In ihrer Stellungnahme räumt die Chefredaktion der Zeitung ein, dass die Reihenfolge der Namen leider tatsächlich nicht korrekt wiedergegeben worden sei. Den Vorwurf der Geschichtsfälschung, den der Beschwerdeführer erhebt, kann die Redaktion jedoch nicht nachvollziehen. (2003)
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Eine Regionalzeitung veröffentlicht eine Agenturmeldung, in der die folgende Passage enthalten ist: „Das Risiko, an Brustkrebs zu sterben, sei für Frauen mit Hormontherapie, egal ob mit einem oder mehreren Wirkstoffen, um 22 Prozent höher als bei Frauen, die sich einer solchen Behandlung nicht unterzögen.“ Eine Frauenärztin teilt mit, dass diese Interpretation einer in der Fachzeitschrift The Lancet veröffentlichten Studie falsch sei. In der Meldung sei das genannte Relativ Risk von 1.00 zu 1.22 unter laufender Hormonanwendung eigenmächtig umgewandelt worden in die Aussage, das Risiko, aufgrund einer Hormonersatztherapie an Brustkrebs zu sterben, läge um 22 Prozent höher. Diese Aussage sei aber nicht statthaft. Die Ärztin wendet sich an den Deutschen Presserat. Die Agentur teilt mit, sie habe nach dem Hinweis der Beschwerdeführerin die Berichterstattung in ihrer Datenbank gesperrt. Ihr Wissenschaftsredakteur teilt mit, dass der Vorwurf einer Falschmeldung nicht aufrechterhalten werden könne. Die von der Beschwerdeführerin beanstandete Passage liege genau in der Zufallswahrscheinlichkeit von 5 Prozent, also der Grenze zwischen einem statistisch signifikanten und nicht signifikanten Ergebnis. Es sei daher fragwürdig, ob die Passage überhaupt aus der Datenbank gestrichen werden musste. (2003)
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In zwei Beiträgen innerhalb einer Woche berichtet eine Lokalzeitung über einen 49jährigen Mann, der wegen der zweifachen Vergewaltigung einer Frau zu drei Jahren und acht Monaten Haft verurteilt worden ist. In beiden Artikeln wird erwähnt, dass das Opfer, eine Bekannte des Täters, 46 Jahre alt und von Beruf Kinderärztin sei, zum Zeitpunkt der Tat mit einem ukrainischen Bildhauer verheiratet gewesen sei und selbst auch aus der Ukraine stamme. Zudem sei ihre Abschiebung in die Ukraine auf Grund eines Kirchenasyls verhindert worden. In dem Bericht über den Verlauf der Gerichtsverhandlung wird auch der 12jährige Sohn der betroffenen Frau, der die erste Vergewaltigung miterlebt hatte, mit Details seiner Beobachtungen zitiert. Ein Ehepaar, mit dem Opfer bekannt, legt Beschwerde beim Deutschen Presserat ein. Es ist der Ansicht, dass die Frau durch die Veröffentlichung identifizierbar wird. Sie fühle sich nun zum zweiten Male gedemütigt. Die Beschwerdeführer fragen sich, welche Frau nach Erscheinen dieses Artikels noch den Mut aufbringe, sich gegen den Übergriff eines Mannes juristisch zu wehren. Die Rechtsabteilung des Verlages betont in ihrer Stellungnahme, dass die Entwicklung, die dem Strafverfahren zu Grunde gelegen habe, in der erschienenen Form dargestellt werden musste. Dies gelte insbesondere für die Tatsache, das dem Opfer und seiner Familie seinerzeit Kirchenasyl gewährt worden sei, auch wenn dieser Vorgang mehr als sechs Jahre zurückliege. Nur so werde der Öffentlichkeit der Hintergrund für die skrupellosen und menschenverachtenden Erpressungen der Frau durch den Angeklagten deutlich. Auf Grund der existenziellen Angst des Opfers, dem eine Abschiebung drohte, sei auch nur zu erklären, dass die Frau sich nach der ersten Vergewaltigung ein zweites Mal mit dem Angeklagten in einem Hotel getroffen habe. Eine namentliche Nennung sei ausdrücklich nicht erfolgt, dies gelte auch für eventuelle Abkürzungen. Eine offensichtliche Erkennbarkeit sei daher nicht gegeben. Alleiniger Anknüpfungspunkt könne allenfalls der Vorfall um das Kirchenasyl sein.
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