Entscheidungen finden

Wie hat der Presserat entschieden?

Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.

Bitte beachten: Im Volltext abrufbar sind nur Entscheidungen mit den Aktenzeichen ab 2024, z.B. 0123/24/3!

Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.

Sie haben Fragen zu unseren Sanktionen? Hier finden Sie Erläuterungen.

 

Entscheidungsjahr
6642 Entscheidungen

Von Mitschülern in den Tod getrieben

Ein junges Mädchen wird über einen längeren Zeitraum hinweg von Mitschülern gequält. Es scheidet freiwillig aus dem Leben. Über diesen Fall berichtet eine Jugendzeitschrift unter der Überschrift “Gewalt an der Schule – Lisa (15) hielt es nicht mehr aus!” Der Rektor der Schule hält die Berichterstattung für unangemessen sensationell und einseitig. Sie beruhe ausschließlich auf den Aussagen der Eltern des Mädchens. Die Schule und die Mitschüler würden ohne Berücksichtigung ihrer Sichtweise in Misskredit gebracht. Gleiches gelte für die Klassenlehrerin, über die es in dem Artikel heißt, nach einem Gespräch zwischen ihr und der Mutter des Mädchens sei “alles nur noch schlimmer” geworden. Der Schulleiter wendet sich an den Deutschen Presserat. Die Rechtsabteilung der Zeitschrift teilt mit, das Blatt habe ein dringendes Gesellschaftsproblem aufgegriffen, um auf die Gewalt an deutschen Schulen hinzuweisen. Die Aktion habe “ein überragendes Medienecho” erfahren. Bei der Berichterstattung sei bewusst darauf geachtet worden, dass weder die Schule noch die Lehrer noch gewaltbereite Schüler namentlich genannt worden seien. Auch werde nicht der falsche Eindruck erweckt, als gebe es einen unmittelbaren, zeitlichen Zusammenhang zwischen der Selbsttötung und den Bemühungen der Mutter um eine Verbesserung des Klimas in der Klasse. Durch den Artikel werde deutlich, dass zwischen beiden Ereignissen noch zahlreiche andere Vorfälle lägen. So hätte es Gespräche mit dem Rektor und einem Psychologen, die Suche nach einer anderen Schule und den Versuch der Schülerin gegeben, sich mit den gewaltbereiten Mitschülern zu arrangieren. Eine sensationelle Darstellung von Gewalt und Brutalität liege nach Auffassung des Beschwerdegegners nicht vor. Es sei Ziel des Artikels, Opfern von Gewalt an Schulen die Sinnlosigkeit einer Selbsttötung vor Augen zu führen und konkrete Hilfestellung anzubieten. (2006)

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Selbsttötung eines Familienvaters

Eine Regionalzeitung berichtet unter der Überschrift “Familienvater warf sich vor Zug – tot” über den Suizid eines Familienvaters aus einem Ortsteil einer Kleinstadt. Ausführlich werden die letzten Lebensminuten des Selbstmörders geschildert. In dem Artikel wird der Vorname des Mannes vollständig und der Nachname gekürzt genannt, sein Alter angegeben und der Ortsteil benannt, in dem er mit seiner Familie wohnte. Der Beschwerdeführer prangert einen Verstoß gegen Ziffer 8 (Persönlichkeitsrechte) in Verbindung mit Richtlinie 8.5 (Suizid-Berichterstattung) des Pressekodex an. Er wendet sich an den Deutschen Presserat. In seiner Entgegnung auf die Beschwerde unterstellt der Stellvertretende Chefredakteur dem Beschwerdeführer Befangenheit, da er für eine andere Zeitung arbeite. Dennoch nimmt er inhaltlich Stellung. Er könne keinen Eingriff in die Intimsphäre des Verstorbenen erkennen. Da die in dem Artikel beschriebene Auseinandersetzung zwischen dem Verstorbenen und der Mutter der gemeinsamen Kinder in einem kleinen Dorf stattgefunden und sich dort sehr spektakulär und öffentlich abgespielt habe, sei insgesamt nur die Sozialsphäre berührt. Mit der Abkürzung des Familiennamens habe die Redaktion hinreichende Zurückhaltung geübt. Wegen der spektakulären Umstände des Selbstmordes sei der Verstorbene eine relative Person der Zeitgeschichte. Daraus ergebe sich ein besonderes Informationsinteresse der Öffentlichkeit. Der Mann habe gerade eine Tötungsart und einen Tötungsort gewählt, angesichts derer er damit habe rechnen müssen, dass aufgrund der Sperrung der Bahnstrecke zahlreiche Dritte betroffen sein würden. Diese hätten ein Recht darauf zu erfahren, was die Verspätungen verursacht habe. (2006)

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Toten Polizisten im Internet verhöhnt

Eine Berliner Zeitung berichtet am Vorabend des 1. Mai über die zu erwartenden Demonstrationen in der Hauptstadt. Dabei ist von linksextrem eingestellten Personen die Rede, die auf einer Internetseite vor Zivilfahndern der Polizei warnen und dabei einen zuvor getöteten Polizisten verhöhnen. Die Zeitung bildet den Toten ab und nennt seinen vollen Namen. Der Beschwerdeführer vertritt die Auffassung, die volle Namensnennung und fotografische Abbildung des Polizisten sei zu Unrecht erfolgt. Die Identität des Opfers sei für das Informationsinteresse der Öffentlichkeit unerheblich. Der Abdruck erfolge nur für die Befriedigung des Sensationsbedürfnisses der Leser. Auch nach dem Tod gelte der Schutz der Persönlichkeitsrechte weiter. Der Geschäftsführende Redakteur der Zeitung weist darauf hin, dass das Foto des toten Polizisten seit der Tatnacht hundertfach veröffentlicht worden sei. Die Berichterstattung über die öffentliche Reaktion habe bereits damals ein überragendes öffentliches Interesse hervorgerufen. Der beanstandete Artikel nehme eindeutig Stellung gegen die Verunglimpfung des Andenkens des Polizisten. Eine Befriedigung der Sensationsgier sei weder erkennbar noch beabsichtigt. (2006)

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Gute Laune nach dem Ehrenmord

Unter der Überschrift “Verbrechen im Namen der Ehre” veröffentlicht ein Nachrichtenmagazin einen Beitrag, in dem es um das Urteil gegen drei Türken geht, die ihre Schwester umgebracht haben. Der familiäre Hintergrund wird ebenso dargestellt wie die auf das Urteil folgende öffentliche Diskussion. Mit dem Artikel werden auch Fotos der Geschwister des Opfers abgedruckt. Von einer Schwester des Opfers ist die Rede, die sich künftig um das Kind der Getöteten kümmern werde. Der Beschwerdeführer wendet sich an den Deutschen Presserat, weil Familienangehörige von Opfer und Tätern im Bild gezeigt werden. Die Abbildung verletze deren Persönlichkeitsrechte. Auch die Abbildung des Opfers mit voller Namensnennung hält der Beschwerdeführer für unzulässig. Die Rechtsvertretung des Magazins rechtfertigt die Veröffentlichung des Fotos mit mehreren Familienangehörigen und Freunden des Opfers. Es sei kurz nach dem Urteil gegen die drei Brüder aufgenommen worden. Dass diese auf dem Bild beste Laune demonstrierten, mache deutlich, dass die Ermordung der Schwester bei der Familie offenbar zu keiner sichtbaren Trauer geführt habe. Der Beitrag, so die Rechtsvertretung des Magazins weiter, habe sich über das konkrete Beispiel hinaus mit den so genannten Ehrenmorden befasst, für die dieser Fall exemplarisch das überragende öffentliche Interesse an diesem Thema beweise. Zum Foto des Opfers verweist das Magazin auf die Besonderheiten dieses Falles. Dadurch, dass das Opfer auf dem Foto als fröhliche junge Mutter gezeigt werde, die sich äußerlich nicht von jungen europäischen Durchschnittsfrauen unterscheide, komme deren Lebenseinstellung für den Leser nachvollziehbar zum Ausdruck. Im Vergleich mit dem Bild ihrer Schwestern, die beide ein Kopftuch trügen, werde klar, dass sich eine junge Frau den Vorgaben ihrer Familie widersetzt habe. Die getötete junge Frau sei zum Symbol für die Opfer so genannten Ehrenmorde geworden und damit eine zeitgeschichtliche Person von überragendem öffentlichem Interesse. Diese Einschätzung teilten auch andere Medien. (2006)

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Täter sind oft zugleich auch Opfer

Der Polizei 80.000 Euro vermacht

“Oma vererbt 80.000 Euro – an die Polizei” - so überschreibt eine Sonntagszeitung einen Bericht über eine Erbschaft, mit der eine ältere Dame den Dienststellenleiter einer Polizeidirektion unter der Auflage bedacht hatte, das Geld für soziale Zwecke zu verwenden. Damit, so die Zeitung, habe die Frau den einzig legalen Weg gefunden, einer Behörde Geld zu vererben. Auf zwei Fotos ist die Erblasserin als junges Mädchen und als alte Dame zu sehen. Der Beschwerdeführer moniert, dass der Artikel die Intimsphäre der Frau missachte. Die mittlerweile verstorbene alte Dame sei ohne ihre Einwilligung in der Zeitung abgebildet worden. Und das, obwohl sie keine Person der Zeitgeschichte sei. Der Beschwerdeführer wendet sich an den Deutschen Presserat. Die Rechtsabteilung der Zeitung kann keine Verletzung der Intimsphäre durch die Bildveröffentlichung erkennen. Es habe eine Einwilligung zur Veröffentlichung der Fotos vorgelegen: Die Polizeidirektion, aufgrund des Erbes Rechtsnachfolgerin der alten Dame, habe der Redaktion die Fotos zur Veröffentlichung überlassen. Die Zeitung hält die Veröffentlichung allein schon wegen des öffentlichen Interesses für zulässig. Die Frau habe die Berichterstattung durch ihre ungewöhnliche und rechtlich brisante gute Tat, einer Polizeidirektion ihr Vermögen zu vermachen, selbst ausgelöst. (2006)

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Zurückhaltung bei jugendlichen Opfern

“Verbrecher” als Adelsprädikat

Ein Fachblatt druckt unter der Überschrift “Die Sehnsucht-Verwalter” eine Reportage über eine Seglervereinigung. Darin wird berichtet, dass der Club in seinen Anfängen wie ein Geheimbund angemutet habe. Ein Weltumsegler wird zitiert: “Man habe etwas gehört, aber niemand habe etwas Genaues gewusst”. Auch der Ehrenvorsitzende kommt mit dem Zitat zu Wort: “Die Gründung…(des Clubs)… war eine Schnapsidee. Das Dutzend Mitglieder, das …(der Club)… am Anfang hatte, das waren alle Verbrecher”. Diese Anmerkung findet sich auch fettgedruckt in großer Schrift im Text eingeklinkt. Der Sohn eines inzwischen verstorbenen Gründungsmitglieds sieht dessen Persönlichkeitsrechte durch den Abdruck des Zitats verletzt. Er wendet sich an den Deutschen Presserat. Der Chefredakteur des Fachblattes beruft sich auf die Schilderung glaubwürdiger und kompetenter Zeitzeugen. Aus deren Sicht seien die Gründungsmitglieder außerordentlich sympathische Leute gewesen, aber auch “weltfremde Spinner”, “zweifelhafte Individuen”, und “Anarchisten”. Über den Club urteilten die Zeitzeugen, es habe sich um einen “Geheimbund” und eine “suspekte Vereinigung” gehandelt. Auch diese Begrifflichkeiten, so der Chefredakteur weiter, hätten ihre Berechtigung. Aus damaliger Sicht sei das Hochseesegeln eine äußerst exotische Beschäftigung gewesen. Der unbändige Pioniergeist der Gründer sei in diesem Kontext sehr trefflich und voller Respekt transportiert worden. Die beanstandete Passage sei im Interview so bildhaft formuliert worden. Aus dem Zusammenhang erschließe sich eindeutig, dass die Aussage nicht wörtlich gemeint war. (2006)

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Schulleitung musste gehört werden

“Gewalt an der Schule: Ich wollte mich umbringen!” titelt eine Jugendzeitschrift. In dem Beitrag geht es um einen Schüler, der vorgibt, von seinen Mitschülern gequält worden zu sein und daraufhin einen Selbsttötungsversuch unternommen zu haben. Das Blatt druckt ein ungepixeltes Foto des Jungen. Der Bericht ist mit Zeugnissen der Schule illustriert. Auch wenn deren Name nicht erkennbar ist, deuten doch andere Hinweise darauf hin, in welchem Landkreis sie liegt. Beschwerdeführer ist der Leiter der Schule, der durch die Schilderung die Grenzen der guten Sitten und des Anstandes verletzt sieht. Die Schülerakte stelle den Fall ganz anders dar. Daraus seien auch andere Gründe für den Selbsttötungsversuch erkennbar. Der Schulleiter, der den Deutschen Presserat anruft, beschwert sich auch darüber, dass die Schule zu dem Vorfall nicht gehört worden sei. Die Rechtsabteilung der Zeitschrift vertritt den Standpunkt, dass eine Identifizierung der Schule aufgrund des Artikels nicht möglich gewesen sei, da in dem Bericht weder die Schule noch deren Lehrer noch weitere Schüler namentlich erwähnt worden seien. Es sei nur einem sehr begrenzten Personenkreis möglich gewesen, den Schüler dieser Schule zuzuordnen. Die Zeitschrift habe die Erfahrung gemacht, dass weder Schulleitung noch Elternbeiräte sich auf Anfrage der Redaktion zu dem Thema “Gewalt an der Schule” äußerten. Deshalb habe man auch in diesem Fall davon abgesehen, die Schule anzuhören. Die Parteien hätten sich unter Vermittlung des Schulelternbeirats auf die Veröffentlichung eines Leserbriefes geeinigt, der mittlerweile erschienen sei und der Schulleitung und Elternbeirat als Autoren ausweise. Der Schulleiter wolle die Beschwerde dennoch aufrechterhalten. (2006)

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Alte Delikte gehörten zum Bericht

Grundsätzlich positiv berichtet eine Regionalzeitung über die bevorstehende Abschiebung einer Familie aus dem Kosovo. Die gute Integration der Familie wird gelobt, das Engagement der Bevölkerung gegen die Abschiebung hervorgehoben. Dennoch bezieht sich der Artikel an einer Stelle auf eine gegen den Familienvater verhängte Geldstrafe von 67 Tagessätzen. Nach Informationen der Zeitung soll er mehrfach Beihilfe zur illegalen Einreise nach Deutschland geleistet haben. Sie zitiert den Mann mit den Worten: “…das war 1994, ein dummer Fehler von mir, es tut mir leid”. Ein Leser der Zeitung bemängelt, der Familienvater werde öffentlich an den Pranger gestellt, obwohl die ihm vorgeworfenen Vergehen verjährt seien. Es liege keine Eintragung im Bundeszentralregister mehr vor. Die Preisgabe dieser Informationen sei nicht förderlich für das Bleibegesuch der Familie. Außerdem mutmaßt er, die Zeitung habe sich diese Informationen illegal beschafft. Der Leser ruft den Deutschen Presserat an. Die Chefredaktion der Zeitung verweist darauf, dass sich die Redaktion von journalistischen Maßstäben habe leiten lassen, nicht jedoch von dem Gedanken, was der von der Ausweisung bedrohten Familie am ehesten helfe. Im Rahmen der Recherche habe die Zeitung den zuständigen Landrat befragt, der wörtlich erklärt habe, dass “die Kreisverwaltung nach wie vor keine legale Möglichkeit habe, der Familie … ein dauerhaftes Bleiberecht einzuräumen”. Auch spezielle Altfallregelungen hätten nicht genutzt werden können, “weil sie nur in Betracht kommen, wenn der Betroffene strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten ist. Die Zeitung habe daraufhin die Recherche fortgesetzt und sei auf die genannten Delikte gestoßen. Diese seine, obwohl sie 12 Jahre zurücklägen, erwähnt worden, weil sich die Kreisverwaltung bei ihrer ablehnenden Entscheidung auf diese bezogen habe. Insgesamt sei die Zeitung davon ausgegangen, zur umfassenden Bewertung dieses Asylfalles transparent zu machen, womit der Landrat eine Ablehnung des Bleiberechts konkret begründet habe. Daher sei es zum vollen Verständnis des Falles geboten gewesen, die alten Delikte zu erwähnen. (2006)

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